Franz Josef - Haast
Man stelle sich vor - wir haben heute nochmals schönes Wetter und ich
schmiere mich mit Sonnenschutz gut ein. Vom Paganini-Hill aus auf dem
Camp-Platz gibt es fast ein Postkartenbild. Der Tripp zum Franz Josef
Gletscher ist schon was anderes bei solchem Wetter. Den haben wir ja vor vier
Jahren gesehen und ich mag mich noch gut an das schöne Gletschertor
erinnern und es macht heute gerade etwas wehmütig, weil das Ende des
Gletschers bereits wieder viel weiter nach hinten gerutscht ist und in der
Mächtigkeit meine ich, sieht man auch einen Unterschied. Es ist ein reger
Verkehr auf dem Weg. Wir begegnen vielen geführten Gruppen, die das
Adventure Gletscher erleben wollen. Man erkennt sie gut, alle haben etwa
wadenhohe Wanderschuhe an. Es nähme mich wunder, wie viele am Abend mit
Blasen an den Füssen heimkommen. Da haben jene es vielleicht besser
gemacht, die gerade den Heli genommen haben, denn in der Luft ist auch ein
Getöse. Die Ortschaft Franz Josef Glacier lebt schon nur von Fun und
Adventure. Scenic Flights und Gletscherlandungen, Heli Hikes und Sky diving
wird so agressiv angeboten, dass man sich gerade als Niemand vorkommt, wenn
man da nicht auch bucht. Na ja, wir müssen ihn ja auch gesehen haben,
obwohl wir daheim auch Gletscher haben. Nur kommen sie dort nicht fast auf
Meereshöhe herunter.
Da das Wetter noch relativ gut anhält, machen wir 24 km weiter in Fox
Glacier einen zweiten Versuch mit dem weltberühmten Matheson-See. Aber
auch heute ist nichts mit Postkartensujet, der Aoraki ist heute gerade am
Wolkendurchstossen und der Wind verdirbt genau wie gestern, alle noch so
optimistischen Erwartungen. Dafür finden wir an dem geheimnisvoll
anmutenden Waldweg zum Lookout die diversesten Moosarten und René, der
eh lieber Makro-Aufnahmen macht, kommt voll auf seine Rechnung. Solche kleine
Wunder werden auch nicht auf der Liste der '101 Must-Do's for Kiwis'
erscheinen.
Wir wollen heute noch bis Haast fahren und das sind doch noch gut 170
Kilometer, weite Strecken durch den Wald und Einsamkeit und fast nichts und
niemand. Nur etwa zwei oder drei Mal kommen wir ans Meer. Einmal ist es die
Bucht mit den Glimmer-Steinen und das andere Mal mit den vom Wind
gekrümmten und zurechtgestutzten Bäumen und Büschen, welche mir
auch noch von der letzten Reise in Erinnerung geblieben sind. Nur scheint heute
hier am Meer die Sonne wieder und die Farben in allen Grün- und
Gelbtönen haben wir im Regendunst letztes Mal auch nicht gesehen.
In Haast bremsen wir, bevor wir am eingegeben Ziel sind. Es hat ein neues Top10
gegeben, direkt am Weg. An der Rezeption weisen sie einen immer auf
Interessantes in der näheren Umgebung hin. Zum Einen gibt mir der Patron
ein bisschen Goodbye-Sandflies-Oel auf die Hand, das ich an Armen und Beinen
einreiben soll, zum Anderen bekommen wir den Tipp, wo man gute Whitebaits
bekomme. Immer wieder sind diese Whitebaits erwähnt worden und ich weiss
nicht genau, was das ist. Wir fahren also nochmals ein Stück zurück,
zuerst über die lange One-Lane-Bridge, die unterwegs sogar zwei
Ausweichstellen hat, weil man nicht genau bis ans andere Ende sehen kann, dann
noch ein Stück dem schönen Windbaum-Gebüsch nach, bis ein
Wegweiser zum Curly Tree weist, wo man mir dann ein Whitebait Pattie
zubereitet, während ich warte. Hätten wir nicht Goodbye eingerieben,
würden wir wirklich aufgefressen.
Ich stellte mir so ein gemütliches Landbeizlein vor, wo ich Whitebaits zu
einem Gläschen Wein und René die Pommes gemütlich geniessen
könnten.
Die junge Frau, deren Mann und Sohn hier an der Flussmündung die
Whitebaits fängt, erklärt mir, dass diese vielleicht drei Zentimeter
langen, durchsichtigen Fischlein, frisch geschlüpft in den Wurzeln der
Mangroven stehen und wenn Hochwasser kommt, werden sie heruntergespült,
gefangen und löffelweise mit einem Ei vermischt und auf dem Grill, der
hier in der Garage steht, wie ein Omelett gebacken und auf einer Scheibe
Toastbrot serviert, ein typischer Maori-Festschmaus. Ich finde die kleinen
Augen im Omlett noch lustig, knusprig fritiert wären sie mir noch lieber
und so entfliehen wir den aggressiven Fliegen und René bekommt zu Hause
dann noch was zu essen.
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