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Bei der Zugsabfahrt um halb zehn gibt's grossen Bahnhof. Jene besseren Hälften,
die morgen auf die Appenzellerwanderung gehen, sind erschienen, um uns adé
zu winken und mit den sonnigen Versprechungen der Wetterpropheten entschwinden wir
schon bald durchs Lötschbergloch über Visp ins Rhonetal. Bis unser
Postauto in Sion Richtung Derborence abfährt, reicht die Zeit noch gut
für einen Kaffee.
Zuerst geht's nun durch die prächtigen Rebberge von Conthey hinauf nach Erde
und Aven, wo man bereits von hoch oben einen herrlichen Ausblick übers
Rhonetal geniessen kann. Dann beginnt es abenteuerlich zu werden. Die Strasse wird
zum Strässchen und man meint, sie müsse viel zu eng sein für das
grosse Postauto. In unübersichtlichen Kurven windet sie sich dem immer steiler
werdenden Abhang entlang und begleitet vom stetigen Tü-ta-to dringen wir immer
weiter hinein in die felsige Schlucht. Es gibt Leute, die getrauen sich, diese
Strasse zu befahren, auch wenn es Zeit ist für den Postautokurs. Zweimal
treiben wir rückwärtsfahrende PWs vor uns her bis zu einer
Ausweichstelle, welche aber auch nicht sehr grosszügig bemessen ist. Bald hat
sich der Abhang in eine senkrechte Felswand verwandelt und die Strasse führt
durch viele, aus dem rohen Stein gehauene Tunnels weiter. Grosse Löcher lassen
wie in einer Galerie Licht herein und der Blick fällt immer wieder hinunter in
gähnende Abgrundtiefen, wo sich weit unten ein Wässerchen, die Lizerne,
durch das kiesige Geschiebe frisst, welches von den Steilhängen
herunterrieselt.
Endlich weitet sich die Schlucht nun zu einem offenen, bewaldeten Talkessel, der
drohend überwacht wird von den hohen, kahlen Felsen der Diablerets. Von dort
oben donnerten im 18. Jahrhundert in zwei riesigen Bergstürzen über 50
Mio Kubikmeter Gestein ins Tal und bildeten eine Barriere, welche nun den
jüngsten, natürlichen Bergsee aufstaut. An seinen Ufern und auf den
Geröllhalden hat sich ein richtiger Urwald gebildet, der heute noch in seinem
Originalzustand anzutreffen und geschützt ist.
Im Dortoir über der Gaststube des Restaurants im Refuge du Lac de Derborence machen wir uns erst mal unser erstes Nestchen schlupfbereit, bevor wir uns aufmachen, den idyllischen See, der zu unseren Füssen liegt, zu erkunden. Die ersten Jagdtrophäen können wir bereits auf unserem Chip heimnehmen, denn neben Brügglischwalben machen uns Waldvögelein und Stendelwurz ihre Aufwartung.
Einzig, das Wetter weiss noch nicht so recht, was es will. Ob es sich wohl an die
Vorhersage halten soll, welche heute und morgen noch vereinzelte Gewitter für
möglich hält?
Die Wirtin hat für uns einen Braten zubereitet mit Rüebli und
Kartoffelstock. Aber wir sind nicht die einzigen Gäste, denn ringsum hat es
doch noch verschiedene Ferienhäuschen und man benutzt wohl gerne die
Gelegenheit, im einzigen Restaurant weit und breit, an den gedeckten Tisch sitzen
zu können, denn die wilde Schönheit des Tales und der geschützte
Urwald mit dem Bergsee trägt sicher dazu bei, dass das Publikum dieses Tal und
die noch unberührte Natur besonders gerne besucht.
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