Australien-Rundreise 2004 |
Wir verlassen Adelaide auf der Küstenstrasse Richtung Norden, wo lange Reihen von weissen Salzhäufen der Saline am Meeresgestade hindrapiert sind. Es heisst, dass hinter Adelaide
das Outback anfängt. Ich meinte, Outback sei auch eine Art Wüste, welche man aber unter strapaziösen Bedingungen dennoch irgendwie bewirtschaften kann. Die weiten Kornfelder, an denen wir
jetzt vorbeifahren, sehen jedoch überhaupt nicht nach Wüste aus. Gelb und reif das Getreide, umrahmt mit grünen Bäumen und Büschen in der Ferne, erfreut das Bild den Betrachter.
Einöde kommt erst etwa zwei Stunden später. Verkrustende Salzseen und weite Ebenen mit niederem Buschwerk. Das Fressen vielleicht für Schafe und Ziegen. Eine Bahnlinie begleitet die Strasse
in mehr oder weniger Abstand. Fran bestätigt meine Frage, ob hier der berühmte Nostalgiezug Ghan verkehre. Mit dem wäre ich gefahren, wenn ich die andere Reise mit Ruth gemacht hätte.
Nur ist der Fahrplan nicht so dichtgedrängt. Wir sehen jedenfalls nie etwas von einem Zug. In Port Augusta verabschieden wir uns vom Meer und dem Stuart Highway, welcher seinen Weg mitten durch den
Kontinent nach Norden sucht. Wir folgen einer andern Strasse, die beginnt, sich langsam in die Hügel der Flinders Ranges hinauf zu schlängeln. Range, das ist eine Bergkette, wie mir mein Duden
verrät. Eine andere Bahnlinie begleitet uns hier. Dieses Stück bis Quorn ist sicherlich neu renoviert worden, genau wie der Bahnhof und man ist stolz auf die Pichi Richi Railway. Übers Wochenende
fahren Nostalgiezüge mit der guten alten Dampflock und mit Rollmaterial, das bis zu 115 Jahre alt sei, über den Pichi Richi Pass. Da Januar ist und auch nicht Wochenende, können wir uns hier in
Quorn über die Bahn nur via Prospekte ins Bild setzen. Kim hat uns Lunchboxen mit verschiedenem Salat und Schinken bereitgemacht, an welchen wir uns beim Bahnhof auf einem Picknick-Unterstand gütlich
tun. Es reicht auch nachher noch für einen Dorfinspektions-Rundgang. Da hat man schnell das Dorf gesehen und schon ist man wieder zurück beim Bahnhof. Ein schönes altes Haus mit
schmiedeeisernen Verzierungen an Balkon und Veranda, welches mich ans French Quarter in New Orleans erinnert, muss ich auf meinem Chip mit heim nehmen. Und in das kleine Bankmuseum gerade an der Ecke,
stecke ich meine Nase auch hinein. Es ist angeschrieben "Museum open". Man tritt einer netten Frau wirklich direkt in ihre Wohnung hinein. Sie ist am Wischen. Das Museum ist ein Anbau, den man über ihre
Wohnungstür erreicht, dort wo einst eben die Bank war. Ein Kunstmaler hat da seine Werke ausgestellt, die Möblierung ist schon antik, aber nicht was ich mir unter Bankmobiliar vorstellen würde.
Das, was wohl das Prunkstück des Museums ist, sehe ich gerade im letzten Moment beim hinaus gehen, einen grosser Panzerschrank mit eindrücklichem Sicherheitsschloss. Hilde und Fran, die auch
hereingekommen sind, plaudern noch ein paar Worte mit der Frau und ich trage meinen Namen wichtig in ihr aufgeschlagenes Gästebuch ein. Sie hat sicher Freude an einem Eintrag aus Switzerland.
Langsam werden die Berge höher, natürlich nur an australischen Vergleichen gemessen. Der höchste Punkt der Bergkette ist etwas über elfhundert Meter. In dem lockeren Zypressen-Pinienwald
leben viele Kängurus und Strausse, behauptet Fran. Diese jedoch halten sich gut versteckt, wir sehen nichts.
Und schon sind wir am Ziel unserer heutigen Etappe angelangt. Es waren heute 455 Kilometer bis zum Wilpena Pound in einem Nationalpark-Gebiet. Beim Visitor Center kann man sich Informationen holen, etwas weiter
hinten ist das Restaurant und die Rezeption und auch der Pool. Überall sind gut markierte Wanderpfade. So wird man orientiert, während wir tiefer in das Wäldchen hineinfahren. Dann hält der
Bus bei einem gedeckten Sitzplatz, wo Dusch- und WC-Anlagen mit Laundry in der Nähe sind und der speziell für Busse reserviert ist. Es ist heiss und der Boden staubig und hart, wo man die Heringe
einschlagen muss. Die ersten Kängurus lassen sich blicken und kommen schon ganz gwundrig den Hügel herunter. Beim Sitzplatz hat es Steckdosen und die benutze ich gerade immer, um die Batterien
aufzuladen. Nachher will ich auf Erkundungstour, vielleicht gibt's ein Kängurufoto aus der Nähe.
Wo habe ich jetzt bloss meine Sonnenbrille? Voreilig habe ich meine normale Brille ausgezogen und irgendwo auf der Matratze deponiert, wo ich beim Suchen dann wahrscheinlich draufgestanden oder gesessen bin.
Was ich nämlich jetzt auf die Nase setzen will, befremdet doch ziemlich. Hoffentlich hält die das aus, wenn man sie wieder zurückbiegt. Erst jetzt sehe ich, dass auch noch ein Glas fehlt. Hilda sagt,
dass es schon gefehlt habe, als sie mich aus dem Zelt kommen sah. Deshalb war meine Sicht so fantastisch. Jetzt helfen mir die Wenigen, die noch nicht im Pool verschwunden sind, beim Suchen. Natürlich sehe
ich ohne Brille auch nicht, ob das kleine Schräubchen auch fehlt, oder ob gar das Gestell gebrochen ist. Im Zelt wird Hilda fündig und Dug nimmt sich dem Schlamassel an. Peter bringt einen Satz
Uhrmacherwerkzeug und mit seiner ruhigen Hand schafft es Dug, dass ich wieder sehen kann. Das war knapp. Aber eine neue Brille wird wohl das Erste sein, was ich daheim anschaffen muss. Charlene erlaubt mir,
dass ich ihren Mann aus lauter Erleichterung und Dankbarkeit verküsse.
Auf diesen Schreck muss ich mich nun schon ein bisschen erholen. Zuerst einen Blick ins Vistor Center. Dort kann man so praktische Fliegennetzhüte kaufen, fürs Outback scheint's ziemlich kommod. Ich
entscheide mich aber nur für ein Netz. Das hält mir, über meine Turnfest-Dächlikappe gestülpt, die Biester auch vom Gesicht fern. Vor dem Haus treffe ich Frank, der eben von einem
Spaziergang zurückkommt und von Kängurus schwärmt, die er fotografiert habe. Also gehe ich in die Richtung, in welche er deutet und tauche in einen schattigen Eukalyptuswald. Ich achte darauf,
dass ich mich nicht allzu weit vom Camp entferne, denn in einer halben Stunde ist happy hour. Weiss schimmert die Rinde der Bäume. Beeindruckt staune ich ob uralten Bäumen, deren verknorpelte
Stämme einen beachtlichen Umfang erreicht haben.
Schon lästig, diese penetranten Fliegen. Dauernd muss man mit den Händen vor dem Gesicht herum wedeln (dies sei übrigens der australische Gruss), sie lassen sich nicht verscheuchen. Sie surren in
die Ohren, versuchen in die Nase zu krabbeln und fühlen sich scheinbar am glücklichsten, wenn sie auch von innen durch die Brille sehen dürfen. Ich packe meine Neuerwerbung aus und sie wirkt.
Schon komme ich wieder ins Gelände des Campgroundes. Es hat nicht nur unsere "Anlegestelle" mit überdecktem Sitzplatz und Duschanlage. Jeder Platz hat seine eigene Bezeichnung. Wegweiser
führen einen zu den Libellen, den Fröschen, den Schmetterlingen und so fort. Ich habe wieder nicht aufgepasst, mit welchem Signet unser Platz bezeichnet ist. So nützen mir die Wegweiser wenig.
Dem Gefühl nach müsste ich noch weiter links gehen. Dort vorn bewegt sich etwas. Es sind wirklich zwei Kängurus und sie lassen mich ganz nah an sich heran. Sie scheinen an die Leute gewöhnt
zu sein und ich bin sicher nicht die Erste, die sie porträtiert. Sie bewegen sich wie im Zeitlupentempo, als wollten sie nicht schuld sein an einer verwackelten Aufnahme. Trotzdem behalten sie mich aufmerksam
im Visier und bei jeder unbedachten Bewegung weichen sie dann ganz schnell zwei, drei Schritte, aufgestemmt auf ihren kraftvollen Schwanz, zurück. Nur schade, dass alles so im Schatten ist. Die Farbe ihres
braunen Kleides vermischt sich ganz mit der Umgebung rings um sie her. Aber vielleicht kommt ja noch eine andere Gelegenheit, ein kontrastreicheres Bild von diesen kuriosen Tieren zu machen.
Die Richtung hat gestimmt und endlich sehe ich den weissen Bus durch die Bäume schimmern. Ich komme eben recht zum Apéro. Kim hat Lammcotelettes gemacht, Riesendinger, dazu Broccoli, Rüebli
und Kartoffelgratin. Letzterer ist wahrscheinlich vorfabriziert, aber ich habe keine Ahnung, wo und wann sie diese Sachen jeweils einkauft.
Ich hole mir meinen Shiraz aus der Tasche. Erstens gibt's dann dort Platz und zweitens wird er so nicht mehr länger geschüttelt. Nur, was mache ich jetzt mit der angefangenen Flasche? Wenn ich ihn im
Bus ins Netz stelle, in welches der Abfallsack geklemmt ist, passiert vielleicht nichts. Ich könnte ihn natürlich teilen. Aber die finden ja den Lambrusco so gut. Das wäre ja direkt Perlen vor die
Säue geworfen! Lieber nerve ich mich noch einen Tag oder zwei länger über meine glorreiche Idee, einen australischen Wein zu kaufen und sogar noch einen Port dazu, den man nicht mal einfach so
trinken kann.
So lasse ich mir das Nachtessen schmecken. Die Portionen sind auch immer reichlich bemessen und auch diesmal sind sicher etwa 10 Koteletts übrig. Peter kommt mit dem Blech, wo alles immer in Alufolie
schön warm gehalten wird und probiert, wenigstens das Fleisch loszuwerden. Das ist doch jammerschade, wenn das fortgeworfen werden muss. So lasse ich mich erweichen und obwohl ich ja schon mehr als
genug gegessen habe, hätte vielleicht ein kleines Stück schon noch Platz. Während Peter mir also den kleinsten Fetzen herausfischt, der immer noch drei mal grösser ist als ein schweizerisches
Lammkotelette, macht Barry eine Bemerkung und die ganze Runde prustet los. Was ist denn jetzt? Ich merke, dass ich irgendwie der Grund für ihre Erheiterung bin. "Ich will auch lachen, was ist so lustig?"
Hilda erklärt mir, und das sagt sie jetzt auf deutsch: "Du hast Peter gefragt, ob er einen Kleinen habe!" Und Barry hat das dann hervorgestrichen, obwohl Peter mich schon so verstanden hat, wie ich das gemeint
habe. Ach, wie peinlich! Ist mir aber egal. Wie man doch gewisse Dinge gelassen nehmen kann, wenn man endlich sechzig ist!
Nach dem Nachtessen frönt Jürgen, der Deutsche, so um die fünfzig, noch etwas seinem Hobby, dem Bumerang werfen. Er hat eine ganze Auswahl dieser Wurfgeräte bei sich. Selbstgefertigte
und nicht nur die klassische, gekrümmte Form. Einer hat sogar drei Speichen. Er ist aktiver Bumerangwerfer, Deutscher und sogar zweifacher Schweizer Meister und noch mehrere andere Titel. Ich kann es mir
nicht alles merken, auch wenn er es mir mehr als einmal nahegebracht hat. Er hat mich auch aufgeklärt, dass das Bumerangwerfen eine richtige Sportdisziplin ist. In Deutschland gibt es etwa 300 angefressene
Mitglieder.
Weil sich der Tag schon mit einem wunderschönen Abendrot von uns zu verabschieden beginnt, wird kein Foto von dem Champion in Action was Rechtes. Er ist zu weit weg und zu fest in Bewegung.
Es ist inzwischen ganz dunkel geworden und man sitzt gemütlich beisammen am Tisch. Es wird erzählt und geplaudert und ich bin einfach dabei. Den Konversationen kann ich nämlich nicht folgen. Da
muss ich mich viel zu fest anstrengen und dazu bin ich einfach zu müde. Deshalb entgeht mir dafür nicht, dass der Bumerang Champion ganz kleinlaut und leise angeschlichen kommt, um sich noch einen
Schlummertrunk zu genehmigen. Ein Pflaster über seinem rechten Auge verdeckt das Schlimmste. Ist der Bumerang zurückgekommen? Also doch ein gefährlicher Sport! - Nein im Gegenteil, er
musste ihn suchen gehen und dort hat es ihn umgehauen. Er sei auf einem Stein aufgeschlagen.
Na ja, dann gute Nacht!