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Wir sind die drei Einzigen, welche der Twerenbold-Bus in der Windrose an Bord
nimmt. Es ist nur ein Zubringer. Im Rütihof müssen wir umsteigen. Hier
ist echt was los. Der Fahrer stellt alle Busse mit ihren Reisezielen vor, welche
hier schon in den Startlöchern bereit stehen. Es sind sicher deren zehn oder
mehr. Sardinien-Korsika steht in der vorderen Reihe links aussen. Wir grabschen
unser Gepäck und sehen uns drüben mal nach unserem neuen Chauffeur um.
Der ist bereits heftig am Gepäck-Einladen. Den Koffer kann er schon
wegschliessen, das Necessaire für heute Nacht auf dem Schiff habe ich im
Rucksack und den nehme ich in den Bus. Ob Käthy wohl auch schon angekommen
ist? Ich probiere mich in der Menge umzusehen. Dabei realisiere ich, dass mich auch
jemand fixiert. ‚Die kenne ich doch?' "He nei, das isch jo d' Ursi!"
tönts im selben Moment von hinten. Edith hat sie gerade auch wieder erkannt.
Natürlich ein Riesen Hallo, mit dem die Ursi König, die mit Jann in
Marokko mit dabei war, begrüsst wird. Wir haben sie damals in Wädenswil
besucht, als Margrit, Edith und ich nach Hafling in die Ferien fuhren. Einmal haben
wir uns bei Roswitha getroffen und sind dann in einem feinen Restaurant irgendwo im
nahen Dreiländereck essen gegangen. Sie steht bei mir immer noch auf der Liste
von jenen, die regelmässig mit meinem Monatsbild belästigt werden. Ist
das jetzt Zufall oder - nein, da kommt Käthy und hat eben den Augenblick
verpasst, sich an unsern verdutzten Gesichtern zu ergötzen, auf das sie sich
schon die ganze Zeit gefreut hat. Nicht mal gestern, als ich noch mit ihr
telefoniert habe, hat sie sich "verschnäpft". Die Beiden haben seit unserer
Reise ebenfalls den Kontakt nicht abbrechen lassen und haben diese
Überraschung zusammen eingefädelt. Ursi stellt uns Isabella vor, welche
sie ihrerseits motivieren konnte, mitzukommen. Sie hat gerade den letzten Platz
erwischt. Auch der letzte Platz scheint nicht immer der Schlechteste zu sein. Ursi
sitzt ganz zuvorderst in der Königsklasse und Isabella belegt den
zweitvordersten Einzelsitz. Die ganze dritte Reihe und der vierte Fensterplatz wird
von uns in Beschlag genommen.
Wir fahren in einen wunderschönen, sonnigen ersten Ferientag hinein. Melligen
und Bremgarten, welches Käthy und ich vor noch nicht allzu langer Zeit
besuchten, als wir die Reka-Checks zusammen mit dem Reisegeld persönlich im
Rütihof vorbeigebracht haben, kommen uns nun gerade vertraut vor. Dann kreuzen
wir irgendwo in der Nähe von Hagendorn, wo Dani daheim ist und gleichzeitig
wird Isabella nervös. Jetzt ist sie so früh aufgestanden, mit dem Zug
nach Zürich zum Flughafen gefahren, um dort um sieben Uhr einzusteigen und nun
fahren wir fast vor ihrer Haustüre vorbei. Da muss sie doch ihrem Liebsten ein
SMS schreiben und meldet, dass man in fünf Minuten zum Kaffee vorbeikommen
werde. Sie weiss nicht, in was für Aufregung sie ihren Mann mit diesem Scherz
gebracht hat. Wir sind wohl erst auf der Axenstrasse, als schon ein Telefon von der
Leitstelle im Rütihof bei Werner Müller, unserm Chauffeur nachfragt, ob
die Isabella nun auch bei uns im Bus sei.
Auf unserem Weg in ferne Lande wird uns zuerst mal unsere eigene,
ursprünglichste Heimat vorgeführt. Über die Autobahn Richtung Schwyz
fahren die Meisten eher selten. Bis Brunnen ist sie mir persönlich
natürlich vertraut und ich kann schon prahlen, indem ich die Namen der Berge
wie Rigi, Pilatus und die Mythen benamsen kann. Nach dem Tunnel in Brunnen sieht
man hinüber auf Seelisberg. Meist fährt man eben unten durchs Loch und
sieht nicht, wie wir heute im lieblichen Morgenglanz, leuchtend grün das
stille Gelände am See zu uns herübergrüssen. So schön und ohne
Dunst habe ich das Rütli selber noch nie gesehen. Die Wellen, die dort
friedlich zerfliessen, werden wohl bald nicht vom ewigen, aber doch von dem noch
vorgestern tief herunter gefallenen Schnee genährt werden. Genau zur richtigen
Zeit ist die Schlechtwetterphase nun zu Ende gegangen. Wenn halt Engel
reisen....!
Bei uns in Basel haben heute bereits die Herbstferien begonnen und man fragt sich,
wie es wohl vor dem Gotthard aussieht. Im Radio melden sie drei Kilometer Stau.
Soll man eventuell über den Pass ausweichen? Und schon haben wir sie, die
Autoschlange, am Schwanz erreicht. Sie fährt allerdings immer noch und eine
Weile gleiten wir mit. Wenn man über den Pass will, müsste man die
Ausfahrt nach Göschenen nehmen, die nun auf der rechten Spur signalisiert ist,
wo niemand fährt. Werner entscheidet sich für diese und wir lassen die
Kolonne einfach links liegen. Sicher nur etwa hundert Meter, ehe die Abzweigung
jetzt in einer Kurve von der Autobahn wegführt, lädt eine grosse
Lücke in der Kolonne in der letzten Sekunde zum Hinüberwechseln ein und
wir verschwinden eingefädelt im Nordportal. Damit hat sich Werner schon seinen
ersten Applaus abgeholt.
Sogar im langweiligen Tunnel gibt's was zu lernen. Es werden Seminare angeboten, in
denen den Chauffeuren der modernste und sicherste Autobahntunnel veranschaulicht
wird. Ich wusste auch nicht, dass zum Beispiel der Abstand zum vorderen Auto 150
Meter sein sollte, damit im Notfall Rettungsfahrzeuge im Zickzack durchkommen
könnten. Bis man alle 74 Tore, welche als Notausgänge zum Rettungsstollen
führen, gezählt hat, ist man ja schon wieder in Airolo auf der andern
Seite, allerdings im unfreundlichen Nebel angelangt.
Die Gelegenheit für einen ersten Stopp nehmen wir in der Raststätte in
Airolo wahr. Schliesslich musste man heute früh aus den Federn und
überhaupt hat man dank Reisefieber nicht viel geschlafen und ein Kaffee ist
sehr willkommen.
Vor dem Eingang der Botta-Konstruktion, welche eher wie die Tragfläche eines
Flugzeugs, als wie ein Restaurant aussieht, blinzelt uns ein hölzerner Wilhelm
Tell mit seiner Armbrust auf der Schulter und dem Walterli an seiner Seite zu.
Eigentlich schon jenseits vom Gotthard, aber doch noch letzte Gelegenheit für
ein Zurückblinzeln oder einen Gedanken an die eben vorbeigehuschte Landschaft
der Urschweiz.
Auch in der Leventina kommen wir gut voran und bald schon öffnen sich die
Schranken an den Zahlstellen in Italien wie von Zauberhand und sogar ohne Schoggi
als Bestechung für Giovanni, zur freien Fahrt durch die weite Poebene. Wasser,
das vielerorts in den Äckern zu stehen scheint, verrät das grosse
Anbaugebiet von Reis. Pappelwälder, deren Stämme so schön in Reih
und Glied angepflanzt sind, dass man wie durch Tunnels hindurchsehen kann,
faszinieren mich immer wieder. Neben der Autobahn verläuft ein neuerstelltes
Trasse für den Hochgeschwindigkeitszug, welcher aber noch nicht in Betrieb
ist. Eine Unzahl von meist blauen Brücken derselben Konstruktionsart
führen von hüben nach drüben. Manchmal sind es Strassen, aber oft
nur Feldwege, pompös vom Staat erstellt, welche einem Bauern ermöglichen,
mit seinem Traktor auf die andere Seite seines Territoriums zu gelangen.
Bei Parma führt uns dann die fertig erstellte Autobahn über den Cisapass.
Ein Gewitter ist uns eben zuvorgekommen und noch hängen überall
dunkelschwarze Wolken herum. Wie in der Toskana, beginnen sich die Dörfer auf
den Hügelspitzen zu gruppieren. Und schon sieht man das Meer. Gottseidank
sieht der Himmel von Westen her etwas freundlicher aus. Ich hoffe ja so sehr
für Edith, dass wir eine ruhige Überfahrt haben werden.
Dann Carrara mit den Steinbrüchen, welche wie Schneefelder in den Bergen
aussehen und Fabriken mit ihren weissen und auch rosa Marmorblöcken auf den
Firmenarealen.
Durch unser flottes Vorankommen sind wir reichlich früh dran. So liegt ein
Abstecher ausser Programm zum nahen Pisa noch gut drin. Einmal noch den schiefen
Turm sehen, ehe der umkippt! Busse dürfen nicht in die Stadt hineinfahren,
deshalb organisiert uns Werner auf dem Parkplatz ein ganzes Shuttel-Bähnli,
welches uns für zwei Euro zum Dom Santa Maria Assunta bringt und uns in einer
Stunde wieder dort abholt.
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Die paar hundert Meter vom Bähnlibahnhof bis zum Dom sind gepflastert mit
Souvenirbuden und -Auslagen. Sehr dunkelhäutige Afrikaner wollen einem alles
Mögliche und Unmögliche andrehen. Warum soll man in Pisa Buschtrommeln
kaufen? Oder robbende Guerillas, die mit ihren Maschinengewehren auf der Strasse
daherkriechen und immer wieder von den Verkäufern vor dem Zertretenwerden
gerettet werden müssen. Ganz zu schweigen von den schiefen Türmen, von
Fingerhutgrösse bis zu einem halben Meter hohen Monstren mit Luce, zum
Aufstellen zuhause aufs Büffet!?
Seit die Sanierung und Stabilisierung vor fünf Jahren beendet ist, kann man
wieder auf den Turm, jedoch was soll's - 15 Euro kann ich anders gebrauchen und
begnüge mich mit einer Anzahl Fotos. Die kann ich wenigstens in meinen Bericht
integrieren. Den Blick in die Kirche schenke ich mir auch gerade, dazu ist die Zeit
fast zu knapp und Eintritt wollen sie dort ausserdem auch noch.
Im Hafen von Livorno hat Werner nun genügend Zeit, um die Papiere zu besorgen,
während die untergehende Sonne mit dem Gewirr aus Hafenkränen ein Bild
wie ein Scherenschnitt an den langsam orange werdenden Himmel zu zeichnen beginnt.
Eine grosse, direkt neben uns liegende Korsika-Fähre beginnt zu stampfen und
rumoren und mit dem Erschallen einer Hymne entfernt sie sich vom Ufer und ist bald
von der Bildfläche verschwunden.
Um viertel vor Acht ist auch unsere Sardinia Regina bezugsbereit. Wir haben eine
Innen- und eine Aussenkabine gebucht und ich hätte nicht gedacht, dass das ein
Thema sein könnte. Niemand will sich für die eine oder andere
entscheiden. Schliesslich landen Edith und ich aussen, für die Heimfahrt sind
dann die beiden Andern dran und in Zukunft spare ich mir die Auslagen für den
Zuschlag. (Falls wir trotz gegenteiligem Beschluss wie diesmal, wieder mit einer
Fähre fahren sollten).
Es ist unser erster Abend in den Ferien und wie sich das so eingebürgert hat,
wird dieser speziell genossen. Deshalb findet man uns bald im gediegenen Restaurant
beim auserlesenen Menü, während die Meisten in einem Stau an der
Selbstbedienungstheke anstehen und warten, bis sie ihr inzwischen kalt gewordenes
Essen bezahlen können.
Punkt neun Uhr erschallt über alle Lautsprecher auf dem Schiff dieselbe Hymne,
wie wir sie vorhin bei der andern Fähre gehört haben und durch die
Fenster kann man beobachten, wie die gelben Laternen draussen am Quai langsam zu
wandern beginnen.
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Bis wir nach dem Nachtessen noch schnell nach draussen gehen, fährt unser
Schiff schon mitten durch die dunkle Nacht. Der Mond zaubert eine silberne Strasse
auf das tintenschwarze Meer. Irgendwoher leuchtet ein kleines Licht. Eine Insel -
oder Fischerboote? Vielleicht schon Korsika. Die Erklärungsversuche der Dame
an der Rezeption befriedigen nicht ganz. Und überhaupt, was soll's! Wir gehen
jetzt schlafen und in acht Stunden sind wir in Olbia in Sardinien. Im Restaurant,
wo wir noch einen Grappa schnappen wollen, sind sie gerade am Feierabend machen.
Der Charmeurkellner, der uns bedient hat, drückt ein Auge zu und schenkt uns
noch einen ein - im Plastikbecher nota bene. Marlis will protestieren, aber ich
probiere sie zu beschwichtigen, denn ich habe das Gefühl, dass der Schluck
eindeutig grösser ist, als in einem geeichten Glas.
Edith schläft schon den Schlaf der Gerechten. Sie hat sich gerade nach dem
Essen verabschiedet, denn sie war recht müde, auch vom Stress der letzten
Tage. Philipps 80ister Geburtstag am Donnerstag und die lange Ungewissheit, bis
eine Lösung für die Pflege während ihrer Abwesenheit gefunden war.
Im letzten Moment konnte es Fredy richten und eine Woche Urlaub machen. So kann
sich Edith nun Gottseidank auch eine Auszeit nehmen.
Die Weckzeit auf dem Handy auf viertel vor sechs Uhr eingestellt und wegen dem
Motorengeräusch Ohrenstöpsel reingeschoben und auch ich bin erst wieder
am Morgen bei den Lebendigen.
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