Home | 25. Juli 20125 | zum nächsten Tag |
Ich warte in der Unterführung in Chur auf meine Wanderfreunde, und bin
gespannt, wer nun alles mit von der Partie ist. Ich selber war diese Woche in
Pontresina, um meine Beine aufs Wandern vorzubereiten und meine Dampfwalze an
die Höhenluft zu gewöhnen. Das Wetter war perfekt und ich konnte
zusammen mit René jeden Tag lange Wanderungen unternehmen.
Bald ist der ganze Strom von Leuten, die mit dem Zug angekommen sind an uns
vorbei, aber kein bekanntes Gesicht war dabei. Zum Glück habe ich vorhin
mein Handy scharf gemacht, denn nun sucht mich Pascal. Sie seien oben auf dem
Perron. Ein Teil von ihnen will heute ein Stück der ersten Wanderetappe mit
dem Postauto fahren und hier in Chur ist der Postautobahnhof ja ganz modern
über den Perrons. Inzwischen haben Irene und Rainer, Knud und Herbert mich
gefunden. Wir müssten uns beeilen, denn das Postauto fährt in ein paar
Minuten. Ich muss mich also schnell entscheiden, ob ich auch mitfahren, oder von
hier aus starten will. Ich fühle mich ja jetzt eintrainiert genug und
zusammen mit Knud und Herbert nehme ich das Abenteuer Chur - Müstair 2015
in Angriff. Hingegen hat mich die Strecke auf asphaltierten Strassen durch die
Stadt, bis wir auf effektive Wanderwege stossen, schon beim Aufzeichnen des
Wanderprofils gestört. Vielleicht fährt ja ein Bus irgendwo an die
Peripherie. Wer könnte mich da besser beraten als dieser Buschauffeur, der
gerade am Ende seiner Tour eine kurze Zwischenpause macht. In zwanzig Minuten
fährt hier vom Bahnhofplatz der Zweier bis Meiersboden. Wir sparen uns
damit gerade die ersten drei Kilometer Teerstrasse und eine gute
Dreiviertelstunde. Der ganze Aufstieg von heute über 1000 Metern bleibt uns
aber auszukosten. Für Pascal ist es auch besser so, dass er nicht am ersten
Tag "so gäch" dreinfährt. Es ist noch keinen Monat her, dass er mit
einer Lungenentzündung im Spital war und ausserdem hat er null
Höhentraining. Er weilte noch diese Woche in Dänemark an der Nordleik.
An der Endstation, noch ganz unten an der Plessur beginnt nun bereits der
Anstieg, meist durch angenehm schattigen Wald und rasch gewinnen wir an
Höhe, überqueren bei Passugg die Postautostrasse und gleich geht's
weiter wieder durch Wald und Feld . Bei einem Bauern plätschert im Hof der
Brunnen. Da muss ich mir gerade meine Flasche mit richtigem Passugger
auffüllen. Es ist zwar nicht von der eigentlichen Mineralquelle, an dieser
Abfüllstation sind wir gar nicht vorbeigekommen. Etwas oberhalb Grida geht
es wieder in den Wald und man hat bald das Gefühl, dass nun der
grösste Teil des Stutzes bezwungen ist.
Plötzlich stutze ich, denn die Stecken und Tannzapfen, die auf dem Weg
liegen, scheinen eine bestimmte Ordnung zu haben. Es heisst etwas wie HERE..
Jetzt sehen es auch die andern, Herbert ist zwar bereits darüber hinweg
marschiert. Das Zeichen, dass die andern hier waren und wir auf dem richtigen
Weg sind: KNUT, RITA und HERBI heisst es. Die andern, das sind Pascal, Irene,
Rainer und Prisca sind also mit dem Postauto bis Grida (914m) gefahren und sind
uns vielleicht etwa eine Stunde voraus. Der Einschnitt des Steinbachtobels
beschert uns auf dem nun ebener gewordenen Weg nochmals ein Auf und Ab und
eigentlich ist mal Zeit, um auf einem Bänklein einen Apfel zu essen, als in
meinem Bauchkiosk das Handy zu vibrieren beginnt. Die andern sind nun in Praden
bei der Abzweigung, wo man sich entscheiden muss, ob zu Fuss weiter bis hinauf
ins Furgglis, oder nach Tschiertschen weiter und sich von dort mit einem
Alpentaxi chauffieren zu lassen. Wir stellen fest, dass wir gar nicht mehr weit
voneinander entfernt sind und wir fühlen uns für eine weitere Stunde
Aufstieg noch fit genug. Kurze Zeit später treten wir aus dem Wald und auch
wir haben das Dörfchen Usser-Praden erreicht. Auf der
gegenüberliegenden Hangseite, auch in der Höhe, Maladers und weit
zurück, tief unten ist noch ein bisschen von Chur sichtbar.
Das mit der Unterkunft auf einer Alp habe ich noch gar nicht mitbekommen und ich finde das Furgglis auch nicht auf meiner ausgedruckten Karte mit der heutigen Route. Zufällig habe ich letzte Woche entdeckt, wie ich mit dem GPS im Handy umgehen muss und habe auch die meisten Karten unserer diesjährigen Tour darauf speichern können. Diese Via son Giachen, oder Jakobsweg Graubünden, dem wir auf einem Grossteil unserer Sommerwanderung folgen, konnte ich mit Route, Karte und Wanderbeschreibung gratis auf mein Handy herunterladen und kann diese zu Rate ziehen, ohne dass man dazu Internetverbindung braucht. Dort, noch dreihundert Höhenmeter oberhalb Tschiertschen finde ich das Symbol einer Gastwirtschaft und auch den dort hinauf führenden Weg. Hier ist aber alles gut signalisiert und nach einem kurzen Teerstück durchs Dorf, folgen wir den andern auf dem nun wieder steiler werdenden Pfad den Wald hinauf. Es wird nun immer düsterer und endlich kommen wir aus dem Wald. Eine Sennhütte und Alpweiden mit Kühen, die uns auf der Strasse neugierig beäugen. Wir sind aber erst im Untersäss und laut Wegweiser auf 1500 Meter. Das Furgglis liegt noch viel weiter oben auf 1662 m, dort oben, wo der Wald inzwischen in grauem Nebel am Verschwinden ist.
Nach fast dreiviertel Stunden ist es geschafft und wir können bei einem freundlichen Wirt im Berggasthaus in der warmen Stube endlich die müden Beine unter dem Tisch ausstrecken. Die andern sind knapp eine halbe Stunde vor uns angekommen und während wir noch keine zehn Minuten hier sind, wird draussen ein richtiger Regenvorhang gezogen. Da wäre uns eine warme Dusche doch lieber, jedoch Rainer warnt uns, das Wasser sei noch nicht warm. Der uralte Boiler habe manchmal seine Macken, wie uns der Wirt erzählt und brauche nicht selten mehrere Stunden bis einen ganzen Tag, aber das kümmere die Bahngesellschaft, die dafür verantwortlich wäre, keinen Deut. Da wäre ja der Hot Pot, -Tub, Tünni, oder wie immer man diese heizbaren Badebottiche nennen soll, von welchen einer draussen im Garten steht, noch schneller.
So verkrieche ich mich heute nach einem wohlverdienten, wunderbaren Nachtessen aus Cordonbleu mit Pizokels und Bohnen nur mit geputzten Zähnen, ansonsten ungewaschen im Frauenschlag in die unterste Etage des dreistöckigen Kajütenbettes. Ich könnte mir vorstellen, dass man in den Katakomben noch mehr Platz hatte, aufsitzen im Bett kann man vergessen. Zum Glück haben wir Frauen wenigstens die zweite Matratze neben uns zur Verfügung.
Home | 25. Juli 20125 | zum nächsten Tag |