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Die Luft ist wie frisch gewaschen und drüben am Gotschna tastet die Sonne
nach der nebelumschleierten Bergstation der Seilbahn. Die Wirtin ist heute extra
für uns um halb acht mit frischem Brot vom Beck heraufgekommen und hat
neben all den andern feinen Sachen auch ein exklusives Müesli gemacht. Die
Verwöhnung von gestern findet heute ihre Fortsetzung.
Um halb neun ist Abmarsch und vorbei geht's an der Lawinen- und Bachverbauung
in Richtung Monbiel. Eigentlich erwartete ich, dass der Weg dorthin sanft
hinunter geht, aber es scheint, dass wir vorher noch was verdienen müssen.
Wann lerne ich endlich, eine Karte richtig zu interpretieren? Wir kommen zuerst
über die Alp und dann langsam hinunter bis zur Landquart in Monbiel, wo
beim Parkplatz Holzbildhauer ihr Freilichtatelier haben. Bald queren wir das
kiesige Flussbett und begleiten dieses bis zur Alphütte Novai, wo die
Wasser des Verstanclabachs und des Vereinabachs zusammenkommen und fortan als
Landquart Richtung Klosters fliessen.
In den kiesigen Wassern gibt es nun zuerst noch eine Kneipprunde und dann ist
man fit für den Aufstieg auf die Stutzegg, die ihren Namen voll verdient,
meine ich jedenfalls. Anderer Leute Papa joggen noch vor dem Frühstück
hinauf ins Vereina-Berghaus, wo man sich mit der Mama und den beiden Kindern,
die mit dem Vereinabus dorthin gekommen sind, zum ge-meinsamen
Frühstück trifft. Nun ist die Familie frischfröhlich bereits
wieder auf dem Abstieg und kann bereits mit unserm keuchenden Gejapse Mitleid
haben. Während man kneippte, ist Pascal ist auf diesem steilen Stück
bereits vorausgegangen, damit er seiner Lunge zuliebe seinen ganz eigenen
Rhythmus einhalten kann.
Es ist schon bald halb eins und eine Picknickpause wäre bald fällig.
Per Handy sprechen wir mit Pascal ab, dass er beim Bänkli bei der
Abzweigung, bei welchem er nun angelangt ist, auf uns wartet. Wir wollen nun was
futtern. Wir haben ihn jetzt beinahe eingeholt. Hätten wir geahnt dass sich
hundert Meter weiter eine schöne Lichtung mit Häuschen und Brunnen vor
dem Tore zwischen den Tannen ausbreitet, hätten wir unser
Picknickgelüste schon noch zurückbinden können. So gibt es
wenigstens wie zum Dessert noch anstatt einen Kaffee, eine Runde Kneippen im
Brunnentrog.
Eine halbe Stunde später haben wir dann den ärgsten Stutz bezwungen
und oben auf der Stutzalp, nomen est omen, laben sich unsere Augen an etwas
weniger steilen Alpweiden und spiegelnden Seelein.
Nur noch eine kleine Stufe, die uns nach einem kurzen, nochmaligen Aufstieg
über ein liebliches Hochmoor und durch einen Wald von niedrigen
Legföhren den Blick auf unser Ziel, das Vereina Berghaus freigibt. Wie eine
Burg auf einem eigenen kleinen Hügel liegt sie in der kleinen Senke, in
welcher sich der Vernelabach und der Jöribach zum Vereinabach vereinen und
wo laut Karte 600 Meter tiefer unten der neue Vereinatunnel durchführt.
Die Terrasse vor dem Haus ist ziemlich besetzt. Da warten wohl die meisten auf
die Abfahrt des fahrplanmässig verkehrenden Vereinabusses.
Der Wirt öffnet für uns die Dependance, die Villa Holzschopf, wo wir uns in zwei Räumen mit Etagenpritschen (14 Schlafplätze mit rot/weiss-karrierten Duvets) breit machen können. Es komme sonst niemand. im Hinterzimmer gibt's Toilette, Waschgelegenheit und sogar eine Dusche. Dann wollen wir doch mal, allein schon wegen dem Duft, der den Füssen entströmt, kaum hat man die Schuhe ausgezogen. "90 Sekunden warten, dann kommt's warm" heisst es über der Armatur. Also zuerst Wasser laufen lassen und bis ich mich ausgezogen habe - ist's immer noch kalt. Warten wir also nochmals 90 oder gar 500 Sekunden - immer noch kalt. Der Plättlibiden fühlt sich mit den nackten Füssen auch ziemlich kalt an. Es sind sicher schon bald fünf Minuten und nun verleidet es mir. Schliesslich sind wir doch ziemlich erhitzt und so geniesse ich gute 90 Sekunden lang eine erfrischende Dusche. Dann ist Rainer dran und er jauchzt beruhigend, "jetzt kommt's warm!" und mit verschwörerischem Ton: "niemandem sagen - es ist immer noch kalt!" Ich benutze die Gelegenheit gerade, um Hemd und Bluse auszuwaschen, ebenfalls mit kaltem Wasser. Während alles nun beim schönen Abendsonnenschein und dem aufkommenden Wind bei der Rutschbahn draussen trocknen kann, bestelle ich mir auf der Terrasse mein wohlverdientes Bierchen. Der Wirt hat sich inzwischen der Klagen angenommen und nachgeschaut. Jetzt sei's gut, er habe sich fast die Finger verbrannt. Also macht sich Irene auf den Weg, um zu duschen. Knud hat inzwischen herausgefunden, dass der Temperaturunterschied zwischen Warm- und Kaltwasserhahn immerhin etwa zwei Grad betrage. Ganz am Schluss kommt Herbert triumphierend - er hat alle drei Warmwasserhahnen im Waschtrog geöffnet und am Schluss war für ihn das warme Wasser da und die ganzen 100 Meter Leitung vom Berghaus zur Villa durchgespült.
Es ist nun ruhiger, die meisten Gäste sind mit dem Bus gegangen und wir
warten aufs Znacht. Es scheint, dass wir auf unserer kulinarischen Tour nicht
aus der Übung kommen. Um halb sieben wird der Tisch gedeckt und wir werden
wieder verwöhnt mit 4 Schnitzeli an Champignon-Rahmsauce gemischtem
Gemüse und Schoggimousse-Dessert.
"Nimmt noch jemand Kaffee? nein? - aber Grappa!" Ungefragt stellt der Wirt eine
Flasche auf den Tisch und dazu sechs Gläser, von ihm spendiert. Ob das
Warmwasserdebakel wohl die Ursache ist oder als Trost, weil draussen die Nebel
zu wallen beginnen?
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