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Am Morgen nach dem Frühstück ist schon wieder Abschied. Knud und Lykke-Lise wollen mit dem ersten der drei Postautos zurück nach Splügen fahren, denn die Reise allein ist für sie heute ausreichend. Ich selber scheute mich auch vor dem Gedanken, die ganze Strecke der geschätzten vier Stunden für heute mitsamt möglichem Stress, pünktlich noch aufs Postauto zu kommen, durchhalten zu können. Noch in Montespluga meinten wir, diese drei Postautos seien die einzigen und keines von denen macht einen Halt zwischen Chiavenna und Campodolcino. Jetzt haben wir aber entdeckt, dass es sehr wohl Bushaltestellen gibt zwischen Chiavenna und Madesimo, wo man in etwa drei Ortschaften die restliche Strecke für heute noch etwas abkürzen und bis Chiavenna zum Bahnhof fahren kann. Dort hat man dann ausserdem die Möglichkeit, über den Maloja und St. Moritz heimzufahren, was mir noch sehr verlockend vorkommt, denn ich habe für heute eine Tageskarte im Sack.

auch Don Luigi Guanella in Campodolcino winkt morgendlicher Spiegel im See Hängebrücke für alle Fälle verlassene Heimetli über Hängebrücken

Nachdem wir uns nun gegen halb neun bei der Haltestelle von unseren Dänischen Freunden und dem Postauto wie in einem Fussballstadion mit einer veritablen Welle verabschiedet haben, machen wir uns mit unseren, die ganze Woche auf dem Buckel getragenen Säumerlasten auf die letzte Etappe unserer Via Spluga-Wanderung. Immer noch geht's dem Liro entlang, der aber bereits bei der nächsten kleinen Ortschaft zu einem See gestaut wird. Ruhig und klar ist sein Wasser und man könnte es heute Morgen wohl fast als Rasierspiegel benutzen. Bis ins kleinste Detail wirft es das Bild der Staumauer und der ganzen Häuserzeile an seinem Ufer auf dem Kopf zurück. Dann zieht sich das Tal noch ziemlich eng dahin, manchmal gerade Platz für ein paar Häuser oder Ställe, vielerorts sind sie aber verlassen oder gar nur noch Ruinen. Zweimal müssen wir den Liro auf Hängebrücken überqueren und einmal passieren wir eine Furt über einen Seitenbach, der von den steilen Hängen herunter kommt. Von Bach oder Wasser sieht man allerdings nichts. Im Moment ist sie lediglich ein etwa 50 Meter langes, mit Granitplatten gepflastertes Stück der Zufahrtsstrasse zum Weiler Vho. Erst wenn man sich Gedanken darüber macht, wozu diese Hängebrücke auf massiven Betonpfeilern auf etwa fünf Metern Höhe dienen soll, realisiert man, dass die Wasser des Baches vom Berg her zwischen zwei Mauern geleitet, wohl ziemlich ungemütlich werden können.

Kastanienwälder ich lasse sie allein weiterziehen am Lauf des Liro in Gallivaggio dem Wallfahrtsort

Nun sieht man bereits durch die Kronen von Kastanienbäumen auf der andern Fluss-Seite die Spitze eines Kirchturms. Wir haben gerade etwa die Hälfte der heutigen Strecke. Es ist Gallivaggio mit einer Bushaltestelle und ich beschliesse, dass es für mich heute genug ist. So kommen die andern auch in einem flüssigeren Tempo noch weiter voran. Ebenfalls über eine leicht schwankende Hängebrücke komme ich über den Liro und das Weglein führt mich direkt zur Haltestelle, welche sich beim Parkplatz vor dem Restaurant, das wohl ebenso, wie der Friedhof und die Kirche, zu einem Wallfahrtsort gehört.
Unbeabsichtigt ist also mein Ziel auf dieser Wanderung sogar eine Wallfahrtskirche. Viele Wege führen eben nach Rom.
Bis mein Bus kommt, habe ich nun fast zwei Stunden Zeit, um im Schatten in der Gartenwirtschaft meinen Durst zu löschen und meine Beine auszuruhen. Auf der Strasse, die nach einer S-Kurve oberhalb des Restaurants über eine moderne Bogenbrücke führt, hat's noch ziemlich Verkehr. Das Zuschauen gestaltet sich ausnahmsweise richtig unterhaltend. Im ersten Moment finde ich es zwar nicht so lustig, als zwei veritable Rennautos am Strassenrand gerade vor meinem Tisch anhalten und auch nach längerer Zeit den Motor nicht ausschalten. Schnell vertreiben mich die Abgase auf die andere Strassenseite zum Parkplatz hinüber. Einkehren wollen die Fahrer aber nicht, sie warten. Plötzlich sind sie da - eine ganze Anzahl weiterer Boliden kommen die Strasse herauf und nun wollen die beiden Vorausfahrer auch weiter. Jetzt ist auch klar, warum sie den Motor nicht abgestellt haben. Vielleicht hat es der Hintere der beiden gemacht, der kommt nun nicht weg und nachdem nun alle Kollegen passiert haben, muss dieses wunderschöne Auteli über den breiten, rot/weiss leuchtenden Fussgängerstreifen auf die andere Seite zum Anschieben gestossen werden. Ein Bild für Götter!

rassiges Rennauto San Giacomo Filippo Chiavenna was zum Heimbringen und sie sind auch schon da!

Bald kommt auch mein Bus und bequem kann ich jetzt den Verlauf des weiteren Teils des Weges überblicken. Im nächsten Ort S.Giacomo Filippo steigt nun auch Katrin ein, auch für ihre Knie ist es jetzt genug. Eine kurze Zeit später können wir auch den übrigen Vier noch aus dem Bus zuwinken. Ein ganz kleines Stück führt der Wanderweg nahe der Strasse entlang und genau zur gleichen Zeit fährt unser Bus an diesem Wegstück vorbei. Auch ein ziemlicher Zufall und erst noch, dass ich sie mit meiner Kamera erwischt habe.
In Chiavenna mache ich mich mit Katrin zuallererst am Busbahnhof kundig und dann gibt's im Städtli ein Eis. Zum Schlendern kommen wir erst gar nicht, denn plötzlich prallen wir mit den übrigen Vieren zusammen. Es scheint, dass die schön den Nachbrenner eingeschaltet haben, ohne mich konnten sie das natürlich gut. Jetzt gibt's in der Yogurteria auch für sie ein Eis und auf Bus und Postauto reicht es nun spielend. Prisca möchte auch gerne über den Maloja und St.Moritz heim und ich schliesse mich ihr noch so gerne an. Der Bus über Splügen fährt zwanzig Minuten später, aber in Basel kommen wir alle gegen halb neun Uhr an. In Splügen steht ja noch Pascals Alpentaxi und somit ist man der Ungewissheit nicht ausgesetzt, von den Postautos, welche von Bellinzona nach Thusis oder Chur fahren, wegen Nichtreservation stehen gelassen zu werden.

ein verdientes Eis noch ist Bondo heil… Maloja Surfen auf dem Silvaplanersee Landwasserviadukt

So geniesse ich zusammen mit Prisca bei wunderbarem Reisewetter unsere Fahrt mit dem Postauto zuerst bei Castasegna wieder in die Schweiz und Bondo, wo ich ein Bild vom noch friedlich dahinträumenden Dörfchen mit seiner Brücke mit heimbringe, dort wo drei Wochen später der schlimme Felssturz das ganze Tal verwüstet hat. Auch über die Serpentinen der Malojastrasse hat man vom Postauto aus einen guten Überblick. Ein Bild mit hunderten der farbigen Schirme der Windsurfer auf dem Silvaplanersee, sowie eins des Landwasserviadukts kann ich als Jagdtrophäe dank des Umwegs mit der Tageskarte heute mit nach Hause nehmen.


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