Taumarunui - New Plymouth
The Forgotten World Highway, auf den wir uns heute begeben, folgt alten
Maori-Pfaden und Routen der Pioniere und ersten Siedler in Neuseeland.
Über 150 Kilometer führt er durch immer noch urchiges Hinterland und
hier findet man vielleicht die Welt, die man sich unter Neuseeland im ersten
Moment vorstellt. Jedenfalls gibt es hier noch Schafe. Bis jetzt haben wir
kaum solche gesehen, alles waren Rinderherden. An den vielen steilen Borden
der tausend Hügel haben die Schafe ihre Tretmuster hinterlassen.
Ortschaften gibt es auf dieser einsamen Strecke keine eigentlichen. Bezeichnet
ein Punkt in der Karte eine solche, sind es vielleicht zwei oder drei
Häuser, die etwas näher beieinander stehen oder es ist einfach die
Bezeichnung einer Farm oder Station, wie sie es hier nennen. Verlassene oder
verfallene Häuser sieht man, manchmal steht ein Gut zum Verkauf
angeschrieben. Einmal entdecke ich einen einsamen Kamin auf einem
Cheminé, das einzige, gemauerte Stück eines Hauses, der Rest ist
verschwunden, wohl abgebrannt. Vergessene Welt ist wirklich der richtige
Ausdruck für diese Gegend. Immer wieder führt die Strasse vom Tal
hoch hinauf über die Krete, von wo man manchmal eine fast atemberaubende
Aussicht geniesst, Hügelzug an Hügelzug, soweit das Auge reicht.
Anfangs noch in der Nähe der Ruapehu, nur heute muss man ihn erahnen, der
Himmel ist bedeckt und es ist wieder merklich kühler geworden. Dann ist
ein Stück der Strasse sogar ungeteert und in einem Stück
Naturschutzgebiet führt sie durch eine Schlucht. An diversen Orten
führen grössere oder kleiner Trails zu interessanten historischen
Orten. Einmal folge ich ein kurzes Stück einem Urwaldpfad zum Grab des
Josuha Morgan, einem frühen Siedler, der 1893 fünfunddreissig
jährig gestorben ist und dessen Memorial auch für die vielen andern
Pioniere steht, die dachten ihr Glück hier in diesem Gebiet zu
finden.
Einmal führt die Strasse durch den 180 Meter langen, aus dem Felsen
gehauenen, einspurigen Moki-Tunnel. Vor etwa 20 Jahren wurde die Strasse etwas
abgesenkt, so dass mit seiner jetzigen Höhe auch die dreistöckigen
Tier-Transporter durchkommen.
Mittagsrast halten wir in Whangamomona. Die haben sich 1989 selber als
Republik ausgerufen und mit allem Drum und Dran einen eigenen Präsidenten
gewählt. Es hat eine Post, Baujahr 1912, eine Kirche, ein Hotel und eine
Bank, aber ausser dem Hotel, wo man sich an der Theke einen Pass der Republik
Whangamomona kaufen kann, ist nichts mehr in Betrieb. Das Kreuz am Giebel der
Kirche hat Moos angesetzt, die Post wurde 1988 geschlossen und die Bank
gehört Privaten und man solle bitte nicht in die Fenster hinein gneissen.
Mit vielleicht einem Dutzend Häusern ist es entschieden der grösste
Ort auf der Strecke und wenn man das Dorf verlässt, wird man auf einem
Plakat mit den Worten: ‚Sie verlassen nun die Republik - Willkommen
zurück in Neuseeland' begrüsst.
Eine weite Strecke begleitet auch ein Bahngeleise unseren Weg. Die Strecke ist
nicht elektrifiziert, aber es scheint, dass sie immer noch in Betrieb ist. Der
Bau dieser Linie war sicher früher wichtig und wird auch auf
Informationstafeln bei den verschiedenen Points of Interest dokumentiert.
Dann wird das Land langsam wieder etwas flacher und weiter und in Stratford
hat uns die Zivilisation wieder. Neuseelands ‚einziges Glockenspiel'
müssen wir doch gesehen haben, wenn doch gerade die Zeit dafür ist,
wo um drei Uhr an einem Riegelbau-Turm verschiedene Fenster auf und zugehen,
lebensgrosse Figuren erscheinen und aus Shakespeares Romeo und Julia wohl die
wichtigsten Stellen zitieren. Alles, inklusive Glockenschlag kommt aus einem
Lautsprecher von der andern Strassenseite, da wo wir stehen, um natürlich
das Spektakel besser sehen zu können. Trotzdem habe ich kein Wort
verstanden. Und dem sagt man dann sogar auf Englisch Glockenspiel!
Wir fahren noch etwas weiter bis New Plymouth und haben Glück, dass wir
in Fitzroy, direkt am Meer noch einen Platz bekommen. Allerdings nur für
eine Nacht, denn jetzt ist wirklich Hochsaison und das Wetter hier lässt
sich nicht so schlecht an. Am langen Strand, wo gerade wieder mal Ebbe ist,
wird eifrig gesurft, gepaddelt und zwischen zwei Flaggen, auf vielleicht 50
überwachten Metern gebadet. Hier ist der Sand, wohl dank Taranaki, ganz
schwarz. Schwarz glänzend wie Kohle erscheinen auch ein paar Felsbrocken,
die die Ebbe freigegeben hat. Wenn man den schwarz aussehenden Überzug
darauf näher anschaut, kann man tausende kleine und kleinste, eng
aneinandergeklebte Muscheln erkennen, fest geschlossen und darauf wartend,
dass die nächste Flut sie wieder mit Wasser bedeckt.
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