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Es ist grossartig, wie Knud es versteht, die verschiedenen Interessen seiner
Gäste alle unter einen Hut zu bringen. Weil ein Besuch von Bornholms
Kunstmuseum weit oben auf der Wunschliste steht, fahren wir am Vormittag die
wenigen Kilometer bis zum Parkplatz, wo man direkt zum Museum und ebenso zu den
Helligdomsklipperne Zugang hat. Während sich die einen an Gemälden,
Skulpturen und Kunsthandwerk von Bornholmer Künstlern ergötzen,
können sich die andern über Wege, Stege und Treppen am Fusse von
senkrechten hohen Klippen dem Wind und dem Tosen der Brandung direkt am Meer
aussetzen. Sogar als Höhlenforscher kann man sich betätigen. Durch
einen Riss in den Granitfelsen soll man der Sage nach bis auf die
gegenüberliegende Küste der Insel gelangen. Jedenfalls sei mal eine
Ente hineingegangen und auf der andern Seite als Schwan wieder herausgekommen.
Dreimal darf man raten, welcher Gruppe ich mich anschliesse.… Gerade ein
Schwan möchte ich jetzt auch nicht mehr werden, aber ich habe jedenfalls
eine Taschenlampe mitgenommen. Für Höhlen und Felsen bin ich immer zu
haben und die Skulpturen hier in den Klippen, laufen jenen im Rasen oben vor dem
Museum fast den Rang ab. Nur, wer hat ihn auch gesehen, den Samichlaus, der in
der senkrechten Wand den Höhleneingang von gegenüber bewacht? Die
Madonna, oder ist es der Christophorus mit dem Kind auf dem Rücken? Die
Burg in der nächsten Bay oder all die andern Trolle und Gnomen, die hier zu
Stein erstarrt auf ihre Wiederbelebung warten? Ich brauche jedenfalls kein
Verzeichnis, welche Plastik wo zu sehen ist und zu kaufen gibt es sie auch
nicht. Dem Krølle Bølle, Bornholms National-Troll begegne ich auch
nicht, der hier in den Klippen in unterirdischen Grotten leben und Schlag
Mitternacht nach dem dritten Eulenruf erscheinen soll, aber ich habe ihn in
Svaneke auf einer Warnungstafel gesehen.
Der Riss im Felsen ist eindrücklich hoch und eng, so dass man weder kreuzen
noch überholen kann, mit glatten Wänden und schlüpfrigem Boden,
welcher Herbert, Hans und mich doch veranlasst umzukehren, bevor wir Schwan
werden. Wie verabredet, treffen wir uns alle oberhalb der Klippen wieder und
folgen gerne dem Vorschlag, auf einer kleinen Wanderung den höchsten
Wasserfall von Süd-Dänemark zu besuchen. Der Spaziergang einem
Wässerchen entlang durch schattigen Wald, erinnert mich mit seinen
moosüberzogenen Steinen ein bisschen an unser Chaltbrunnental.
Døndalen oder Donnertal heisst es eben wegen seinem Wasserfall, der
über etwa 20 Meter in die Tiefe stürzt. Leider ist die Schneeschmelze
schon lang vorbei und die sommerliche Wärme hat das Wasser zu einem Rinnsal
verkommen lassen. Es geht uns wie vielen Touristen, die auf die Suche nach
dieser Attraktion gehen und sie gar nicht finden. Ich kann mir aber hier eine
kleine Vorstellung von den wohl für ihn gewaltigen Eindrücken machen,
die Knud jeweils in unserer bizarren Bergwelt bekommt.
Nach der Frokost, die wir heute zum ersten Mal draussen auf der Terrasse geniessen können, machen wir uns bereits auf unsere krönende, letzte Wanderung hier auf Bornholm. Wir parkieren je am Anfangs- und Endpunkt der Wanderung ein Auto und beginnen wieder in Hammerhavn, bei den windschiefen Häusern. Obwohl der Himmel noch ziemlich blau ist, branden doch höhere Wellen an die Hafenmauer als am Mittwoch, wo ein Segelschiff schon Mühe hatte, die Einfahrt in den Hafen zu erwischen. Wegen den hohen Klippen, die wohl auch zur geschützten Lage des Hafens beitragen, müssen wir zuerst ein bisschen Höhe erklimmen, haben dann aber auf unserem Weg die weite Aussicht aufs Meer und die mit Containerschiffen vielbefahrene Wasserstrasse zwischen Bornholm und Schweden. Auch ein altertümlich anmutender Dreimaster, der wohl zu Ausbildungszwecken dient, kreuzt langsam Richtung Norden.
Auch hier kommen wir wieder durch die zauberhaften Gebüschwäldchen, die der Wind vom Meer her glatt den Hang hinaufgekämmt hat und welche der Weg fast wie mit einem Tunnel durchbohrt. Dann lösen sich wieder felsige Klippenabschnitte mit Heidegebieten mit blühendem Erika ab. Wieder auf Meereshöhe liegt einsam und verlassen, nicht mehr gebraucht und zusammengestürzt Salomons Kapel, einst ein vielleicht von Fischern besiedeltes Gebiet, heute grasen noch die Schafe zwischen den Ruinen und Menschen kommen nur in ihrer Freizeit hierher und bevölkern in der nächsten Bucht einen ganzen Strand mit allen erdenklichen Varianten von Steinmannli. Einer hat wohl angefangen und jeder, der vorbei kommt, will es natürlich noch besser können.
Und schon kündet ein Leuchtturm, das Hammer Odde Fyr, den nördlichsten
Punkt der Insel an. Hans kann es beweisen mit seinem Kompass, den er immer am
Rucksack hat - seine Nadel zeigt direkt ins nahe Meer nach Norden. Man
spürt es schlagartig auf dem weiteren Weg nach Sandvig, dass wir uns nun
auf der windabgekehrten Seite der Insel befinden. Das Meer liegt viel ruhiger
da, es ist spürbar wärmer und der Wind zerzaust einem nicht mehr die
Haare. In sonntäglicher Abendstimmung liegt Sandviges Hafen vor uns, wo in
der Nähe das eine Auto wartet, mit welchem wir nun das andere in
Hammershavn holen können.
Lykke-Lise will in Allinge nur noch schnell Brot holen, aber während wir im
Auto warten wollen, kommen wir eben in den Genuss eines weiteren Schauspiels.
Der Dreimaster, den wir am Nachmittag gesehen haben, ist gerade daran, in den
Hafen einzufahren, um dort festzumachen, zwar ohne aufgezogene Segel, aber
für uns Landratten gibt es doch ein lohnendes Bild.
Während in der Küche für das Riz Casimir wieder genügend
Köche und Köchinnen herumschwirren, kann ich mit Knud und Lykke-Lise
das Auto und die beiden geborgten Velos zu Sven nach Klemensker
zurückbringen. Wir haben jedes hundert Kronen beigesteuert, dass er damit
seinen Tank auffüllen kann und ich bin gespannt, ob er meinen
zweisprachigen Spass versteht: Mange Tak! - Vielen Dank - Füllen Tank. Das
tönt ja ähnlich und Knud hat noch zwei Worte ergänzt und gemeint
tanken(s) fylde ohne ‚s' sei Befehlsform von Tank füllen und mit
‚s', dass man voller guter Gedanken sei, also dankbaren Gedanken. Leider
ist Sven gerade nicht zu Hause und wir legen ihm das Couvert zusammen mit der
Flasche Wein, die ich gestern gepostet habe, auf den Sitz.
Seine Reaktion und die Bestätigung, dass er mein ‚Gedicht' verstanden
hat, erreicht uns noch bevor wir zum Dessert übergegangen sind. Knud hat
das Waffeleisen in Betrieb genommen und mit Schlagrahm dekorierten
Heidelbeerwaffeln beschliessen wir ein weiteres Festmahl und den letzten
Ferientag hier auf dieser wunderschönen Insel.
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