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Schon ist wieder Zeit, um Abschied zu nehmen. Die Koffer sind in Knuds Auto
verstaut und man muss noch einmal einen letzten Rundgang machen, im Garten und
Wäldchen und unter den Gebüschen nachschauen, ob man sich vielleicht
auch noch vom Hasen, der jeden Tag vorbeigeschaut hat, verabschieden
könnte. Dann machen sich Katrin und Herbert zusammen mit Lykke-Lise auf, um
in Olsker den Bus nach Rønne zu erreichen und Hans, Annigna, Hedi und ich
kutschieren mit Knud im Auto ein letztes Mal durch die uns in diesen Tagen so
lieb gewordene Gegend. Knud wird uns bis Kopenhagen begleiten, seine Arbeit
ruft, während Lykke-Lise noch ein paar Tage zusammen mit einer lieben
Freundin Bornholm geniessen wird, welche just mit derselben Schnellfähre
ankommen wird, mit welcher wir um 10:30 Uhr abfahren.
Es ist gut, dass wir diese Variante für die Rückfahrt gewählt
haben, der Abschied fällt dann nicht so abrupt aus. Es ist fast wie das
Einchecken in ein Flugzeug, nur ohne die mühsamen Sicherheitskontrollen und
Knud führt uns zielsicher direkt zu den besten Plätzen auf bequemen
Polstern hinter den grossen Frontscheiben. Zuerst will ich aber noch im Freien
von der hinteren Plattform aus von der Übersicht über das
Städtchen Rønne, seiner St. Nicolaikirche, dem Leuchtturm und dem
Hafen als Fotosujet profitieren. Bald sind alle wartenden Autos im grossen
Schiffsbauch der Leonora Christina verschwunden und ein kaum merkliches Zittern
und eine schwarzen Wolke aus dem Kamin künden die Abfahrt an. Langsam
schiebt sich der Riese zwischen den Hafenmauern hinaus ins offene Meer und rasch
werden die Häuser immer kleiner und der Blick reicht immer weiter die
Küste hinauf, wo man bald die drei Windräder sehen kann. Lange kann
man aber hier draussen nicht bleiben. Je mehr das Schiff an Fahrt zulegt, und
dieser Katamaran kann bis mehr als 70 km/h erreichen, desto mehr beginnt einem
der Fahrtwind in die Haare zu greifen und an den Kleidern zu zerren und vom
Wasser herauf zu bespritzen, so dass man nicht mal lange dem Schauspiel zusehen
kann, mit welchem das aufspritzende Wasser einen glitzernden Regenbogen zaubert,
welcher das Schiff auf der Seite begleitet.
Man macht es sich also mit einem Kaffee in den Polstersesseln bequem und schaut
von innen zu, wie Bornholm nun am Horizont immer kleiner wird und wendet man den
Blick, liegt bereits wieder Schweden vor dem Bug und schon zirkelt die
Fähre in Ystad in die enge Einfahrt zwischen zwei Hafenmauern. Gerade 80
Minuten hat die Fahrt gedauert.
Dort stehen schon die Busse für die Weiterfahrt nach Kopenhagen bereit. Gut
ist Knud dabei, denn man muss sich beim Chauffeur erkundigen, welcher Bus zum
Flughafen fährt und es sind nicht viele Leute, die das auch wollen. Schon
geht's weiter durch Schwedens Weiten mit seinen noch viel grösseren, reifen
Kornfeldern. Bald sieht man in der Ferne Malmös Wahrzeichen und fast wie in
Basel der Roche-Turm, zeigt hier ebenfalls ein ehrgeiziges Hochhaus wie ein
verdrehter Finger, der Turning Torso von Calatrava in den Himmel. Auch die vier
Pylone der Øresundbrücke kommen langsam näher, alles
Wahnsinns-Bauwerke. Irgendwie fühle ich mich bei deren Anblick alt. Noch
vor dreissig Jahren, als ich zum ersten Mal in Kopenhagen war, hätte ich
mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit dem Auto über den ganzen
Øresund fahren könnte und dass dort draussen im Meer ein ganzer
Offshore-Windpark bereits seit mehreren Jahren funktioniert und saubere Energie
liefert. Mitten im Meer hat man eine ganze Insel aufgeschüttet, auf welcher
jetzt die Brücke endet. Die Strasse taucht dafür hier ab und
unterirdisch oder besser gesagt untermeerisch führt sie unter der andern
Hälfte des Øresund bis hinüber nach Dänemark, wo man
bereits in der Nähe des Flughafens wieder ans Tageslicht kommt.
Noch können wir unser Gepäck nicht einchecken (weil eben alles
automatisch und easy geht). Also sperren wir unser Koffer in ein Schliessfach,
auch hier automatisch und nur mit Karte bezahlbar. Und schon sitzen wir mit
einer Tageskarte im Sack, dem Gefühl wie das eines Lokführers,
zuvorderst in der nächsten U-Bahn Richtung Stadt, die zwar noch auf ihrem
Trassee hoch über andern Strassen und Gärten davonbraust, bevor sie
dann wie eine richtige U-Bahn im Untergrund verschwindet. Schon eine
Viertelstunde später, wohlausgerüstet mit Stadtplan und allen
möglichen Vorschlägen, wie wir uns die Zeit bis am Abend vertun
könnten, verabschieden wir uns nun auch von Knud. Es ist inzwischen halb
drei und eigentlich Zeit, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen und wir
werden in der Fussgängerzone auf einem grossen Platz mit einem riesigen
Brunnen und Strassencafés unter Sonnenschirmen, die zum Einkehren
einladen, fündig. Ein Salatteller mit Brot und gebratenem Ziegenkäse
stopft uns vorerst das Loch im Magen. Herbert und Katrin sind aber bereits beim
Rundturm hängen geblieben und bis wir unsere Bäuche gefüllt
haben, sind sie über den 200 Meter langen Schneckengang, der sich im Innern
dieses Turms, anstelle einer Wendeltreppe als Rampe 7½ Mal um den hohlen
Kern des Turms windet, auf die Aussichtsplattform gekurvt, um den sagenhaften
Blick über die Stadt zu geniessen. Ausser einem Observatorium findet man im
Turm auch noch andere kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen, für die
aber heute keine Zeit übrig ist. Für Tivoli oder sonst was reicht es
ja eigentlich auch nicht und wir könnten uns am ehesten ein Flanieren im
Königlichen oder im Botanischen Garten vorstellen.
Gleich zwei Querstrassen weiter liegt nämlich schon das Schloss und auch
die U-Bahnstation, die Versicherung, pünktlich zum Flughafen
zurückzukommen, befindet sich hier ganz in der Nähe.
Bei unserem Eintreffen war gerade Wachtablösung und die zwei
Abgelösten verschwinden im angrenzenden Territorium der Leibgarden-Kaserne.
Die neuen Zwei haben sich bereits vor den beiden, wie aufgestellte, dicke,
ausgehöhlte Bleistifte aussehenden Wachthäuschen links und rechts vor
dem Eingang des Schlosses postiert. In ihrer feldgrünen Uniform sehen sie
für mich im Vergleich zu ihren Kollegen mit den Bärenfellmützen
gar nicht so königlich aus. Ruhig stehen ist glaub für sie nicht mehr
so ein Drill und stetig wandert ihr Blick umher. Eine Fliege auf ihrer Nase
hätte wohl keine Chance. Auch ein Königsschloss habe ich mir immer
märchenhaft glänzend und pompös vorgestellt. Hier auf der
Schattenseite macht mir das Gebäude eher einen düsteren und fast
bedrohlichen Eindruck. Der steinerne, niedere Torbogen, der erst noch über
eine Treppe in den Keller hinunter führt, sollte das wirklich der Eingang
zu einem Königsschloss sein? Es heisst zwar Rosenburg und vielleicht ist es
ja wirklich nur das Gartenhaus, warum sonst dürfte sich da Kreti und Pleti
in diesem Garten tummeln. Aber in Sachen Royals bin ich auch nur ein Banause,
ich weiss nicht mal genau, ob im Moment ein König oder eine Königin
das Zepter führt. Vielleicht dient das Schloss ja aber auch nur als Kaserne
für die vielen Leibgardisten, die im grossen, angrenzenden Gelände im
überhaupt nicht strammen Gleichschritt gedrillt werden. Das klappt noch
überhaupt nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man diesen
Drill einem König vor seinen Fenstern ausführt.
Der wunderbare Rosengarten, der auch ein Teil dieses Königlichen Komplexes
ist, löst bei mir immerhin friedlichere Gefühle aus. Hier zu wandeln
ist eben eine Lust und am liebsten würde man sich hier ein kleines Mofa
gönnen. Trotzdem entscheiden wir uns, doch auch noch einen Blick in den
Botanischen Garten zu werfen, dessen Eingang wir gerade auf der andern Seite der
Strasse finden. Auch hierher begleitet uns das ruhige, sonntägliche
Gefühl hinein in den sonnigen Abend. Ich brauche keinen
Grossstadt-Lärm und Lädelistress. Um sechs Uhr wird der Garten
geschlossen und das ist genau die Richtige Zeit, um mit der U-Bahn wieder zum
Flughafen zu kommen. An den Schliessfächern doch noch ein kurzer Stress,
denn wir versuchen zuerst erfolglos in einem falschen Sektor die Tür eines
Fachs mit ebenfalls der violetten Zahl A14 zu öffnen, der Block Null ist
noch viel weiter hinten. Genausoweit wie die Easy-Eincheckschalter und
Automaten, welche immer noch nicht bereit sind, unsere Gepäcks-Etiketten
auszuspeien, weil wir ein paar Minuten zu früh sind. Mir ist es auch recht,
dass dies nun am Schalter auf ganz konventionelle Weise getätigt werden
kann.
Bevor wir nun wieder durch die Sicherheitsbarrikaden geschleust werden, wo man
uns alles Trinkbare wieder abknöpft, besorgen wir uns was Essbares und
belegen für unser Picknick einige der wenigen Sitzgelegenheiten, die in
diesen riesigen Abfertigungshallen überhaupt vorhanden sind. Der Gedanke an
einen Røde Pølser, den man in Dänemark an Imbissbuden
erhält, kommt aus den Tiefen meiner Erinnerung und ich mache mich auf und
klopfe fast sämtliche Burger Kings und Take Aways ab und komme
tatsächlich zu so einer roten Wurst, welche man gebraten oder als Hotdog
halt auch zu Dänemarks "Spezialitäten" zählen kann.
Dann also auf zum Bodycheck - und wieder ist es das Türchen, welches das
Aufsichtspersonal herbeizitiert und Hans und Annigna kommen dafür in den
Genuss einer zuvorkommenden Sonderbehandlung und müssen nicht durch die
endlosen Schlangen in den Kuhgattern geführt werden.
Endlich alles gut überstanden, kommt man direkt in die voll auf Verlockung
und Verführung getrimmten Taxfree Shops. Noch habe ich Dänische Kronen
im Portemonnaie und die kann ich zu Hause nicht wieder umtauschen. Hier kann ich
das und zwar verwandeln sie sich in eine Flasche Gammel Dansk und noch mehr von
Anthon Bergs Marzipantaler.
Um lang nach einem Danske Snaps Ausschau zu halten, reicht mir die Musse nicht,
denn es hat geheissen, dass man bis zum Gate F1 mit 10 Minuten Fussmarsch
rechnen müsse. Der Abflug ist um 9:15 Uhr und er wird in etwa 20 min
aufgerufen. F1 ist das erdenklich weitest entferne Gate, das für easyJet
vorgesehen ist und man wandert und wandert. Nach Kilometern steht dann lapidar
auf dem Fussboden: noch 5 min…., noch 4 min… etc. Der Gang endet
bei F1 in einem leeren Raum mit noch geschlossenem Boarding-Schalter und
für all die 150 Leute, die diesen ganzen Flieger füllen sollen, steht
ein zwei Meter breiter Hocker zur Verfügung. Wer seine Beine nicht in den
Bauch stehen will, setzt sich halt einfach auf den Boden - ganz easy! Aber
immerhin wird der Flug EZS1 152 überpünktlich aufgerufen und bald
darauf starten wir in einen orange glühenden Abendhimmel, was hinter unsere
wunderbaren Bornholm-Ferien einen echt goldenen Schlusspunkt setzt.
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