Greymouth - Franz Josef Glacier
Heute ist Sonntag im wahrsten Sinn des Wortes und die erste Überraschung
erlebe ich beim Blick hinter die Düne ans Meer. Man hat in der Nacht das
Tosen des Meeres gehört und ich möchte nochmals einen Blick auf die
Schaumkrönchen werfen, die es jetzt sicher bei dem ablandigen Wind gibt.
Gestern waren die Wellen noch nicht so hoch und gestern sah man es auch noch
nicht - in der Ferne die Gipfel der zum Teil noch schneebedeckten Alpen. Die
Südalpen nota bene mit dem 3498 Meter hohen Mt. Tasman und daneben mit
3754 Metern dem höchsten Berg Neuseelands, der Aoraki, der
Wolkendurchstosser oder wie man ihn eben dann nannte, der Mount Cook. Von
dort kommen mächtige Gletscher bis hinunter fast auf Meereshöhe und
diese wollen wir heute besuchen.
Ich entdecke sie heute zum dritten Mal, dieses Holländische Paar, das mit
dem Velo unterwegs ist, welches an jenem Regentag Mitte Dezember in Tairua
neben uns gezeltet hat. Das zweite Mal haben wir sie in Taupo auf dem gleichen
Campground gesehen und nun muss ich doch noch ein Föteli von ihnen
haben. Sie haben nun noch zwei Wochen Ferien vor sich und man staunt, wie weit
man mit dem Velo kommt.
Die Strasse führt uns auch heute wieder immer weiter südwärts
meist dem Meer entlang. Zwischen den Bergen und dem Meer gibt es hier wieder
mehr ebenen Platz für Weideland. Man hat in dieser Gegend auch immer
wieder Gold gefunden und vielleicht existieren deshalb mehr Ortschaften.
Meistens besteht zwar eine solche aus zwei oder drei Häusern und schon
ist sie wieder vorbei. Dafür nehmen die Rivermündungen immer
breiteren Platz ein. Über unzählige Seitenarme und Bäche
mussten Brücken gebaut werden. Meistens sind es One-Lane-Bridges, wo sich
die Strasse auf eine Spur verengt und Verkehrszeichen zeigen an, welche Seite
Vortritt hat. Einmal führt sogar noch die Eisenbahnschiene auch über
dieselbe Brücke. Es ist heute das erste Mal, dass wir anhalten
müssen, weil etwas entgegenkommt. Dies sogar gerade dreimal.
In Ross könnte man sein Glück im Goldwaschen versuchen, das haben
wir nun noch nie probiert, aber ich glaube, René hat meinen Vorschlag
nicht als ernst aufgefasst. Langsam werden die Berge höher und die
Schneeberge kommen immer näher. Wieder einmal folgen wir einem Wegweiser
zu einem Parkplatz, einer Recreation Area, am Lake Ianthe, einem
wunderschönen, blauen See. Ich geniesse es immer, an so einem Ort einfach
nur zu sein, auf die Vogelstimmen zu hören, dem Wind zu lauschen oder die
Blumen zu sehen, die hier wachsen. Heute sind es Libellen. Eine Grosse setzt
sich gerade auf meine Schultern, verweilt ein bisschen und entschwebt wieder.
Eine andere Art entdecke ich über dem Wasser. Wie ein leuchtend roter
Neonfaden, etwa fünf Zentimeter lang und höchstens einen Millimeter
dick, schweben sie über dem Wasser. Ich setze mein Tele auf einen solchen
Faden an und das Resultat bringt mich wieder mal selber zum Staunen. Ich habe
das Paarungsrad der Liellen, einmal sogar von gleich vier Exemplaren auf dem Bild!
Etwas weiter wird ein Rastplatz an einem wunderschön hellblauen Fluss
wieder zu Werbezwecken für Helikopterrundflüge missbraucht. An einem
Rastplatz stelle ich mir normalerweise eine schöne Gegend vor, die zu
geniessen ist. Aber wir sind schon bald beim Franz Josef-Gletscher und so kann
man vielleicht vorher absahnen.
Wir sind so schon um halb drei beim Camp Ground, den wir anvisiert haben und
buchen schon mal ein Platz. Den haben wir so auf sicher und weil heute
wirklich schönes Wetter ist, fahren wir noch die etwa 40 Kilometer bis
zum Fox Gletscher. Von dem haben wir letztes Mal überhaupt nur Wolken
gesehen und jetzt leuchten immer noch die hohen, weissen Gipfel zu uns
herunter. Die Wanderung bis zum schönen, grossen Gletschertor ist eine
knappe halbe Stunde ein Weg. Auch beim Parkplatz hat mich ein Smaragdsee mit
seinen gelb und grün leuchtenden Schlamm- oder Algenfetzen fasziniert und
wenn das Wetter noch so schön ist, fahren wir doch gerade die 6 Kilometer
zum weltberühmten Lake Matheson, auch eines der 101 Musts for Kiwis, weil
er einen solch fantastischen Spiegel haben kann, vor welchem sich die stolzen
Häupter von Aoraki und Tasman auf den Kopf stellen. Nur eben, das Wetter
wäre heute noch schön, die Häupter zwar bereits umwölkt,
aber der Wind verdirbt ausgerechnet jetzt die ganze Show.
Das Schweizer Ehepaar aus Davos kann doch gerade froh sein, dass wir erst
jetzt heimkommen. So konnten sie die sagenhaften Häupter noch solange
auskosten, bis wir unseren Camper vor ihre Aussicht stellen.
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