zum vorherigen Tag Montag, 15. August 2016 Home

Schon ist wieder Zeit, um Abschied zu nehmen. Die Koffer sind in Knuds Auto verstaut und man muss noch einmal einen letzten Rundgang machen, im Garten und Wäldchen und unter den Gebüschen nachschauen, ob man sich vielleicht auch noch vom Hasen, der jeden Tag vorbeigeschaut hat, verabschieden könnte. Dann machen sich Katrin und Herbert zusammen mit Lykke-Lise auf, um in Olsker den Bus nach Rønne zu erreichen und Hans, Annigna, Hedi und ich kutschieren mit Knud im Auto ein letztes Mal durch die uns in diesen Tagen so lieb gewordene Gegend. Knud wird uns bis Kopenhagen begleiten, seine Arbeit ruft, während Lykke-Lise noch ein paar Tage zusammen mit einer lieben Freundin Bornholm geniessen wird, welche just mit derselben Schnellfähre ankommen wird, mit welcher wir um 10:30 Uhr abfahren.
Es ist gut, dass wir diese Variante für die Rückfahrt gewählt haben, der Abschied fällt dann nicht so abrupt aus. Es ist fast wie das Einchecken in ein Flugzeug, nur ohne die mühsamen Sicherheitskontrollen und Knud führt uns zielsicher direkt zu den besten Plätzen auf bequemen Polstern hinter den grossen Frontscheiben. Zuerst will ich aber noch im Freien von der hinteren Plattform aus von der Übersicht über das Städtchen Rønne, seiner St. Nicolaikirche, dem Leuchtturm und dem Hafen als Fotosujet profitieren. Bald sind alle wartenden Autos im grossen Schiffsbauch der Leonora Christina verschwunden und ein kaum merkliches Zittern und eine schwarzen Wolke aus dem Kamin künden die Abfahrt an. Langsam schiebt sich der Riese zwischen den Hafenmauern hinaus ins offene Meer und rasch werden die Häuser immer kleiner und der Blick reicht immer weiter die Küste hinauf, wo man bald die drei Windräder sehen kann. Lange kann man aber hier draussen nicht bleiben. Je mehr das Schiff an Fahrt zulegt, und dieser Katamaran kann bis mehr als 70 km/h erreichen, desto mehr beginnt einem der Fahrtwind in die Haare zu greifen und an den Kleidern zu zerren und vom Wasser herauf zu bespritzen, so dass man nicht mal lange dem Schauspiel zusehen kann, mit welchem das aufspritzende Wasser einen glitzernden Regenbogen zaubert, welcher das Schiff auf der Seite begleitet.

Adé Bornholm! Rutsker Bents Anwesen das Städtchen Rønne und schon Schweden

Man macht es sich also mit einem Kaffee in den Polstersesseln bequem und schaut von innen zu, wie Bornholm nun am Horizont immer kleiner wird und wendet man den Blick, liegt bereits wieder Schweden vor dem Bug und schon zirkelt die Fähre in Ystad in die enge Einfahrt zwischen zwei Hafenmauern. Gerade 80 Minuten hat die Fahrt gedauert.
Dort stehen schon die Busse für die Weiterfahrt nach Kopenhagen bereit. Gut ist Knud dabei, denn man muss sich beim Chauffeur erkundigen, welcher Bus zum Flughafen fährt und es sind nicht viele Leute, die das auch wollen. Schon geht's weiter durch Schwedens Weiten mit seinen noch viel grösseren, reifen Kornfeldern. Bald sieht man in der Ferne Malmös Wahrzeichen und fast wie in Basel der Roche-Turm, zeigt hier ebenfalls ein ehrgeiziges Hochhaus wie ein verdrehter Finger, der Turning Torso von Calatrava in den Himmel. Auch die vier Pylone der Øresundbrücke kommen langsam näher, alles Wahnsinns-Bauwerke. Irgendwie fühle ich mich bei deren Anblick alt. Noch vor dreissig Jahren, als ich zum ersten Mal in Kopenhagen war, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit dem Auto über den ganzen Øresund fahren könnte und dass dort draussen im Meer ein ganzer Offshore-Windpark bereits seit mehreren Jahren funktioniert und saubere Energie liefert. Mitten im Meer hat man eine ganze Insel aufgeschüttet, auf welcher jetzt die Brücke endet. Die Strasse taucht dafür hier ab und unterirdisch oder besser gesagt untermeerisch führt sie unter der andern Hälfte des Øresund bis hinüber nach Dänemark, wo man bereits in der Nähe des Flughafens wieder ans Tageslicht kommt.

in Ystad noch grössere Kornfelder Turning Torso in Malmö die Øresundbrücke in den Strassen Kopenhagens

Noch können wir unser Gepäck nicht einchecken (weil eben alles automatisch und easy geht). Also sperren wir unser Koffer in ein Schliessfach, auch hier automatisch und nur mit Karte bezahlbar. Und schon sitzen wir mit einer Tageskarte im Sack, dem Gefühl wie das eines Lokführers, zuvorderst in der nächsten U-Bahn Richtung Stadt, die zwar noch auf ihrem Trassee hoch über andern Strassen und Gärten davonbraust, bevor sie dann wie eine richtige U-Bahn im Untergrund verschwindet. Schon eine Viertelstunde später, wohlausgerüstet mit Stadtplan und allen möglichen Vorschlägen, wie wir uns die Zeit bis am Abend vertun könnten, verabschieden wir uns nun auch von Knud. Es ist inzwischen halb drei und eigentlich Zeit, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen und wir werden in der Fussgängerzone auf einem grossen Platz mit einem riesigen Brunnen und Strassencafés unter Sonnenschirmen, die zum Einkehren einladen, fündig. Ein Salatteller mit Brot und gebratenem Ziegenkäse stopft uns vorerst das Loch im Magen. Herbert und Katrin sind aber bereits beim Rundturm hängen geblieben und bis wir unsere Bäuche gefüllt haben, sind sie über den 200 Meter langen Schneckengang, der sich im Innern dieses Turms, anstelle einer Wendeltreppe als Rampe 7½ Mal um den hohlen Kern des Turms windet, auf die Aussichtsplattform gekurvt, um den sagenhaften Blick über die Stadt zu geniessen. Ausser einem Observatorium findet man im Turm auch noch andere kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen, für die aber heute keine Zeit übrig ist. Für Tivoli oder sonst was reicht es ja eigentlich auch nicht und wir könnten uns am ehesten ein Flanieren im Königlichen oder im Botanischen Garten vorstellen.
Gleich zwei Querstrassen weiter liegt nämlich schon das Schloss und auch die U-Bahnstation, die Versicherung, pünktlich zum Flughafen zurückzukommen, befindet sich hier ganz in der Nähe.

Rundturm für die Aussicht Abschied von Knud über den Dächern Kopenhagens auf seinen Plätzen Stadtbrunnen

Bei unserem Eintreffen war gerade Wachtablösung und die zwei Abgelösten verschwinden im angrenzenden Territorium der Leibgarden-Kaserne. Die neuen Zwei haben sich bereits vor den beiden, wie aufgestellte, dicke, ausgehöhlte Bleistifte aussehenden Wachthäuschen links und rechts vor dem Eingang des Schlosses postiert. In ihrer feldgrünen Uniform sehen sie für mich im Vergleich zu ihren Kollegen mit den Bärenfellmützen gar nicht so königlich aus. Ruhig stehen ist glaub für sie nicht mehr so ein Drill und stetig wandert ihr Blick umher. Eine Fliege auf ihrer Nase hätte wohl keine Chance. Auch ein Königsschloss habe ich mir immer märchenhaft glänzend und pompös vorgestellt. Hier auf der Schattenseite macht mir das Gebäude eher einen düsteren und fast bedrohlichen Eindruck. Der steinerne, niedere Torbogen, der erst noch über eine Treppe in den Keller hinunter führt, sollte das wirklich der Eingang zu einem Königsschloss sein? Es heisst zwar Rosenburg und vielleicht ist es ja wirklich nur das Gartenhaus, warum sonst dürfte sich da Kreti und Pleti in diesem Garten tummeln. Aber in Sachen Royals bin ich auch nur ein Banause, ich weiss nicht mal genau, ob im Moment ein König oder eine Königin das Zepter führt. Vielleicht dient das Schloss ja aber auch nur als Kaserne für die vielen Leibgardisten, die im grossen, angrenzenden Gelände im überhaupt nicht strammen Gleichschritt gedrillt werden. Das klappt noch überhaupt nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man diesen Drill einem König vor seinen Fenstern ausführt.
Der wunderbare Rosengarten, der auch ein Teil dieses Königlichen Komplexes ist, löst bei mir immerhin friedlichere Gefühle aus. Hier zu wandeln ist eben eine Lust und am liebsten würde man sich hier ein kleines Mofa gönnen. Trotzdem entscheiden wir uns, doch auch noch einen Blick in den Botanischen Garten zu werfen, dessen Eingang wir gerade auf der andern Seite der Strasse finden. Auch hierher begleitet uns das ruhige, sonntägliche Gefühl hinein in den sonnigen Abend. Ich brauche keinen Grossstadt-Lärm und Lädelistress. Um sechs Uhr wird der Garten geschlossen und das ist genau die Richtige Zeit, um mit der U-Bahn wieder zum Flughafen zu kommen. An den Schliessfächern doch noch ein kurzer Stress, denn wir versuchen zuerst erfolglos in einem falschen Sektor die Tür eines Fachs mit ebenfalls der violetten Zahl A14 zu öffnen, der Block Null ist noch viel weiter hinten. Genausoweit wie die Easy-Eincheckschalter und Automaten, welche immer noch nicht bereit sind, unsere Gepäcks-Etiketten auszuspeien, weil wir ein paar Minuten zu früh sind. Mir ist es auch recht, dass dies nun am Schalter auf ganz konventionelle Weise getätigt werden kann.

Rosenborg Schloss die Wache vor dem Schloss im Rosengarten easy - man muss stehen Flug EZS1 152

Bevor wir nun wieder durch die Sicherheitsbarrikaden geschleust werden, wo man uns alles Trinkbare wieder abknöpft, besorgen wir uns was Essbares und belegen für unser Picknick einige der wenigen Sitzgelegenheiten, die in diesen riesigen Abfertigungshallen überhaupt vorhanden sind. Der Gedanke an einen Røde Pølser, den man in Dänemark an Imbissbuden erhält, kommt aus den Tiefen meiner Erinnerung und ich mache mich auf und klopfe fast sämtliche Burger Kings und Take Aways ab und komme tatsächlich zu so einer roten Wurst, welche man gebraten oder als Hotdog halt auch zu Dänemarks "Spezialitäten" zählen kann.
Dann also auf zum Bodycheck - und wieder ist es das Türchen, welches das Aufsichtspersonal herbeizitiert und Hans und Annigna kommen dafür in den Genuss einer zuvorkommenden Sonderbehandlung und müssen nicht durch die endlosen Schlangen in den Kuhgattern geführt werden.
Endlich alles gut überstanden, kommt man direkt in die voll auf Verlockung und Verführung getrimmten Taxfree Shops. Noch habe ich Dänische Kronen im Portemonnaie und die kann ich zu Hause nicht wieder umtauschen. Hier kann ich das und zwar verwandeln sie sich in eine Flasche Gammel Dansk und noch mehr von Anthon Bergs Marzipantaler.
Um lang nach einem Danske Snaps Ausschau zu halten, reicht mir die Musse nicht, denn es hat geheissen, dass man bis zum Gate F1 mit 10 Minuten Fussmarsch rechnen müsse. Der Abflug ist um 9:15 Uhr und er wird in etwa 20 min aufgerufen. F1 ist das erdenklich weitest entferne Gate, das für easyJet vorgesehen ist und man wandert und wandert. Nach Kilometern steht dann lapidar auf dem Fussboden: noch 5 min…., noch 4 min… etc. Der Gang endet bei F1 in einem leeren Raum mit noch geschlossenem Boarding-Schalter und für all die 150 Leute, die diesen ganzen Flieger füllen sollen, steht ein zwei Meter breiter Hocker zur Verfügung. Wer seine Beine nicht in den Bauch stehen will, setzt sich halt einfach auf den Boden - ganz easy! Aber immerhin wird der Flug EZS1 152 überpünktlich aufgerufen und bald darauf starten wir in einen orange glühenden Abendhimmel, was hinter unsere wunderbaren Bornholm-Ferien einen echt goldenen Schlusspunkt setzt.


zum vorherigen Tag Montag, 15. August 2016 Home