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Natürlich haben wir uns für den fakultativen Ausflug nach Hiddensee angemeldet. So kann ich endlich mal diese Insel kennen lernen, wo Bea mit ihrer Familie nun schon das zehnte Jahr hinfährt. Für sie ist der Spruch wahr geworden: 'Einmal Hiddensee - immer Hiddensee.'
Abfahrt ist heute erst um halb zehn, denn wir sind für die Viertelvorelf-Fähre angemeldet. Also geht es westwärts, wiederum durch viele Alleestrassen. In Sassnitz auf Rügen beginnt die Deutsche Alleenstrasse, welche auf 2900 Kilometern Ferienreisen unterm Blätterdach verspricht. Sie endet am Bodensee und so könnte man doch einmal....?
Wir sind eine gute halbe Stunde vor Abfahrt am Hafen in Schaprode und das winzige Dörfchen mit seinen mit Stroh gedeckten Häuschen und die uralte Kirche versprechen Fotosujets. Also klinke ich mich noch schnell aus und gehe auf lohnende Entdeckungsreisen und schon werde ich vermisst. Das Handy kommt zum Einsatz und mit einer Verbindung über die Schweiz und wieder zurück, findet mich meine Herde wieder.
Wiederum wartet Bruno väterlich, bis auch wirklich alle verschifft sind und mit dem Taschentuch winkend, kann er sich nun einen verdienten, freien halben Tag gönnen.
Heute ist wieder strahlendes Wetter, es verspricht heiss zu werden und die Schifffahrt nach Vitte ist ein Genuss.
Hiddensee ist autofrei, man ist hier mit dem Velo unterwegs, nur der Arzt hat ein Auto und ein Elektrobus kann ausser den üblichen Pferdefuhrwerken als Verkehrsmittel benutzt werden. Auf unserem Schiffsbillet steht Schaprode-Vitte und Kloster-Schaprode. Wir wollen also den Weg nach Kloster zu Fuss erkunden. Die beiden Ehepaare nehmen das Taxi mit dem Hafermotor.
Dagmar hat uns Hausaufgaben gegeben. Am Abend sollten wir ihr sagen können, welchen Duft man Hiddensee zuordnet.
Sie erzählt uns unterwegs von Land und Leuten, und auch die Sage, von den beiden Frauen, wie Hiddensee entstanden ist:
Bei einer frommen, armen Frau klopfte einst ein alter Wanderer an und bat um eine Bleibe für die Nacht. Sie teilte mit ihm vom Wenigen, das sie hatte und am Morgen verabschiedete er sich mit den Worten, dass ihr den ganzen Tag gelingen solle, was sie als Erstes beginne. Da sie mit einem letzten Rest auf einem Röllchen Linnen für ihr Kind ein Hemd machen wollte, begann sie vom Stoff abzumessen, ob es noch reiche. Es reichte auch für ein zweites und drittes Hemd und sie konnte nicht aufhören abzumessen, bis es Abend war, als der grosse Berg Linnen, den sie gemessen hatte, zu einem grossen Berg vor ihrem Haus angewachsen war. Eine reiche, geizige Frau aber, die gestern den alten Mann weggeschickt hatte, sah aber wohin er sich am Morgen gewandt hatte und lief ihm nach, um ihn bei sich für die Nacht einzuladen und sie bewirtete ihn und wollte diesmal cleverer sein. Als sich der Mann am Morgen mit den gleichen Worten auch bei ihr verabschiedete, hatte sie sich schon ausgedacht, dass sie ihr Geld zählen wolle, und damit sie das den ganzen Tag in aller Ruhe machen könnte, lief sie nochmals hinters Haus für ein Bisi. Das war dann leider ihre erste Tat und sie konnte den ganzen Tag nicht aufhören damit, bis dieses grosse Wasser entstanden war, welches heute Hiddensee von Rügen trennt.
Marlis und ich lassen uns ganz am Wasser den Wind mit dem zarten Duft der auf der ganzen Düne blühenden Heckenrosen um die Ohren blasen. Auch Hanspeter hat sich auf diese Seite abgemeldet, er will im Meer baden, denn hier kann man das ja tun ohne Alles. Ich möchte aber trotzdem lieber auf die Wanderung zum Leuchtturm mitgehen und ausserdem hätte es hier keinen Schatten und der Strand hat mir zuviel Seegras angespült. Darin findet man allerdings den Bernstein, wenn man Glück hat und dieses Glück hatten wohl schon alle andern vor mir.
Der erste Eindruck dieser Insel ist wirklich idyllisch. Hinter der Düne Fuhrwerke, welche von stämmigen Pferden gezogen werden, und alle, die frei haben, weiden friedlich auf dem ebenen Gelände mit den kleinen Seelein, welches auf dieser Seite an den Schaproder Bodden grenzt. Das 'söte Länneken Hiddensee' ist nur ein schmales, langgezogenes Eiland und seine Form gleicht einem Seepferdchen. Deshalb ziert auch ein solches das Wappen, neben einem komischen Symbol aus verschieden kombinierten geraden Strichen, mit welchen man hierzulande die Häuser und Besitztümer zu bezeichnen pflegt.
Wenn man mich jetzt nach dem Duft der Insel fragen würde, ich würde behaupten, es sei der Pferdemist, womit ich zur Hälfte richtig läge. Den zweiten Teil tragen gerade im Moment die überall wunderschön, rosarot blühenden Heckenrosen bei. Malerisch schauen manchmal nur die Giebel der Schilfdächer aus dichten Hecken von Rosen, Sanddorn und blühendem Holunder oder gelbem Ginster hervor.
Zum Besuch des kleinen Heimatmuseums bei Kloster meldet sich niemand freiwillig, also werden wir bis halb drei Uhr entlassen, um uns in einem Beizlein was Schönes zu gönnen. Für Marlis und mich gibt's Fischteller mit drei verschiedenen Sorten. Und ein Panaché. Aber hier weiss man nicht was das ist. Ein Radler kommt der Sache schon näher, wobei zu erwähnen ist, dass dieses nicht männlich, sondern sächlich ist. Richtigerweise bestellt man hier ein Alster. Der Kellner übt zwar das Panaché noch beim Nachbartisch, aber bis wir beim Kaffee angelangt sind, hat er das komische Wort schon wieder vergessen.
Bevor wir uns bei der Kirche versammeln, noch einen Blick hinein, wenigstens in den Eingang, wo direkt über dem Kopf die Kirchenglocke hängt. Ein Schiff in der Kirche fehlt auch hier nicht, wie in andern seefahrenden Ländern, genauso wenig wie eine alte, hölzerne Seefahrerkiste, welche als Kässeli dient, wo man um einen Batzen als Entgelt für die Kirchenbesichtigung bittet.
Dann geht's ab in den Busch, den Dornbusch. Das ist das Naturschutzgebiet und der gerade 70 Meter hohe Berg, wo der Leuchtturm steht.
Auf einer engen Treppe kann man die schmale Zinne unterhalb des Leuchtfeuer erreichen, wo man einen schönen Überblick über die schmale Insel und sogar bis hinüber zur Dänischen Nachbarinsel Møn haben kann. Man sieht auch gut, wie das Wasser im Bereich der Kiefer des Seepferdchens nicht sehr tief ist. Was an der Kliffkante durch Erosion verloren geht, es sind jährlich durchschnittlich 30 cm, wächst hier beim Bessin wieder aus dem Meer heraus. Diese neue, lange Landzunge ist erst vor gut 100 Jahren entstanden und ist bereits drei Kilometer lang.
Was man auch noch lernt, ist, dass jeder Leuchtturm seine eigene Identifikation hat. Das Leuchtfeuer Dornbusch erkennt der Seefahrer an den 2,4 Sekunden hellem und 7,6 Sekunden dunklem Licht. Man nennt es wirklich 'dunkles Licht', welches eine 2000 Watt starke Halogenmetalldampflampe produziert!
Dann noch einen Blick hinunter über die abbröckelnden, im Meer versinkenden Klippen, bevor wir uns auf den Weg über Kuh- und Pferdeweiden zurück Richtung Hafen in Kloster machen. In einem Souvenirladen finde ich doch tatsächlich den feinen Sanddorn-Sahne-Roibos-Tee, den mir Bea schon mal mit heimgebracht hat.
Müde vom Wandern, der Tageshitze und den vielen Eindrücken, lässt man sich die feine Briese auf der dreiviertelstündigen Rückfahrt auf dem Schiff zurück nach Schaprode gerne gefallen.
Natürlich lassen wir uns auch heute, an unserem letzten Abend auf Rügen, den Grappa im Tüffelhus nicht entgehen und natürlich wird nochmals "zämeghebt". Auf das hat wohl der Wirt direkt gewartet. Er erscheint mit seiner Digitalkamera und wir müssen für sein Bild gerade nochmals. Wir seien ihm (wohl mit unserem Lärm) schon gestern aufgefallen und er hat uns richtig als Schweizer identifiziert. Dann verschwindet er wieder und erscheint eine Weile später mit sechs druckfrischen Reklame-Flyern von Meyer's Kaffeehaus&Tüffelhus mit uns sechs 'Zämehebern' auf dem Titelbild.
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