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Langsam aber sicher neigen sich die Ferien wieder dem Ende entgegen. Der Bus wird mit den Koffern beladen und die Heimreise angetreten. Zwar nicht ganz auf direktem Weg, es sind unterwegs noch Zwischenhalte und eine Übernachtung vorgesehen.
Bei Stralsund sind wir über die neue Rügenbrücke gekommen, aber von der Stadt haben wir noch nicht viel gesehen. Das immense fensterlose Gebäude, riesengross mit Volkswerft Stralsund angeschrieben, lassen wir links liegen und fahren nach der Brücke jetzt hinunter zum Hafen, wo Bruno den Bus vor dem Steigenberger Hotel parkiert. Dies ist als Einsteigeort auch wieder gut zu finden. Stralsund gehört wie Wismar seit 2002 mit dem Titel ‚Historische Altstädte' zum UNESCO Welterbe. Vorbei an Überresten der Stadtbefestigung geht's durch Winkelgässlein, deren mit Kletterrosen reich geschmückten Häuser einst zum Heiliggeistkloster gehörten. Schon sind wir beim Hafen, wo ein grosses Segelschiff vor Anker liegt. Der Blick hinüber zur Rügenbrücke harmoniert eigentlich ganz gut mit seinen Masten und jenen des Bootshafens davor. Die hypermoderne, weisse und weiche Fassade des Ozeanums, welches sich wie ein Riesending hinter und um die grossen, alten mit Backsteinen gebauten Speicher zu verbergen sucht, hält vielleicht gerade wegen seinem totalen Kontrast die Faust etwas vom Auge.

Kornblumen und Mohn Stralsund Fischereiaufsicht immer wieder Segler Hafenspeicher

Nach ein paar Schritten ist schon der Marktplatz mit Rathaus und Nikolaikirche erreicht. Die prächtige Fassade des Rathauses gilt als das Paradebeispiel für diese mittelalterlichen Schauwände. Überhaupt scheint, was Rang und Namen hatte, sich hier am Platz mit solchen Schaugiebeln wichtig gemacht zu haben.
Im Rathaus sind umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Gang oder beinahe vollendet. Der Gewölbekeller ist zwar noch eine Baustelle, aber ein Blick hinein fasziniert sogar den Laien. Wenn nicht Baumaschinen und -Geräte herumstehen würden, könnte man den Innenhof mit seinen Galerien ansehen. Der Ost-West-Durchgang lässt genau den Blick auf die Eingangstür der gegenüberliegenden Nikolaikirche frei. Ein wunderschönes, reich verziertes gotisches Tor mit der Inschrift: ‚Hie ist nichts andres denn Gottes Haus und hie ist die Pforte des Himmels'. Diese ist aber uns Sterblichen noch verschlossen und ein kleinerer Hinweis auf Augenhöhe weist einen zum Marktplatz, wo sich der Eingang für eine Kirchenbesichtigung befindet. Dieser führt aber an einer Kasse vorbei und deshalb kann ich heute halt noch keinen Blick in den Himmel werfen. Dafür ist hier auch an Blinde gedacht. Ein grosses bronzenes Stadt-Relief mit Bezeichnungen der Örtlichkeiten in Blindenschrift, kann ertastet werden.

Rathausfassade Stralsund Stralsund für Blinde die Himmelstür Nikolaikirche Rathauskeller

Unsere Entdeckungsreise führt uns auch durch Hintergässchen, wo aber noch lange nicht alles saniert und renoviert ist. Diese verwahrlosten Gebäude machen einem erst recht bewusst, wie viel Geld wohl erst seit der Wende in die Sanierung der vielen ostdeutschen Städte gesteckt worden ist. Ein Kauf eines solchen Objekts ist sicher auch nicht interessant wegen all den Auflagen von wegen UNESCO Kulturerbe etc. Eigentlich nicht recht, dass ich mich weigere, Eintritt in eine Kirche zu bezahlen.
Auf einer neueren Autobahn, welche auf meiner alten Karte fehlt, wo noch die DDR-Grenzen eingezeichnet sind, kommen wir in der Nähe von Rostock wieder in die A19. In der Ferne kann man wiederum den Kühlturm des Kohlekraftwerks ausmachen. All die vielen Windfarmen können mich nun nicht mehr für Schnappschüsse provozieren. Ich habe bestimmt schon Hunderte davon.

Fassaden restauriert... ...warten auf Geldgeber im ehemaligen Kloster Heiliggeist Energie Kornblumenblau

Wir kommen nun in die wasserreiche Gegend der Mecklenburgischen Seenplatte. An der Müritz, nach dem Bodensee, welcher ja mit zwei andern Ländern geteilt werden muss, dem grössten See Deutschlands, will uns Bruno an einen schönen Ort zum Mittagessen ausführen. Das lässt man sich schon gefallen. Autobahn-Fastfood reicht morgen auch noch. Waren ist so ein Ferienort im Naturschutzgebiet, wo wir uns in einem Restaurant, welches offensichtlich zu der Kette der Kartoffelhäuser gehört, wiederfinden. Die gleichen sandgefüllten Getränkekarten-Flaschen stehen hier auch auf dem Tisch und auch das bodenständige Angebot besticht. Ich lasse mich doch tatsächlich zu einem 400-grämmigen Riesenschnitzel mit Tomatenscheiben und Mozarella überbacken, verleiten. Nur nicht meinen, im Gegensatz zu Ruedi schaffe ich mein Ganzes! Mit einem Bier dazu zum 'Zämehebe'. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so viel Bier getrunken wie auf dieser Reise.
Alles weiter über die Autobahn, erreichen wir gegen Abend Dessau. Das liegt etwas südlich zwischen Berlin und Hannover, im Land Sachsen Anhalt. Wegen einer Veranstaltung kommen wir mit Mühe und erst noch in der verkehrten Richtung der Einbahnstrasse ans Hotel. Auf dem Platz vor dem Rathaus in unmittelbarer Nähe, steht ein Riesenrad und ein paar Chilbibuden. Dort müssen wir natürlich nach dem Nachtessen, welches wegen einem zähen Schweinsfilet nicht so umwerfend war, auf die Suche nach unserem obligaten Grappa danach. Marlis kommt mit aufs Riesenrad, so billig kommt man bei uns nicht dazu und die Fahrt dauert gut sieben oder acht Minuten, auf welcher wir gerade den Sonnenuntergang über Dessau bewundern können.

prost... ...und en Guete!!! unser Kapitän Rathaus in Dessau Sonnenuntergang vom Riesenrad aus

Während wir unterwegs waren, hat sich auf der Tribüne eine Band installiert und diese beginnt nun aus vollem Rohr unser Trommelfell zu malträtieren. Wir nehmen richtig Reissaus, denn das ist nicht zum Aushalten. Im Strassenbeizli vis-à-vis vom Hotel ist der Lärm zwar etwas erträglicher, dafür an dem noch freien Tisch die Hitze nicht. Etwas weiter bekommen wir unter Kastanienbäumen wenigstens einen Schlummertrunk. Man könnte hier auch den WM- Match Uruguay-Ghana verfolgen, aber hier hält man es ebenso wenig aus. Obwohl offene Feuerchen mit Tannenzapfen angezündet wurden, fressen einen die Mücken fast auf. Reissaus auch hier und heute gehe ich freiwillig ohne Grappa ins Bett. Wir haben mit unserem Zimmer noch Glück, denn wir sind in der obersten, neu aufgestockten Etage mit einer angenehm funktionierenden Klimaanlage. Andere waren nicht so gut bedient mit ihren heissen, alten Zimmern. Ein Ehepaar musste sich sogar nach der Reklamation ein Einzelzimmer mit nur einer Bettdecke teilen, während Elisabeth für sich allein ein Doppelzimmer bekommen hatte.

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