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Wieder erwacht ein strahlender Morgen. Mit Getöse wird er regelrecht
eingeläutet. Es herrscht Alpaufzug. Gestern schon hat man Lastwagen und
Traktoren mit grossen Anhängern gesehen, welche ihre Ladung bis hinauf zum
Grat auf der Bachegg führten. Heute weiden auf der schönen Wiese rund
um die Kapelle viele Kühe, alle mit grossen und noch grösseren Glocken
ausstaffiert. Was nicht verladen wird, wird vom Senn den Hang hinangetrieben.
Dabei machen die Riesentreicheln von nur neun Kühen einen Heidenspektakel;
es dröhnt und röhrt und muht! Nur eine blumengeschmückte Leitkuh,
wie man das sich so vorstellt, sieht man nirgends. Vielleicht schmückt man
ja heutzutage den vordersten Traktor mit Blumen. Ich bezweifle, ob das für
eine Kuh bequem ist, mit so einem Riesending am Hals am Boden nach Futter zu
suchen. Aber anscheinend müssen sie diese nur am Alpaufzug tragen, nachher
bekommen sie kleinere Glocken.
Auch unser Weg führt uns heute zuerst ein gutes Stück bergan. Zwar
prangen keine Glocken an unserem Hals, dafür buckeln wir die Rucksäcke
schön brav den ganzen Tag mit uns mit.
Schon bald sind wir weit oben an der Bachegg, wo gestern die Transportwagen
hinter der Krete verschwunden sind. Man hat hier wieder einen wunderbaren
Ausblick über die Älggialp und mit ihr eben auf den Mittelpunkt der
Schweiz und auch hinüber zum Sachsler Seefeld, welches heute ohne Nebel im
hellen Morgen friedlich daliegt. Noch immer tönt das Geläute der
Herden von der Älggialp unten zu uns herauf. Langsam beginnen sich die
weissen Spitzen des Graustocks, Geissbergs und anderen Hörnern aus der von
Trollblumen übersäten, gelben Wiese oben auf dem Grat zu erheben und
wie beim Umblättern eines Bilderbuchs formt sich ein neues Bild, eine neue
Seite. Die Seite des Melchtals. Hinter diesen, immer noch weit hinunter
überzuckerten Spitzen verbirgt sich die Engstlenalp, der Jochpass und das
Engelbergertal, von dort wo wir hergekommen sind.
Unser Weg verliert sich rasch in einer gähnenden Tiefe. Wenigstens ist kein
Schnee mehr zu sehen. Wir haben für heute diese steile Variante
gewählt, weil man hier nicht endlos auf Teerstrassen marschieren muss, wie
es auf allen andern Wegen von der Älggialp hinunter gewesen wären.
Nicht weit hinter der Kante liegt die Sennhütte Innenbach, dorthin wo die
Kühe auf die Sommerweide gebracht worden sind. Milch und Käse bietet
man hier feil. Warum nicht einen richtigen Alpkäse mit heimbringen? Heute
ist ja der letzte Tag. Natürlich gibt es noch keinen frischen Käse von
diesem Jahr, man ist ja eben erst angekommen, aber wir können gerne auch
ein Stück vom Letztjährigen mitnehmen. Wir dürfen ins
Käselager, wo uns die Sennerin von einem grossen Laib, ein schönes
Stück nach unserem Wunsch abschneidet.
Im grossen Raum in der Sennhütte ist der Senn gerade dran, einen frischen
Laib mit der Presse in die Form zu bekommen. Noch oder schon brennt ein
schönes Feuer im Cheminé, über welches der grosse Kupferkessel
gehängt werden kann und im Moment wird dort gerade die Temperatur von
etwas, das in einer kleineren Pfanne erhitzt wird, überwacht. Die
Einrichtung ist relativ neu. Wahrscheinlich werden auch hier Forderungen des
Gesundheitsamt gestellt, denn es ist eine Alp, welche die Bedingungen
erfüllt, Alpkäse herzustellen.
Dazu müssen nämlich die Kühe nicht nur das Gras von Weiden ab
einer bestimmten Höhe zu fressen bekommen, der Käse muss auch hier
gemacht und verarbeitet werden. Alles andere ist "nur" Bergkäse und keiner
geschützten Bezeichnung würdig. Ich habe nun ein gutes Pfund echten
Alpkäse, der am 8. August letzten Jahres gemacht wurde in meinem Rucksack.
Das zu einem Kilopreis von fünfzehn Franken.
Nach den ersten dreihundert Metern steilen Abstiegs halten wir uns an den linken Pfad, denn bis zum Chlisterli scheint dieser etwas weniger steil zu sein. Im Schatten des Waldrandes kann man nun bei einem letzten Picknick die Knie etwas versurren lassen und ehe wir uns das letzte Steilstück vornehmen, wollen die meisten noch einen Blick in die winzige Kapelle werfen.
Verlockend auch hier das Seil an der Glocke und Hans kann wieder mal nicht wiederstehen. Wenn nun alle Gläubigen daherkommen in Erwartung einer aufbauenden Predigt? Zur Besänftigung meines Gemüts haben wir aber wenigstens in der vollen Kirche einen schönen Kanon gesungen.
Gerade unterhalb der Kapelle kommt nun schon der Parkplatz der Stöckalp-Seilbahn in Sicht. Unterhalb eines hohen Wasserfalls wechseln wir nochmals hinüber zum Weg, der über die Stepfen hinunter viel steiler gewesen wäre und verpassen wohl eine Abzweigung, weshalb wir am Schluss trotz allem die letzten paar hundert Meter auf die Teerstrasse kommen. Unter Sonnenschirmen im Restaurant haben wir nun schön Zeit für ein Glacé und zum Auftanken von genügend Flüssigkeit. Der Winter hat sich nun während unserer Wanderung zum Sommer entwickelt.
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