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Sonntag ist's und gefeiert wird! Oder gibt es hier in diesem feudalen Hotel jeden Tag zum Frühstück schon ein Cüpli neben all der schlaraffenlandähnlichen Auswahl des Buffets?
Das schöne Wetter begleitet uns auch heute weiter auf der Autobahn nordwärts ins Bundesland Niedersachsen. An der Verkehrsdichte und an der sechsspurigen Autobahn spürt man, dass man dichter besiedeltes Gebiet durchfährt. Städte und Dörfer sind durch die Linienführung der Strasse oder durch schützende Wälle vom Lärm abgeschirmt. Grosse Kunstbauten und Brücken der Bundesbahnen überspannen zum Teil weite Felder, da man die Schnell-Verbindungsstrecken Dortmund - Berlin und Hamburg - Kassel für den ICE möglichst in gerader Linie und mit optimalem Höhenausgleich durchziehen wollte.

Frühstücks-Cüpli Elsbeth und Rolf Autobahn und Schnellbahntrasse Kornfelder und Alleen

Dann wird das Gelände langsam wieder flacher und eine Pause für den Chauffeur wird fällig. Er entlässt uns zur Mittagspause in Celle. Ein pittoreskes Städtchen mit vielen uralten Fachwerkhäusern, welche alle aufs Feinste restauriert und herausgeputzt sind, empfängt uns mit einem zarten Glöckleinspiel als Willkommensgruss. Ganz begeistert muss man zuerst durch all die wunderschönen Gassen und Gässchen streifen, ehe man sich inmitten der alten, zum Teil aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts stammenden, reich verzierten Häuserzeilen noch schnell in einem Strassenbeizlein ein kühles Bierchen genehmigt.

Autobahnbaustellen in Celle Häuser aus dem 17. Jahrhundert Fachwerk über einer Tür

Bei einem Blick in die St. Marienkirche mit ihrer wunderschönen Barockorgel aus dem Jahre 1653 bestätigt uns der Siegrist, dass das Städtchen vom Krieg fast gänzlich verschont geblieben sei und die Häuser noch ihren ursprünglichen Charakter beibehalten haben. Celle - wie dieser bisher unbekannte Ortsname nun in meinem Kopf ein plastisches und wunderschönes Bild angeheftet bekommen hat.
Wir sind nun weg von der Autobahn. Celle gilt auch als südliches Tor zur Lüneburger Heide. Die geschützte Heidelandschaft aber, wo die Heidschnucken, eine genügsame Schafrasse, erst ab August weiden dürfen, liegt etwas weiter nördlich. Der sandige Boden eignet sich hier gut für den Kartoffelanbau. Dementsprechend riesig breiten sich die blühenden Härdöpfelfelder vor unseren Augen aus. Von Alleen gesäumte Strassen beginnen unsern Weg zu begleiten. Manchmal sind es schon uralte Bäume, die sich knorrig und oft ganz schräg gegen die Fahrbahn neigen, so dass man die Gefahrenzone für hohe Busse und Lastwagen mit weisser Farbe markiert hat. Oder man musste sie zugunsten der Breite auf einer Seite fällen. Man forstet aber meist wieder auf, so dass man wie durch einen grünen Tunnel am Schatten weiterfahren kann.

das berühmte Hoppener Haus es lädt zum Verweilen ein ...in der Marienkirche Barockorgel aus dem Jahre 1653 durch Alleen

So erreichen wir Uelzen und hier will uns Bruno etwas zeigen, sofern es klappt. Im letzten Moment muss er vor einer Unterführung bremsen, denn die Minimalhöhe ist erst jetzt signalisiert. Ob das gut kommt? Sicherheitshalber steigt jemand aus und kann uns beruhigt durchlotsen. Wir stehen vor dem Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen und ein Bisi auf dem Bahnhofs-WC wird empfohlen. Natürlich kommt jetzt gerade die Erinnerung an das Hundertwasser-WC in Kawakawa in Neuseeland hoch. Auch wenn man nicht muss, zahlt man doch den Euro für die Abortgebühr allein für ein Foto. (ist schliesslich keine Kirche !!) Dafür darf ich fürs gleiche Geld auch gerade eins von der Herrentoilette machen. Deswegen durfte dann Bruno dort nicht hinein!!! Allein, nicht nur die Toilette, sondern der ganze Bahnhof trägt Hundertwassers Handschrift. Eine lustige Abwechslung in der grauen Bahnhofsarchitektur. Trotzdem, das eigenwillige Fenster aus farbigen Flaschen war in Kawakawa noch origineller.

Kartoffelfelder in Uelzen Hundertwasserdesign über die Elbe in die Ex-DDR

Wir fahren nun weiter in nordöstlicher Richtung durch baumbestandene Alleen und kommen ins ehemalige Grenzgebiet zur DDR. Eine neue Brücke über die Elbe verbindet nun Ost mit West.
Vergeblich probiere ich, ein Bild dieser hier üblichen niederen Häuser aus handgemachten, roten Ziegelsteinen mit den blühenden Kletterrosen um die Hauseingänge zu erhaschen. Der Chauffeur braucht seine fällige und vorgeschriebene Ruhepause, darum rüttelt der Bus über das raue Kopfsteinpflaster von Ludwigslust in Mecklenburg Vorpommern und lässt uns vor dem Jagdschloss mit Wasserspiel und Denkmal von verschiedenen Friedrichs und Franzen aussteigen. Allerdings, um im 120 ha grossen Schlosspark lustwandelnd die wieder anschwellenden Knöchel zu besänftigen, reicht diese auch nicht ganz.
Immerhin reicht es zum Staunen, mit was sich einflussreiche Leute in Szene setzen mussten, um ihre Überlegenheit darzustellen. Man liess sich Schlösser bauen, heute kurvt man höchstens noch im Ferrari durch autofreie Altstädte.

Schloss Ludwigslust Kaskade im Schlossgarten Zwillinge? ...des Friedrich oder Franz?

Bis zu unserem heutigen Ziel sind es nun nur noch 36 Kilometer und als erstes begrüsst uns, lieblich am Burgsee gelegen, das Schloss Schwerin. Eskortiert wird unsere Fahrt von hupenden, mit riesigen Deutschlandfahnen beflaggten Autos, welche lauthals verkünden müssen, dass Deutschland gegen England im Achtelfinal der WM in Südafrika 4:1 gewonnen hat. Eine Ehrenrunde um den Pfaffenteich, einem weiteren der vielen Gewässer in und rund um die Stadt Schwerin, dient als kleine Orientierungshilfe, wie und wo man die freie Zeit heute oder morgen Abend verbringen könnte. Mit der Gästekarte des Hotels sind Tram-, Bus und Schifffahrten frei.

Schwerin Schloss Schwerin am Pfaffenteich

Nach dem Nachtessen suchen wir uns den Weg per Pedes hinunter zum Schloss. Viel ist nicht los und das Städtchen macht trotz Fussballsieg einen eher verträumten und verschlafenen Eindruck. Vielleicht sind auch alle am Freilichtspiel, bei welchem unten beim Schloss die Verdi-Oper 'Die Macht des Schicksals' aufgeführt wird. Von der Brücke aus könnte man einen Teil der Bühne einsehen und dem Chorgesang lauschen, aber mich interessiert das goldene Abendlicht mehr, welches sich rötlich und weich über die Silhouette und die goldene Kuppel des Schlosses legt. Ein richtiges Märchenschloss-Bild.
Einsam und verlassen scheint die Bar am Pfaffenteich, aber wir bekommen doch unseren Schlummertrunk. Nur wer austreten muss, findet eine grüne Tür weit auf der andern Strassenseite in den Untergefilden eines Restaurants, welche auch von den Gästen der Strandbar nebenan benützt wird. Hier hat man Lastwagen von feinem Sand hergekarrt und unter Palmen und in Strandkörben kann man auf einem Grossbildschirm das Fussballgeschehen live oder vielleicht die Aufzeichnung von heute Nachmittag verfolgen.

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