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Was es gestern zu warm war, war's heute zu kalt. Eine offene Tür im
Untergeschoss unserer Dependance sorgte für sibirische Kälte. Drei von
den Mitlitär-Rossdecken drückten einen mit ihrem Gewicht
höchstens flach, aber warm gaben sie nicht. Sogar der Hund ist während
der Nacht in die hinterste Ecke des Ganges geflohen.
Erleichtert begrüssen wir den morgendlichen Sonnenschein, welcher, wie um
uns gut zu stimmen, die Nebel wenigstens um den Grätler herum wegfegt. Der
mächtige Felspfropfen, der mich etwas ans Kistenstöckli erinnert und
der behäbig die Alp überwacht, ist fast bis zu uns herunter weiss
überzuckert. Der Weg durch den Baumgarten, welcher hoch über dem Tal
entlang führt, wo das Postauto zur Alp heraufkommt, sei jetzt vielleicht
etwas nass, aber doch nicht gefährlich. Nur lang, 16 Kilometer bis
Wasserwendi im Hasliberg, mit einer Gesamt-Höhendifferenz von 1136 Metern.
Zum Start leuchtet uns die Sonne für ein Gruppenbild in zwei Varianten, auf
dass ich hinterher die Sirene auf der Lorelei hineinschummeln kann. Sieht man's?
Mit der Wahl des frühen Datums für unsere Sommerwanderung haben wir
uns zwar den vielen Schnee eingehandelt, auf der andern Seite jedoch flippe ich
ob der einzigartigen Flora, die zu bewundern man kaum genug bekommen kann. Noch
blühen überall die Anemonen und Trollblumen, Maieriesli und
Salomonssiegel. Auch Waldvögelein und Waldhyazinthen und in einem
kräftig, dunklen Rot/violett viele Knabenkräuter. Ich bin nicht die
Einzige, die wegen einem wunderschönen Brandknabenkraut direkt am Weg vor
Entzücken die Kamera zückt!
Die Sonne setzt sich den ganzen Tag nie richtig durch, dafür ist es zum
Wandern äusserst angenehm.
Über Underbalm und Hinderarni kommt man über die Winterlicken dem besiedelten Gebiet wieder etwas näher. Wallende Nebel geben nun manchmal einen Blick gegen den Hochstollen frei, welchen wir eigentlich morgen bezwingen möchten, aber auch hier ist bis weit herunter alles weiss.
Am Rande einer blühenden Wiese mit hüfthohem Gras, durch welches der Wanderweg führt, ist wieder mal eine Pause fällig. Wir haben es bald und zum Ansporn für die letzten vielleicht zwei Kilometer zaubert Knud schon mal den Aperitif aus den Tiefen seines Rucksacks. Es ist fast wie die Wirkung des Bernhardiners mit seinem Fass. Schon am Sonntag hat er uns oben in der Schutzhütte mit diesem Elixier wiederbelebt.
Auch unsere heutige Unterkunft ist der reinste Aufsteller. Wir können uns
in einem schönen, hellen Viererzimmer installieren, mit riesigem Balkon und
einer sagenhaften Aussicht übers Haslital bis zum Brienzersee. Die
müden Knochen kann man mit einer warmen Dusche auf der Etage
verwöhnen. Auch das Nachtessen im Panorama-Restaurant lässt keinen
Wunsch offen. Ein richtig supertolles Familienhotel und trotzdem steht es auf
der Abschussliste, es entspreche den heutigen Anforderungen nicht mehr.
Demnächst werde alles ausgehöhlt und neu aufgebaut. Eine zweite
Übernachtung und eine Wanderung von hier aus wäre bestimmt auch
möglich gewesen, aber wir haben nun auf einem
Vier-Seen-Höhenwanderungs-Prospekt die Alternativroute zum Hochstollen
gefunden, wie wir morgen doch noch auf die Älggialp kommen.
Ich brauche heute weder Hornochsspiel noch Schlafliedlein oder gar WM-Match,
obwohl es dort im Fernsehstübli noch zu interessanten Gesprächen mit
Einheimischen gekommen sei, wo man noch Ausführlicheres über die
Interessengemeinschaft und Hintergründe der teuren
Wasseraufbereitungsanlage auf der Engstlenalp vernommen habe.
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