zum vorherigen Tag 27. Juli 20125 zum nächsten Tag

Der Morgen bietet uns beim Blick aus dem Fenster ein herrliches Schauspiel. Die ersten Sonnenstrahlen, die gerade hinter dem Matjischhorn hervor die Alpweiden im Fondei abtasten wollen, müssen zuerst den ganzen Talkessel voller heraufquellenden Nebels glattstreichen. Es gibt einen Kampf gegen die Sonne und von der Weissfluh her kommt Unterstützung mit dunkelgrauen Wolken, sodass wir nach dem Frühstück in eine eher trübe Landschaft losmarschieren müssen. Man weiss wieder nicht, ob man nun den Regenschutz schon anziehen will oder nicht. Wir warten's mal ab, denn kalt ist es eigentlich nicht.
Obwohl es heute über einen Pass geht, ist der Aufstieg recht sanft, nur etwa zweihundert Höhenmeter Differenz zum Fondei. Die Landschaft ist beruhigend, mit Moorwiesen und greinaähnlichen, mäandernden Bächlein, weit abgeschieden von den nächsten Nachbarn, ab und zu mal wieder ein einsames Gehöft. Die Familie Berger, wohl der hinterste Hof der Streusiedlung im Fondei, bietet in ihrem Hofladen Strassberger Alpkäse an. Der "Laden" ist etwa so gross wie ein Milchkasten und die Anleitung, wie man zu einem Stück 2015er oder einem etwas reiferen 2014er Käse kommt, ist genau aufgelistet: 1. TÜRE auf, 2. KÄSE raus, 3. TÜRE zu, 4. BEZAHLEN! Vielen Dank! und ein Pfeil weist auf einen Kässelischlitz. Wenn man die Tür aufschiebt, kann man aus der linken Hälfte des Kastens ein Stück vom gewünschten Käse auswählen. Ein Stück zu 250 Gramm, sauber eingeschweisst, kostet 5 Franken. Wenn man die Tür wieder schliesst, schiebt sich der Kässelischlitz wieder vor die rechte Hälfte des Kastens und das Geld fällt dort hinein, wo man keinen Zugriff hat. Ein cleveres Patent. Irene nimmt vom Reiferen und ich vom Neuen und beim Picknicken können wir dann gegenseitig probieren.

die Streusiedlung im Fondei in Strassberg so sehen Murmeltiere aus der Hofladen bei Bergers Greina-Bächlein

Ab und zu hört man die schrillen Pfiffe der Murmeltiere. Diesmal sollte es doch eher in der Nähe sein? Auf einem Erdwall entdecken wir zwei muntere Spielgesellen. Knud macht gerade eine patentreife Erfindung. Er benützt den Feldstecher als Fernrohr vor dem Auge der Handy-Kamera und das Ergebnis ist umwerfend. Er kann die Burschen noch näher heranholen als ich mit meinem 20-fach Zoom, auf welches ich mir immerhin etwas einbilde.
Rainer hingegen, den wir auf die Murmeli aufmerksam machen wollen, geht weiter und murrt, er wisse ja, wie Murmeltiere aussehen. Es ist wohl langweilig mit uns, vorhin musste man schon wegen des Käses auf uns warten.

am Duranna-Pass der grasgrüne Grünsee schon Obersäss Fuchs'sches Geisskraut und blauer Eisenhut Weidenröschen in Germer- und Enzianwiesen

Wir sind aber trotzdem gut vorangekommen, denn eh man sich's versieht, ist man schon am Durannapass angelangt. Rechts daneben in sattem Grasgrün der Grünsee und eine einzelne Ente im Schilf. Wie die wohl hierher gefunden hat? Der Wegweiser für den Walserweg, der von Langwies nach Klosters führt, möchte uns dorthin über Kreuzweg und Casannapass lotsen, wir haben aber den Weg übers Fideriser Obersäss und die Conterser Schwendi herausgesucht. Ausserdem tönt Conterser Schwendi gut, denn da kommt bei mir gerade etwas wie Heimweh auf. Erinnerungen an die Fahrten, die ich im Winter mit Edith, die mir das Skifahren beigebracht hat, vom Weissfluhjoch oder gar -Gipfel bis nach Küblis genossen habe. Eine Einkehr in der Conterser Schwendi war geradezu ein Muss und gerne würde ich auch heute dort einkehren. Ich verspreche allen, dort eine Runde auszugeben.
Nur eine Viertelstunde nach dem Pass kommt schon das Obersäss in Sicht. Das Wollgras in den moorigen Wiesen wird abgelöst durch das golden leuchtende Fuchssche Geisskraut, welches ergänzt mit blauem Eisenhut und den weissen Wolken am Himmel meinen Fotroapparat gerade wieder heiss laufen lässt. Willkommen im Prättigau!

Iva oder Moschus-Schafgarbe über Bäche in der Conterser Schwendi auch die Serneuser Schwendi ist verlassen der Bach hat gewütet

Dann kommen Weidenröschen in Germer- und Enzianwiesen, Bäche sind zu überqueren und immer wieder habe ich die Möglichkeit, Schafgarben zu knipsen. Sie sind weiss oder rosa, haben meist gefiederte Blätter, aber einmal auch deutlich anders. Ich werde damit dann daheim die Moschus-Schafgarbe bestimmen. (Ich fand sie unter meinen Jagdtrophäen, aber es war jene, die ich im Süsertal drüben dann auf steinigem Boden gefunden habe.)
Schon kommt jener Hang, wo man zwischen tief verschneiten Tannen zum letzten Schwung ansetzte und dann liegt die Conterser Schwendi vor uns - einsam und nüchtern, kein Gerangel um freie Sonnenplätze auf der Terrasse. Wegen ZU geschlossen! Also lassen wir halt den Schwendikafi links liegen und stechen in die Tiefe, aber auch im Schiefer könnte man höchstens an einem Automaten irgendwelche Getränke bekommen. Verwaist auch die Bahn aufs Weissfluhjoch, die ebenfalls nur im Winter betrieben wird. Am Weg bis Klosters sind ja noch mehr Bergwirtschaften, wie zum Beispiel die Serneuser Schwendi und irgendwo müssen doch auch Sommerwandrer einkehren können! Aber auch dort, wo nun wirklich eine Rast fällig ist, wächst auf der Sonnenterasse meterhoch Unkraut und geduldig wartet man bis es wieder schneit und dann das Getöse wieder losgeht. Der Tag hat sich heute doch noch zu einem sonnigen und warmen Tag gemausert und nun müssen wir halt unsern Durst aus der Feldflasche löschen. Ich freue mich jetzt auf das letzte Teilstück, vor allem das von hier bis zum Cavadürli, welches ich mit den Ski besonders geliebt habe. Bis zum Brüggli im Drostobel, dann über eine Wiese und noch etwas durch den Wald, wo man die Ski einfach so schön gemütlich durch den weichen Schnee fahren lassen konnte. Aber auch hier sieht es heute ganz anders aus. Brüggli, wo bist du? Ein Murgang hat das Bachbett hier garstig ausgewaschen und für eine Weile die Strasse als Fluss missbraucht. Ausgefranstes Schwemmholz, Geröll und Steine begleiten uns noch ein gutes Stück des Weges.
Von hier aus auch erster Sichtkontakt mit dem Alpenrösli, hoch über Klosters, weit oben am Waldrand. Wegen mir fährt im Cavadürli gerade eben ein Zug ein, der auf irgendwessen Verlangen sogar anhält. In der Rüti plätschert wegen Irene nochmals ein Brunnen zum Kneippen und dann kommt der Endspurt hinunter zur Gotschnabahn-Talstation. Von hier fährt unter anderem ein Bus in die Nähe zum Alpenrösli hinauf, aber zuerst gibt's im Alpina nun endlich ein kühles Bier und im Konsum Ersatz für das Duschmittel, das im Strassberg liegen geblieben ist und beim Postomaten Nachschub im Portemonnaie; wer weiss, wann wieder eine Gelegenheit kommt. Pascals Feldstecher, der ebenfalls noch im Fondei liegt, wird unten in Langwies in der Wirtschaft zwischengelagert, bis man demnächst dann einen Ausflug dorthin macht. Unterdessen ist nun der letzte Bus zum Alperösli weggefahren. Eigentlich gut, denn mit dem Gotschnataxi werden wir für 6 Franken pro Person bis vors Haus chauffiert, von der Busstation wäre es wohl noch ein gutes Stück Fussmarsch gewesen. Vom Wanderweg reden wir gar nicht, der sei dem kanalisierten Bach entlang bis dort hinauf langweilig.

erster Blickkontakt mit dem Alpenrösli Empfang mit überquellenden Blumentrögen gediegenes Ambiente Kotelette Spezial ...und Knusper-Rösti

Im Alpenrösli wird man mit überquellenden Blumentrögen empfangen, von der Wirtin allerdings ein bisschen frostig. Pascal muss einen Rüffel einstecken, denn heute, wo jeder ein Handy hat, könnte man melden, wenn nur sechs Betten angezogen werden müssen, statt deren neun. Tatsächlich steht für uns unter dem Dach ein offensichtlich nagelneues Massenlager mit 14 Schlafplätzen bereit. Neun davon sind mit weissen Daunenduvets und Bettwäsche ausstaffiert, blitzblank und perfekt, nur dass wir heute das Glück haben und keine nassen Kleider aufhängen müssen. Kein einziger Haken ist dafür vorgesehen und um in die beiden oberen Kajütenbetten zu kommen, ist auch keine Leiter oder sonst übliche Kletterinstallation vorhanden. Rainer und Irene getrauen sich in der Nacht grad nicht auf und am Morgen kommt sie ohne Hilfe trotz zwei Stühlen schon gar nicht aus dem Bett.
Aber sonst ist diese Herberge hier ein Hit. Hierher kommt man, wenn man gediegen ausgeht. Das Berghaus Alpenrösli landete letztes Jahr im Fernsehen auf der kulinarischen Reise durch ‚mini Beiz, dini Beiz' auf dem 1. Platz. Gediegen ist der Tisch gedeckt und umwerfend das Menü. Das Kotelette ist so dick, wie nie und die Rösti so knusprig, wie schon lang nicht mehr. Wir befinden uns dieses Jahr auf unserer Sommerwanderung wohl auch auf kulinarischen Höhenflügen.

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