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Auch unser letzter Wandertag verspricht wieder strahlend zu werden. Ich bin schon "uuf und agleit" bis sich die Sonne im Osten langsam über den vielzackigen Horizont schiebt und ihr Gold langsam von den obersten Felsbändern des Cima di Fraccia, auf welchem die Schweizer Landesgrenze verläuft, bis zu unserer Alphütte herunterfliessen lässt. Die Ziegen sind aus ihrer Verbannung zurückgekehrt und wollen wohl gemolken werden. Neugierig und ungeduldig erobern sie sich langsam ihren Platz wieder zurück, von welchem wir sie gestern vertrieben haben. Hans schickt uns schon mal los, während er zusammen mit Herbert die Hütte noch fertig in Ordnung bringt, dass alles wieder so ist, wie wir es angetreten haben.
Unser Pfad steigt zuerst sachte an, führt aber im Grossen und Ganzen den angenehmen Höhenweg von gestern weiter, durch lichten Lärchenbestand, an vermoosten Wiesenwässerchen, der Alp Piei Bachei vorbei und immer wieder über Schneeresten, welche sich im Schatten tapfer gegen ihr Zerrinnen verteidigen. Von nah und fern hören wir den Ruf des Kuckucks. Noch habe ich Geld im Sack, also keine Beunruhigung. Aber gestern war Johanni und eine der Bauernregeln heisst: "Der Kuckuck kündet teure Zeit, wenn er nach Johanni schreit". Aber hier auf diesen Alpen ist ja jetzt erst Frühling und somit gelten die Bauernregeln wohl auch etwas später.
Noch schickt die Sonne ihre Strahlen von Osten her flach an manchen Felsvorsprung, welchen wir umrunden müssen und so aus dem Schatten heraustretend, geht für uns die Sonne heute ein paar Mal von neuem auf. Vor einer steilen Felswand angekommen, zweigt Hans vom angenehmen Wanderweg ab, wo sich ein kaum sichtbarer Pfad wieder über Lawinenkegel und durch Alpenrosengebüsch in die Höhe windet. Kein Wegweiser kündet die Abzweigung an, aber Hans ist sich seiner Sache sicher. Durch eine noch fast ganz mit Schnee ausgefüllte Schattenmulde, steigen wir die letzten 200 Meter auf unserer diesjährigen Sommerwanderung auf, hinein ins glänzende Licht des x-ten Sonnenaufgangs heute Morgen. Der Passo del Busan bildet bei 2006 Metern einen Übergang zwischen Creste und Pilone, welcher auch Schweizergrenze bildend, mit 2191.7 auf der Karte eingetragen ist. Diesen will man nun noch schnell, leichtfüssig und ohne Rucksack bezwingen. Dies nun aber entschieden ohne mich. Ich hatte jetzt gerade eben erfolglos probiert, meine Dampfwalze möglichst im Zaum zu halten und will ihr nun diese fast 200 Meter nicht auch noch antun. Ich gebe Lisbeth meinen Fotoapparat mit, damit ich auch von diesem Gipfelerlebnis eine Dokumentation habe.
Der Rundumblick zurück auf den Passo de Cavegna und die Alpe d'Arena hat die Anstrengung schon noch gelohnt, der Blick hinunter auf die italienische Fortsetzung des Onsernonetals jedoch hat aufziehende Nebel eines möglichen, bevorstehenden Gewitters für heute vorausgeschickt und lässt die Gipfelstürmer nicht lange verweilen. Ich habe inzwischen inmitten einer Wiese voll herrlich blühender Enziane meine Dampfwalze besänftigt und sauge den lichten Morgenglanz in mich auf, der aus nebligem Dunst über und zwischen den östlichen Berggipfeln erstrahlt. Etwas unterhalb des Passes leuchtet dunkelblau der kleine Saleisee, an dessen spiegelndem Ufer unser Wanderweg vorbeiführt.
Etwas später nimmt uns der Lärchenwald wieder gnädig auf. Es wird langsam immer heisser und ich bin froh, dass Hans nicht meine herausgezeichnete Variante genommen hat, denn die wäre nicht so schön im Schatten und auch viel steiler. Von da, wo die beiden Variantenwege zusammenkommen und wir die letzte Rast machen, ist der Abstieg immer noch steil genug. Bald erreichen wir auch schon wieder die vereinzelten Alpsiedlungen mit ihren steinernen Ruinen oder auch den gut zurechtgemachten Rustici, wo man seine Ferien in der Abgeschiedenheit verbringen kann. Treppen führen einen in die Tiefe, vorbei wieder an Madonnen und Bildstöckli bis die Dächer von Spruga unter uns in Sicht kommen und wo Marie-Louise, gerade am Picknicken, auf uns wartet. Herrlich, die Arme unter dem kalten Wasser des Brunnens dort abkühlen zu können. Aber am besten wäre nun doch zum Abschluss ein feines Bierchen oder ein Coupe. Hat es ein Restaurant hier im Dorf? Ja, noch ein paar Treppen weiter unten, dort wo die Postauto-Endstation ist!
Marie-Louise will noch ihr Joghurt fertig essen und zusammen mit Hans und Annigna kommen sie dann nach. Unten erwartet uns ein winziges Strassenbeizlein mit bunten Sonnenschirmen auf dem Dorfplatz. Allerdings kommen wir nicht mehr dazu, uns einen Platz unter den Sonnenschirmen zu sichern, denn just in dem Moment beginnen die ersten dicken Regentropfen des heute oben auf dem Busan angedrohten Gewitters zu fallen. Wir fliehen in die gute Stube des Restaurants, wo an den Deckenbalken hunderte von Boccalini aufgehängt sind. Hätten wir unsere letzte Rast noch länger ausgedehnt, müssten wir jetzt zum Abschluss mit Bestimmtheit nass aufs Postauto warten.
Marie-Louise ist gestern von Campo aus mit dem Postauto durchs Maggiatal zurückgereist und hat in Moghegna eine angenehme Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Bestimmt musste sie sich zeitig aufmachen, dass sie uns in Spruga, zuhinterst im Onsernonetal heute erwarten konnte. Sie kann uns nun den Rat geben, dass man im Bus auf der rechten Seite am meisten von der eindrücklichen Fahrt durch das ganze, wildromantische Tal hat, wo die kleinen Dörfchen weit oben in den Hängen, wie angeklebt scheinen und man sich fragt, von was die Leute hier eigentlich leben können.
Müde und glücklich, dass auch dies Jahr wieder alles gut gegangen ist, erreichen wir in Locarno schon den vierUhr-Zug. Ende September wären Knud und Lykke-Lise wieder in der Schweiz. Bis dann bin ich also gefordert, Bericht und Bildershow für den bereits obligaten Fotoabend vorzubereiten.
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