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Ein reichliches Frühstück gibt uns den nötigen Boden für
unsere heutige Etappe, die uns nun über Tschiertschen, hinunter nach
Molinis und dann etwas in der Höhe bis nach Langwies und von dort bis nach
Strassberg im Fondei führt. Das schöne Wetter wartet draussen schon
auf uns und bis wir ordentlich gesattelt und abmarschbereit sind, erbietet sich
der Wirt, von allen noch die Startfoto zu schiessen.
Von hier aus ist die Route nicht immer so ganz klar und irgendwie sträubt
man sich zu glauben, dass soviel davon Teerstrasse sein muss. Wegen dem
Ruchtobel ist es nötig, dass wir bis Tschiertschen absteigen und von dort
ist auch der Jakobsweg als Route Nr. 43 wieder ausgeschildert. Irgendwie
logisch, dass der auch immer wieder durch die Orte führt und auch, dass
diese Ortsverbindungen heute überall Hartbelag aufweisen. So haben wir auf
unserem Pilgerweg statt Erbsen in den Schuhen, halt öfter mal Teer unter
den Füssen.
Ansonsten geniessen wir heute einen schönen und sonnigen Wandertag, vorbei
an einer alten Mühle, einsamen Gehöften und Schobern und vielen
plätschernden Brunnen, welche sich als prickelnde Kneipp-Gelegenheiten
anbieten. Die Unterarme bis zum Ellbogen ins eiskalte Wasser getaucht,
vermittelt augenblicklich neue Energie und frischen Tatendrang. Am
gegenüberliegenden Hang die Schanfigger Dörfer St.Peter und Peist und
ab und zu windet sich auch der rote Wurm der RhB durch Tunnels und Viadukte
über grüne Wiesen und Wälder.
Bei der Rast an einer Schweizer Familien-Feuerstelle sondiert Pascal mal vor, ob uns der Wirt vom Strassberg möglicherweise mit einem Büslein in Langwies abholen könnte. Ausserdem muss er ihm sanft beibringen, dass wir nun nur zu sechst sind, statt wie gemeldet Acht. Eigentlich hatte sich nämlich auch noch Hanspeter angemeldet, aber erschienen ist er dann doch nicht und Prisca hat Pascal gestern im Zug nahegebracht, dass sie nun heute von Langwies aus wieder heimfährt. Sie will allerdings dann in Schuls wieder zu uns stossen und mit ihrem Partner Daniel die Wanderung nach Müstair mit uns zusammen noch beenden. Für den Fahrdienst müssen wir allerdings ein Taxiunternehmen beordern, welches die Bewilligung für die Strasse ins Fondei besitzt. Wir rechnen, dass wir bis 16 Uhr in Langwies sein werden.
Wahrscheinlich auch wegen dem Trümmeltaltobel, welches durch arge
Murgänge auch ziemlich trümmlig aussieht, müssen wir bis Molinis
an die Plessur auf 1040m hinunter absteigen und der Weg, der dort beginnt, ist
zwar ein Fahrweg, aber wenigstens nicht geteert. Langsam aber stetig steigt er
an bis auf 1450 m und gilt auch als Mountainbikeroute.
So kommen wir vor dem Langwieser-Viadukt wieder in besiedeltes Gebiet. Ein
Aussichtsturm gewährt einem einen Überblick über den imposanten
Bogen der bereits vor 100 Jahren erbauten Eisenbahnbrücke. Sie hat eine
Spannweite von fast 300 Metern und ist 62 Meter hoch. Nur betreten darf man sie
nicht. Diese 62 Meter müssen wir noch ins Tal absteigen, unten die Plessur
überqueren und dann wieder hinauf. Man kommt dabei an einem gepflegten
Picknickplatz mit Grill und Spaltholz und skurrilen Holzskulpturen vorbei, aber
vor allem mit einem Brunnen, dessen Wasser in einen langen, ausgehöhlten
Baumstamm plätschert. Jetzt kommen nicht nur die Arme dran, sondern stereo,
wie zwei Störche stacksen Priska und Irene im Trog herum. Freundlicherweise
hat jemand die Abfahrtszeiten der Züge in beiden Richtungen hier
angeschlagen und auch, dass man bis zum Bahnhof noch eine Viertelstunde rechnen
muss. Das reicht also noch gut und prickelnden Fusses kommt man am Bahnhof an.
Das würde sogar noch für einen Abschiedstrunk reichen, bevor Priscas
Zug kommt, aber hier ist erst der Bahnhof, ins Dorf geht's nochmals zehn
Minuten. Uns reicht auch das noch gut für ein Bierchen, denn das Taxi wurde
nun auf halb fünf bestellt. Prisca aber bleibt beim vier-Uhr-Zug.
Während wir noch Adé winken, kommt das Taxi, also bleibt keine Zeit
für eine nähere Dorfbesichtigung oder um den Stall voll Oldtimer auch
zu sehen, welche Knud entdeckt hat, als wir noch am Kneippen waren. Aber wie man
hier beim Tourismusbüro auf der andern Strassenseite Gwafför schreibt,
muss doch in meine Schildersammlung. Die vermieste Katze vorhin in Tschiertschen
habe ich leider nicht gesehen.
Immer höher schraubt sich nun unser Taxi im Wald den Berg hinauf und immer
tiefer unten verschwinden am Schluss die Häuser von Langwies und immer
erleichterter konstatiere ich, dass das Taxi diese 20 Franken mehr als nur Wert
ist - das hätte ich heute zu Fuss nicht mehr geschafft!. Imposant
öffnet sich das Tal unter uns und ein moränenartiger Erosionshang auf
der gegenüberliegenden Seite fasziniert. Dann führt die Strasse, die
nur für Berechtigte befahrbar ist, durch lange Galerien den senkrechten
Felsen entlang. Präzision ist vom Fahrer gefordert, da muss man ‚d
Ohre hinderelitze'! Und dann öffnet sich das Fondei, dieses wunderbare
Hochtal über der Waldgrenze, welches die Walser von Davos her besiedelt
haben.
Wir erreichen gegen fünf Uhr das Berggasthaus Strassberg und die Zeit
reicht noch für einen Rundgang durch das Örtchen und auch, um den
Wegweiser für morgen auszukundschaften. Etwas auf der Höhe liegt die
alte Alpkäserei und die Leute kommen mit dem Milchkessel und holen bei der
Sennerin mit der umgebundenen Gummischürze frische Milch. Wo man Käse
macht, gibt es auch immer gutes Futter für die Schweine und so entdecke ich
auf dem Hof nebenan durch ein herziges Guckloch eine kleine Schweinerei mit
lauter zweifellos glücklichen Säulein, mein Juli-Monatsbild.
Die viele frische Luft heute hat hungrig gemacht. Gut gibt's schon um halb
sieben Nachtessen. Schon das auf eine Schiefertafel geschriebene Menu tönt
gut: Bunter Sommersalat, Kalbsgeschnetzeltes mit Gemüsemaccaroni und zum
Dessert Ivaparfait mit Früchten. Der Koch versteht sein Handwerk, alles
schmeckt wunderbar und uns nimmt nun wunder, was das Ivaparfait sein soll. Das
sei eben mit Iva-Schnaps verfeinert. Es schmeckt nicht schlecht und nun
möchte ich doch wissen, wie dieser Schnaps allein denn so schmeckt. Der sei
selbstgemacht und hier in der Gegend hat sicher jede Familie ihr eigenes Rezept,
wie lange man das hier oben gesammelte Iva-Kraut im Kernobstbrand an der Sonne
reifen lassen muss. Iva ist die Moschus-Schafgarbe, die auf steinigem Boden
über 1500 bis weit über 3000 Metern wächst. Die Wirtin bringt uns
die Flasche, in welcher das Kraut vom letzten Jahr im Keller nun seine Wirkung
entfaltet hat und welches man nun vielleicht wie einen Appenzeller oder Enzian
bei Appetitlosigkeit, Erkrankungen von Magen, Darm und Leber oder auch bei
Nervenschwäche anwenden kann. Natürlich müssen wir davon auch en
nature probieren, als Verrysserli oder einfach anstelle des Grappas nach dem
Essen.
Nachher kann man dann in den Zweierzimmern mit den karierten Duvets noch besser
schlafen.
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