Australien-Rundreise 2004
Samstag 17. Januar 2004
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bei Gundagai Dog on the tuckerbox Eukalyptuswälder Kim kocht
Beim Nachtessen John und Teresa Happy Birthday Nachtluft

Ich glaube, ich habe nun doch im ganzen etwa vier Stunden geschlafen. Ein kurzes Stück noch seit etwa halb fünf, dann piepste der Wecker. Ob wohl noch jemand anderes im Ibis auch auf den Bus wartet? Ich bestelle mir nur einen Kaffee und Brot. Vor lauter Aufregung habe ich überhaupt keinen Hunger. Heimlich freue ich mich über meinen Geburtstag, von dem niemand etwas weiss!
Um 20 vor acht habe ich den Schlüssel abgegeben und meine Reisetasche vor der Hoteltür deponiert. Der Taxichauffeur hat vorgestern gesagt, dass der grosse Bus mich dann abholen komme. Es gesellt sich noch eine junge Frau zu mir, die auch einen AAT King-Anhänger an ihrem Gepäck hat. Es ist Hilde aus Holland. Genau um viertel vor fährt ein Kleinbus vor. Aber wenn die Hälfte meiner Mitreisenden 15 Deutsche sind, müsste es ein grösserer Bus sein. Zögernd zeige ich dem Chauffeur meinen Voucher. Er telefoniert noch irgendwohin, aber er hat meinen Namen nirgends. Er würde uns aber trotzdem mitnehmen. Wohin denn wohl? Wir warten lieber noch und er fährt ab. Gottseidank, fünf vor acht biegt ein richtiger grosser Bus, riesig angeschrieben mit AAT Kings in die Hoteleinfahrt ein und enthebt uns unserer Zweifel, denn sie haben unsere Namen zum Abhaken auf ihrer Liste. Der Engländer von vorgestern ist auch schon im Bus und ich setze mich mal zu ihm. Bevor wir vollzählig sind, fahren wir noch zwei weitere Hotels und irgend eine Bus- oder Bahnhofstation an. In der Reihe neben mir sitzt eine Gruppe Holländer, Deutsch habe ich bis jetzt jedoch nicht gehört.
Von der ersten Strecke durch hügeliges Gebiet mit vielen Eukalyptuswäldern bekomme ich nicht viel mit, ich bin viel zu beschäftigt, mich auf das zu konzentrieren, was uns Frances, die Reiseleiterin an Informationen und Regeln nahe bringen will. Von der Anschnallpflicht im Bus bis zur WC-Benützung, das Vorgehen beim Beziehen des Zeltplatzes und das Wechseln der Sitzplätze im Bus. Meine Güte! Ich bekomme etwa die Hälfte davon mit. Ich frage Ian, meinen Sitznachbarn und der kann mir recht gut helfen. Er erklärt mir kurz und mit einfachen Worten, bis ich klarer sehe. Kein Wunder dass er das kann, er war Lehrer.
Noch eine Frage? Frances kommt bei jedem persönlich vorbei und ich bitte sie, sich jedenfalls davon zu überzeugen, dass ich das Wichtigste wie zum Beispiel Abfahrtszeiten etc. mitbekomme. Sie klopft mir tröstend auf die Schulter und verspricht mir, dass ich schon nicht verloren gehen würde, sie werde ein Auge auf mich werfen. Kim, die Köchin bittet uns, auf einer Liste einzutragen, falls man eine Diät halten muss oder wenn man was wegen einer Allergie oder sonstigen Gründen nicht essen kann. Auf einer anderen Liste muss man für einen eventuellen Notfall eine Kontaktadresse von zuhause angeben. Neben dem Namen kommt auch das Geburtsdatum dazu. Da ich etwa auf dem drittvordersten Sitz bin, steht mein Name natürlich wieder fast zuoberst und alle andern können nun ihre Gwundernase stillen und sie sehen, wie alt ich heute werde. Und ich dachte, niemand wisse etwas davon!!!
Mittagsrast ist beim "Dog on the Tucker Box, 5 Miles from Gundagai". Der Bus entlässt uns in ein sommerlich warm durchflutetes kleines Pärklein mit sirrenden Zikaden. Ein kioskartiges Restaurant, wo man sich mit kühlen Getränken, Sandwiches, Snacks und Souvenirs eindecken kann, ist bald ausverkauft. Die Geschichte vom Hund auf der Tuckerbox habe ich sicher nicht richtig verstanden. Doch Ian erklärt es mir nochmals im gleichen Sinn, dass vor fünfzig Jahren hier mal bei einem Znünihalt der Hund eines Lastwagenfahrers die Wurst seines Chefs bekommen oder gestohlen hat und dafür ein anderes, persönliches Dankeschön in der Lunchbox hinterlassen habe. Und deshalb ist der Hund heute noch so berühmt, weil ja wahrscheinlich in diesen Weiten des Inlandes nichts Wichtiges passiert, sodass man den kleinsten Scheiss in Liedform fasst, welcher dann langsam in den Fundus des Countrysongs eingeht und man deshalb dem Dog auf der Tuckerbox ein regelrechtes bronzenes Denkmal setzt und die Geschichte den Kindern und Kindeskindern weitererzählt.
Da ich Ian nicht mit meinen Fragen auf den Wecker gehen will, beziehe ich einen noch freien Zweiersitz, der Bus ist nämlich bei weitem nicht voll. Im Ganzen sind wir 31 und von den Deutschen habe ich bis jetzt nichts gehört. Eigentlich eher seltsam. Ich frage mal Fran nach den German peoples und sie will sich der Sache mal annehmen. Kurz darauf winkt vom vordersten Sitz eine Frau zu mir nach hinten. Beim nächsten Bisihalt will ich nun diese deutsche Frau kennen lernen. Sie heisst auch Hilda und ist aus Kanada und spricht etwa so gut Deutsch wie ich Englisch. Aber Jürgen, der Mann, der neben ihr sitzt, ist Deutscher. Nur wie sich herausstellt, klammert der sich schon an Hilda, weil er selbst fast überhaupt nichts versteht. So nützt der mir natürlich auch nichts. Also werde ich mich die nächsten Wochen wohl oder übel ein bisschen anstrengen müssen. So befasse ich mich eben mehr mit der Gegend, die wir durchfahren. Noch immer befinden wir uns in einem leicht hügeligen Gebiet der Great Dividing Ranges, welche die dichtbesiedelte Küste von den endlosen Weiten des Murray-Darling-Becken trennen. Weidende, dunkle Kühe finden ihr Futter auf mehr oder weniger grünen, mit Eukalyptusbäumen gespickten Weiden. Vor allem aber ist hier das Gebiet der Merino-Schafe. Wo das Grün zu weichen beginnt und sich nur noch sommertrockenes, blühendes Gras ausdehnt, finden diese Wollkugeln noch ihr gutes Fressen.
Wagga Wagga ist die zweite grössere Ortschaft auf unserer heutigen, 631 km langen Etappe. Fast muss man aber die Häuser suchen. Es sind wie in Amerika alles einstöckige Häuser, die eher an Caravanning Parks erinnern. Eine Hauptstrasse und vielleicht eine oder zwei Querstrassen. Mehr bekommt man aus unserer Fauteuilsicht nicht mit. Nichts von Hochhäusern und Prunkvillen, das ist wohl Sydney vorbehalten.
"Is it your birthday today?" fragt mich Fran geheimniswissend und gratuliert mir. Jetzt ist es doch heraus, aber sie sagt es niemandem weiter. Bis Darlington Point wird die Gegend merklich flacher und Peter, unser Fahrer lenkt den grossen Bus auf einen mit hohem Eukalyptus bestandenen Campingplatz ganz in der Nähe eines versteckten Flusses. Auch hier empfängt uns das schrille Sirren der Zikaden.
Zuallererst müssen nun alle helfen, die Küche auszuladen. Kim reicht jedem etwas aus dem Trailer herunter - Tische, Stühle, Abwaschtrog und Kühltruhen - alles hat seinen Platz. Kim braucht drei Tische, welche zusammen mit dem herunterklappbaren Gasgrill eine Art Tresen bilden, wo man das Essen fassen kann. 6 Esstische und 2 Harassen voll mit zusammenklappbaren Feldstühlen bilden das Esszimmer. Die Abwaschmaschine, ein Eisenrahmen, in welchen 3 Plastikbecken passen, steht neben dem Essplatz, wo jeder sein Geschirr selber vorspülen, abwaschen und nachspülen soll (aber bitte sauber!)
Bis alles ausgeräumt ist und Kim sich ans Kochen machen kann, ist Peter unterdessen am Zelteausladen. Fran schnappt sich eins und demonstriert nun erst mal den Aufbau. Man nimmt 4 Pecs (Heringe), einen Pole, das ist die Mittelstange bestehend aus zwei ineinander steckbare Stangen mit einer Feder in der Mitte. Dann entfaltet man das viermal zusammengefaltete Zelt, hämmert in jede Ecke einen Pec und steckt den Dorn des Poles in das Loch in der Mitte des stabilen Dachs, welches durch einen leichten Aluminiumrahmen von etwa 75 cm im Quadrat dem Zelt die Form gibt.
Jetzt können wir üben. Zelt Nummer sechs fällt mir in die Hände und Hilda ist an meiner Seite. Ich hab es eigentlich schon geschnallt wie es geht, aber es ist ja trotzdem nett von ihr. Sie hilft mir einen Platz aussuchen, möglichst nicht unter morschen Ästen und haut die Pecs ein. Wie der Blitz steht das Zelt und jetzt räumt sie neben meiner, auch noch ihre Matratze ein. Aha? - Nein, eigentlich habe ich für mich allein ein Zelt gebucht. Ich habe meinen Voucher noch, den wollte die Reiseleiterin am Morgen nicht und dort steht ziemlich deutlich: Einzelzelt. Auf Fran's Liste aber figuriere ich und Hilda als "share", was meint, dass wir je ein Zelt mit jemandem teilen. Zum Glück bestätigt Hilda das deutsche Wort "Einzelzelt". Da niemand anders mehr da ist der teilt, hat Hilda natürlich den Vorteil, auch allein ein Zelt zu besitzen. Zu zweit ist auch ihr Zelt schnell bezugsbereit. Und ich habe gedacht, der Deutsche sei ihr Mann!
Inzwischen hat Kim Gemüse gerüstet und den Grill eingeheizt. Riesendinger von Steaks werden gebraten. Ein halbe Stunde vor dem Nachtessen ist happy hour. Chips und Dips mit verschiedenen Saucen, Orangen-, Apfelsaft und Weiss- und Rotwein, der Weisse ist crispy dry white. Also nicht nur trocken, sondern auch knusprig. Dafür ist der Rote ein Lambrusco, der ist mir zu süss.
Fran verteilt allen Anstecknamen, aber bitte nicht den eigenen. Dann geht's auf die Suche nach der Person, dem die Nadel gehört. Ich habe diese von Barry. Er kommt aus England und ist Rentner und allein unterwegs. Bis ich Barry gefunden habe, haben mir ein paar andere Männer ihre Namen verraten und ich probiere eifrig, mir diese zu merken. Aber bei 31 Personen, das schaffe ich nicht.
Ich staune, was Kim in ihrer kleinen Kochnische gezaubert hat: es gibt wie gesagt, so ein Riesensteak, dazu Kartoffeln in der Folie mit Sauercream, grüne Bohnen, Rüebli und Zuckermais.
Am Tisch beim Nachtessen sitzen gerade neben mir Teresa und John aus Irland. Sie sind erst heute früh gelandet und dementsprechend müde. Teresa hat ganz geschwollene Füsse und freut sich aufs Liegen.
Zum Schluss braue ich mir noch einen mitgebrachten Roibus Tee, ich möchte mir heute Nacht nämlich den Schlaf nicht verderben. Mit Kaffee und Tee kann man sich bedienen, solange die Wassermaschine in Betrieb ist. Nur ja nicht einen nassen Löffel benützen fürs Kaffeepulver! Ich bin gerade am Teebeutel schwenken, da kommt Fran und Kim um die Ecke mit einer ganzen Platte voll Kuchenschnitten und zwei brennenden Wunderkerzen. "Happy birthday, dear Rita..." Welche überraschung! Jetzt muss ich natürlich mit der Platte in die Runde und von überall wird mir gratuliert, einmal sogar zum Fünfundzwanzigsten.
Bald wird es dunkel und ich bin gespannt darauf, wie es sich im Zelt schlafen lässt. Links und rechts ist je ein Fenster aus einem Moskitonetz, darüber eine Blache, welche ich hochgerollt habe und ich geniesse die frische Nachtluft und das Rauschen der Bäume. Die Zikaden haben ihr Konzert eingestellt. Die andern sind auch alle bald in ihren Zelten verschwunden und schon hört man von da und dort etwelche Schnarchgeräusche. Nach etwa einer halben Stunde mehr oder weniger süssem Schlummer bin ich wieder hellwach, weil nun mein rechter Arm schläft. Es ist schon verdammt hart auf dieser dünnen Matratze. Während ich mich wälze, höre ich ein leichtes pfeifendes Geräusch von entweichender Luft. Das ist wieder typisch! Ich habe prompt vergessen, das Ventil zu schliessen. Eigentlich ist dies ein geniales Patent. Wir haben in einem grünen Sack eine Rolle bekommen mit einem Durchmesser von etwa 20 cm. Darin, fein säuberlich zusammengerollt ist die Matratze. In einer Ecke besitzt sie ein Ventil, welches man eine halbe Umdrehung öffnen muss und der Spezialschaumgummi saugt sich selbständig in kurzer Zeit mit Luft voll. Man sollte dann aber eben nicht vergessen, dieser ihren Fluchtweg wieder zu abzuschneiden, sonst siehe oben.
Und ich geniesse immer noch die Nachtluft, dabei wäre es doch wirklich bald an der Zeit, dass ich schlafen sollte. Etwa zehn Meter entfernt im nächsten Zelt hat's auch aufgehört zu schnarchen, dafür schwatzen die Beiden und geben sich nicht mal Mühe zu tuscheln. Bestimmt ist da auch der Jetlag schuld. Nach einer weiteren Schnarchrunde beginnen sie zu packen. Es ist inzwischen fast fünf Uhr und ich geniesse immer noch die Nachtluft.

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