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Es hat die ganze Nacht geschneit und hat die Alp ringsum mit einer dicken, weissen Decke versehen. Das nützt dem Vieh jetzt auch nichts, dass ihr Stall offen steht und sie ein und ausgehen können, wie sie wollen, heute finden sie jedenfalls kein Gras. Der Bauer musste in unserem 'Vorzimmer' vom Heu holen. Und wir sind auf der Sommerwanderung! Im Restaurant drüben hängt eingerahmt ein Spruch und an den wollen wir uns doch halten: Sonnenschein wirkt köstlich, Regen erfrischend, Wind aufrüttelnd und Schnee erheiternd. Wo bleibt da das schlechte Wetter?
Es ist nicht wegen dem, was von oben kommt, dass man uns empfohlen hat, den vorgesehenen Weg heute nicht unter die Füsse zu nehmen, sondern eher weil man über weite Strecken im weichen Morast versinken würde. Das Vieh wurde dieser Tage auf die Alpen getrieben und das hat im wahrsten Sinn des Wortes Spuren hinterlassen; auf den Wanderwegen nota bene. Also lassen wir uns mit der ersten Fahrt mit der Seilbahn über die 800 Meter hohen Felswände im Nebel hinunter abseilen.

direkt neben den Heustock Logis über dem Kuhstall wo ist unser Futter? Kaskaden von Wasserfällen aus dem Nebel aufgetaucht

Heute ist wieder Werktag, da fährt kein Shuttle, also schlagen wir den Waldweg ein, der zum grossen Teil auch der Aa entlang nach Engelberg führt. Eigentlich reizt das verregnete Dorf heute überhaupt nicht, aber wenigstens einen Blick in die Klosterkirche und die Möglichkeit, noch etwas Bargeld zu tanken, will jemand benutzen.
Die Fahrt hinauf auf den Jochpass ist im Programm vorgesehen, aber den Abstieg hinunter auf die Engstlenalp können wir vergessen. Also müssen wir uns zuerst vergewissern, ob dort der Sessellift in Betrieb ist. Bestimmt sind wir die einzigen Verrückten, die dieses Billet nun lösen. Wenigstens können unsere Begleiter vom Gruppenbillet profitieren. Ob die ganze Gruppe Asiaten hier heute das Nebelmeer auf dem Titilis bestaunen will, entzieht sich meiner Kenntnis, ich registriere aber, dass sie sich fast samt und sonders ehrfurchtsvoll und staunend vor Annigna beinahe verneigen. Die beiden Jungs haben ihnen wahrscheinlich von unseren Abenteuern oben im Schnee erzählt.
Trüb, wie es wohl sein muss, ist die Fahrt in der Gondel hinauf zum Trübsee. Natürlich ist die Verbindungsbahn hinüber zum Gasthaus, wo der Jochpass-Lift beginnt, im Sommer nicht in Betrieb. Also tasten wir uns fast durch den dichten Nebel der Strasse entlang und kommen glücklicherweise beim Restaurant an, wo Hans sich nach dem Weg zur Seilbahnstation erkundigen will. Eigentlich befindet sich diese unmittelbar auf der andern Strassenseite, vom Nebel gut getarnt, aber das Betriebspersonal ist gerade in der Mittagspause beim Essen. Gegen eine gute, heisse Suppe hat niemand etwas einzuwenden und wir essen ihnen den letzten Rest der Tagessuppe auf, in welche sie bestimmt auch glückliche Kartoffeln von freilaufenden Bauern gemischt haben, wie sie hier solche laut Infotafel verwenden.

auf Los geht's los! im Wald der Engelberger Aa entlang Trübsee - Nomen est Omen Achtung! es fehlen die Worte

Wie in einem weissen Tunnel schwebt man nun auf dem mit einer Wetterhaube versehenen Sessellift ins geisterhafte Nichts hinauf auf den Jochpass. Gerade rechtzeitig, um noch die Haube öffnen zu können, erkennt man das Ziel und mit lauten Rufen wird man vor dem Aussteigen gewarnt. Der Boden ist ein einziger Eispanzer und Nebel herrscht im ganzen Gebäude. Tiefwinterliche Schneeverhältnisse rund ums Haus, jedenfalls soweit man blicken kann. Undenkbar, dass man hier zu Fuss heil auf die Engstlenalp hinunter kommen würde. Wir geben den Bahnangestellten nun direkt zu tun. Die hochgeklappten Sessel werden mit dem Besen vom Schnee befreit und uns wird befohlen, den Rucksack auf den Bauch zu schnallen und dann geht's ab durch die undurchdringliche Weisse hinunter in die Tiefe. Für uns einfach abenteuerlich, aber für Ria der Horror. Vorhin, unter der Wetterhaube ging es ja noch, aber jetzt auf dem offenen Zweiersessel neben dem Riesenrucksackpaket, hinter welchem irgendwo Kathrin sein muss, möchte man sich vielleicht doch lieber unter dem Stuhl verstecken können.
Gerade bis kurz vor die Talstation reicht der Nebel und gerade bis hier auch der Schnee. Vor uns die nebelverhangene Engsltenalp mit dem See und gut sichtbar, der halbstündige Weg bis zum heutigen Etappenziel.

wenigstens mit Deckel Rucksack auf den Bauch ...sauber abgewischt Engstlensee und -Alp Hotel Engstlenalp

Im Hotel Engstlenalp bekommen wir in der Dependance ein geräumiges Lager und die Wirtin bietet uns den Heizungsraum an, wo wir unsere nassen Kleider und Schuhe trocknen lassen können.
Unsere asiatischen Freunde aber wollen weiter. Der Regen hat aufgehört und sie haben herausgefunden, dass Meiringen als nächstes Ziel auf der mit der Nummer Eins gekennzeichneten Via Alpina heute noch zu erreichen wäre. Wieder spürt man diese verehrende Herzlichkeit, mit welcher sie sich auch von Annigna verabschieden.
Viel haben wir heute ja nicht leisten müssen und wir können es uns in der Gaststube bei einem Jass und/oder Bierchen gemütlich machen. Nebenbei kann man auch mit einem Ohr mitverfolgen, dass die Schweiz in Südafrika den Sieg gegen Chile nicht einfach so mit Links einstecken kann. Sie verlieren diesmal 1:0.

Zeitvertrieb Verloren - 0:1! bei Rösti mit Gschnetzeltem... ...und teurem Hahnenwasser der Engstlenstein als Kraftort

Zum Nachtessen gibt's heute Geschnetzeltes mit Rösti und Gemüse. Neben dem Wein bestellen wir auch wie üblich einen Krug Hahnenburger und noch einen. Etwas irritiert, dass mit der zweiten Karaffe auch ein Kassenzettel daher kommt, geht man der Sache etwas auf den Grund und erst jetzt realisiert man, dass auch auf der Karte auf dem Tisch der Preis für einen Liter Wasser ab der Röhre 6.50 verrechnet wird. Bald mischt sich der Wirt, welcher am Nebentisch am Nachtessen ist, in die sich entbrennende Diskussion ein und er probiert uns verzweifelt seine Situation klar zu machen, dass er wegen all den Vorschriften (nicht zuletzt auch wegen euch Chemikern!) gezwungen war, für Siebenhunderttausend Franken eine Wasseraufbereitungsanlage einzubauen und diese müsse er irgendwie auch auf die Preise abwälzen können. Dass feuerpolizeiliche Vorschriften einem solch abgelegenen Hotel das Liegen schwer machen können, weiss ich, aber hier oben, auf einer Alp, wo ich sorglos aus jedem Bächlein meinen Durst stillen würde, sollte das Wasser dermassen verseucht sein? Welchem Schlitzohr ist der wohl aufgesessen?
Dabei gilt die Engstlenalp als Kraftort. 48'000 Bovis wurden hier gemessen, was der Ausstrahlungskraft der Pyramiden von Gizeh entspricht. Aus unerklärlichen Gründen spiele der Kompass hier verrückt. Im Tal etwas weiter hinten, kurz vor dem See, wo wir vorbeigekommen sein müssen, befinde sich ein grosser Felsbrocken, der Engstlenstein und gwunderhalber wollen wir den auf unserem Verdauungsspaziergang doch noch besuchen, wie es uns die Serviertochter empfohlen hat.
Eine friedliche Stimmung und ein für morgen besseres Wetter verheissendes Abendrot begleitet unseren Spaziergang, aber ausser dass meine Schuhe vom Gras erneut nass werden, spüre ich keine weiteren geheimnisvollen Kräfte wirken.

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