Australien-Rundreise 2004 |
Ich musste mich doch ankleiden heute Nacht. Aber nicht wegen dem Regen, sondern weil ich auf die Toilette musste. Schön der Strasse nach, nicht quer über den benachbarten Platz. Dort ist nämlich
gestern Abend noch eine Gruppe angekommen und die haben nur eine Blache ausgebreitet und nun schlafen sie so unter dem Himmelszelt. In den Waschräumen brennt die ganze Nacht Licht und der Weg dorthin
ist belagert. Mit jedem Schritt, den man dem Licht entgegengeht, scheucht man hunderte von Heuschrecken auf. Fast kommt es einem vor, wie wenn sich ein Meer beim Dahinschreiten teilt.
Und nun bin ich gespannt auf den Uluru. Wahrscheinlich geht gerade dann die Sonne auf, wenn Morgenessen ist. Ich möchte furchtbar gerne nochmals zum Ausguck, um das Schauspiel zu sehen. Trotz einiger
Wolken am Himmel erliege ich meinem Zwiespalt, indem ich die Hälfte der Morgenessenzeit opfere und dafür hoffe, dass sie sich bis dann beeilt hat, über den Horizont zu klettern und ihre ersten
Strahlen auf den Stein zu werfen. Aber sie lässt sich Zeit. Ich denke, das Bild heute morgen unterscheidet sich nicht gross von dem von gestern Abend. Die Spielverderber sind wieder die Wolken. Also doch
lieber zurück zum Frühstück. Für die neuneinhalb Kilometer lange Wanderung rund um den Uluru sollte man ja schon ein wenig gestärkt sein. Jedoch noch wichtiger sei das Wasser. Also
kommt zu meiner Feldflasche noch ein Liter in der Petflasche in den Rucksack. Das Camp liegt noch etwa 5 Kilometer ausserhalb des Nationalparks und nach dem Morgenessen ist Abfahrt. Am Ausguck habe ich zwei
Schweizer getroffen (es waren schon die vierten hier in Australien). Diese wollten am frühen Morgen schon in den Park, aber da sei die Strasse wegen einem Waldbrand gesperrt gewesen. Bis wir aber dort
ankommen, scheint alles unter Kontrolle zu sein. Ein Feuerwehrauto und noch ein kleines Räuchlein aus etwa einem 100 Quadratmeter grossen Brandfleck deuten auf den Zwischenfall hin. Schon treffen wir auf
die Fahrstrasse, die den Monolithen umrundet. Eine Gesteinsformation am Fusse des grossen Felsens, aber nicht mit diesem verbunden, sieht aus wie der Kopf eines Labradors. Pulari ist einer der besonderen
Plätze, die für die Anangu Aborigines heilig sind. Diese sakralen Orte darf man nicht betreten und man darf auch kein Foto von ihnen machen. Fotoverbotsschilder stehen überall an diesen speziellen
Orten. Zum Einstimmen umrunden wir erst mal im Bus diesen roten Brocken, der in den Strahlen der Morgensonne, die nun doch bis hierher gelangen, in einem fantastischen Orange zu leuchten beginnt. An einem
Punkt, der sich für ein morgendliches Bild gut eignet, können wir auch kurz aussteigen. Weit drüben bei den Olgas ist das Schauspiel der Sonne aber fast utopisch. Sie wirft nur auf einzelne der vielen
Köpfe ihr Licht, andere bleiben im Schatten der Wolken. Ein wunderschönes Bild, nur viel zu weit weg, sogar auch für meinen digitalen Zoom, es ist immer so. Jetzt habe ich die Taube in der Hand und
der Spatz dort drüben leuchtet so verführerisch!
Beim Mala Walk Parkplatz steigen wir aus und beginnen unseren Fussmarsch. Hier würde auch der Aufstieg beginnen, wenn ...
Aber heute ist er geschlossen. Es habe zuviel Wind und eine Besteigung ist eben gar nicht so harmlos. Natürlich handelt es sich immer noch um die Hauptattraktion für die meisten Besucher und ich weiss
nicht, für wie viele von uns es eine Enttäuschung ist. Man sieht von hier aus den feinen Pfad der vielen Fusstritte, die den Stein schon bezwungen haben. Ein befestigtes Drahtseil hilft einem über die
steilste Partie hinauf. Dennoch wird auf allen Informationsbroschüren und Reiseführern immer darauf hingewiesen, dass die Anangu die Besteigung eigentlich nur sehr ungern dulden und man doch den
wunderschönen Wanderweg unten am Fuss des Heiligtums unter die Füsse nehmen soll. Fran geht uns allen voran und wir kommen auch auf diesem Weg vielen Heiligtümern genau so nahe. Hier eine
Höhle, die aussieht, als ob der Fels einfach aufgeplatzt wäre, oder man sieht erst auf den zweiten Blick eine spezielle Form des Steins oder etwas Besonderes. Uns bleibt das Geheimnis dieser Plätze
verborgen. Für mich jedenfalls ist überhaupt nicht offensichtlich, warum hier ein unscheinbarer Ort heilig ist und nicht fotografiert werden darf, während ein paar Meter weiter hinten eine sagenhafte
Kaskade eines Baches, der zwar im Moment überhaupt kein Wasser daherbringt, wieder fotografiert werden darf. Oder an der Nordseite des Felsens, die verwitterte Oberfläche der Felsenhaut, welche
aussieht wie ein riesiges Porträt. Da steht keine Tafel. Es gibt männliche und weibliche sakrale Orte, oder vielleicht sind sie für Männer oder Frauen bestimmt?
Die Anangus jedenfalls lehren an diesen Orten ihren Kinder den Sinn des Lebens und ihres Seins seit mehr als zwanzigtausend (!) Jahren. Noch nie haben sie eine Schrift gebraucht. Diese Formationen und heiligen
Orte lehren sie ihr Leben und ihre Kultur. Und wir kommen und trampeln darauf herum. Ich habe ein Zitat eines Aboriginal gefunden, der über die Touristen, die kommen und fotografieren sagt: Was haben sie
damit? Ein Bild mehr vom Uluru, das sie heim nehmen. Sie sollten eine andere Linse nehmen, sie würden geradewegs hinein sehen. Sie würden nicht einen riesigen Felsen sehen. Sie würden Kuniya sehen,
der dort drin lebt, wie vor Anbeginn der Zeit. Und sie würden die Kamera wegschmeissen.
Da ich jetzt aber eine Zeiss- und eine Milnolta-Linse habe, fotografiere ich eben dort, wo man darf auf Teufel komm raus' den Stein. Und staune ob dem riesigen Gwäggi, der 350 Meter aus der Ebene
herausragt und den zu umrunden man gut zwei Stunden braucht. Jedenfalls in dem Tempo, welches Fran an den Tag legt. Ich meinte doch wahrlich, dass ich im Wandern schon ein bisschen geübt bin, aber ich
muss mich recht sputen, damit ich das Tempo halten kann. Zum Stehenbleiben oder nach möglichen Kriech- oder Flugtieren Ausschau zu halten, bleibt überhaupt kein Raum. Das einzige was fliegt und surrt
und man überhaupt nicht zu suchen braucht, sind die Fliegen. Die meisten Wanderer verhüllen sich deshalb in ihre feinen grünen, weissen oder schwarzen Gesichtsnetze. Die zweite Hälfte der
Rundumwanderung ist nicht so heilig wie die erste. Es hat fast keine Fotoverbotstafeln mehr hier. Dafür entdecke ich in einer Felsnische ein paar Zeichnungen. Fast wäre ich daran vorbeigegangen. Auch
führt der Weg durch eine erfrischend grüne Wiese. Ich sehe auch an einem Ort eine Gruppe um einen Aboriginal versammelt, der probiert, den Fremden etwas über seine Kultur zu vermitteln. Man
kann solche Führungen im Kulturcenter buchen.
Beim Parkplatz ist schon wieder fast die ganze Gruppe versammelt. Nur noch etwa drei oder vier stossen nach mir dazu. Dass die alle noch schneller gerannt sind als ich, kann ich kaum glauben. Rob jedenfalls ganz
bestimmt nicht. Vielleicht sind sie einfach umgekehrt. Ja, ganz bestimmt sind sie es. Sie hätten mich ja alle überholen müssen.
Niemand fehlt mehr, also steigen wir wieder in den Bus. Nochmals eine Ehrenrunde um den Berg mit einem Halt bei Mutijulu. So können auch jene, die nicht bis hierher kamen, die Felsmalereien sehen.
Beim Kulturcenter werden wir wieder ausgeladen. Dort kann man sich an sehr anschaulichen Informationstafeln über die Kultur und das Leben der Anangus ein Bild machen. Man bewältigt hier die
unvorstellbare Zahl von 650'000 Besuchern pro Jahr. Sogar in Deutsch sind die Beiträge kurz zusammengefasst. Manchmal sind auch Bilder und Zitate von Leuten dabei. Besonders beeindruckend für
mich ist, dass manchmal Namen und Bilder einfach schwarz übermalt wurden. Was die Leute gesagt haben, das bleibt bestehen. Aber ihre Namen werden nicht mehr ausgesprochen, wenn sie gestorben sind.
Also darf man sie auch nicht mehr lesen. Das würde sie in ihrer wohlverdienten Ruhe stören.
Im Souvenirshop decke ich mich nun mit Karten ein. Ich habe ja in Sydney 40 Marken gekauft und da steht mir jetzt meine nächste Aufgabe bevor. Ich möchte, dass die Karten vor mir zu Hause
angekommen sind. Mein Sinn steht weder nach Didgeridoo, noch nach Bumerang. Das Souvenir mit dem Wein reicht gerade. Vielleicht höchstens noch ein T-Shirt werde ich mit heim nehmen.
Heute müssen wir uns wieder mal selber ums Mittagessen kümmern. Darum werden wir beim Ayers Rock Resort Center abgeladen. Da kann man zwischen Restaurant und Take-away wählen. Oder
einfach zwischen ziemlich happigen Preisen und eben einem Sandwich. Da ich sowieso in diesen Ferien immer viel zuviel esse, lasse ich diesmal das Sandwich auch gerade ausfallen und bleibe bei Wasser ohne Brot.
Zum Dessert gibt's dann jedoch noch ein Eiscreme und zusammen mit den beiden Hilden nehmen wir den Heimweg unter die Füsse. Es ist gerade kein Shuttle zu sehen und den einen Kilometer bis zum Camp
schafft man schliesslich schon noch. Bis vier Uhr hat man nun Zeit für allerlei Fun. Emma zum Beispiel hat eine Fahrt mit einer Harley gebucht. Glücklich reitet sie auf dem Sozius davon. Soviel ich
mitbekomme, macht aber niemand einen Rundflug über den Uluru und Kata Tjuta, dafür sind die meisten im Pool. Der sei ziemlich warm gewesen. Jedenfalls hätte man am Schluss das Gefühl
gehabt, dass die Luft noch kühler gewesen sei als das Wasser, erzählt mir jemand. Und ich weiss ja, was ich zu tun habe. Ich lasse mich von meiner Kartenschreiberei einzig von einem gut einen halben
Meter langen Lizard (Eidechse) ablenken, der zwischen unseren Zelten hindurch huscht.
Für die Olgas, oder wie man jetzt sagt, die Kata Tjuta, was "viele Köpfe" heisst, ist wieder eine Wanderung vorgesehen. Sie sind etwa 45 Kilometer vom Uluru entfernt. Es gehe in eine Schlucht, das
bekomme ich jedenfalls mit. Die grauen Wolken vom Morgen haben sich verzogen und es ist heute heiss geworden. Es ist eine regelrechte Völkerwanderung, darunter viele Japaner. Man muss schon etwas auf
den Weg achten, aber grosse Worte von wegen Wanderung! In kaum einer Viertelstunde ist man zwischen zwei senkrechten Felswänden am Ende des Pfades auf einem kleinen hölzernen Podest angelangt.
Und dort bestaunt man jetzt die Schlucht. Ich drücke jemandem meinen Fotoapparat in die Hand, damit sich daheim meine Freunde auch an dem "atemberaubenden Blick" ergötzen können. Aber
eben, was ist für uns Schweizer schon so ein Chlack. Ich hätte es vorgezogen, wenn wir an einem Ort angehalten hätten, wo man die ganze Formation dieser Felsbrocken sehen könnte. Aber das
musste ich wieder alles aus dem fahrenden Bus erhaschen, wo immer, wenn der Blickwinkel gut wäre, irgend ein Baum vorbeiflitzt, der dann als grüner Schlirp aufs Bild kommt. Oder dann kommt eine
Kurve und ich sitze wieder auf der falschen Seite! Doch, oh Wunder, es gibt noch einen zweiten Halt, ein kleines Bisschen weiter weg von der Schlucht. Auch nicht schlecht, aber trotzdem sagt die Perspektive nichts
aus über den ganzen Felshaufen hier.
Was uns gestern versagt war, können wir heute nachholen, den Sonnenuntergangsapéro am Uluru. Weil es noch ein ganz klein wenig zu früh ist, gibt's nochmals eine Ehrenrunde rings um den
Monolithen. Er strahlt in einem wunderbar warmen Orange in der frühen Abendsonne. In einer idealen Distanz und einer guten Perspektive für den Sonnenuntergang halten wir auf einem extra für
diesen Zweck vorgesehenen Parkplatz. Wir sind bei weitem nicht die Ersten. Autos und Busse warten schon auf das Schauspiel. Fran gibt den Ratschlag, man solle etwa alle zehn Minuten eine Aufnahme machen. Erst
auf den entwickelten Fotos könne man den Chamäleoneffekt auf dem Stein richtig sehen, der den Sonnenuntergang so spektakulär mache. Leider verstehe ich auch diesen Hinweis erst daheim im Tag
8, den mir Hilda aus Kanada gemailt hat. Aber ich habe ja heute eh schon zu viele Fotos gemacht mit meinen beiden Kameras. Nur, auch das sehe ich erst daheim richtig, dass die Zeiss-Linse wohl die Hitze in
Australien nicht so recht vertragen hat. Ich bin mit ihrer Farbeinstellung nicht ganz zufrieden.
Während Hilde von mir die legendäre Foto mit dem Uluru im Hintergrund schiesst, sind Fran und Tim eifrig dabei, auf einem aufgestellten Tisch ein gigantisches Apéro-Buffet zu arrangieren.
Pfeffer- Blue- und anderer Cheese, Sülzli, Gürkli und Oliven, dazu Shrimps und eingelegter Tintenfisch etc. daneben Chips und Crisp und weiss der Herr was alles. Dazu wird Sekt entkorkt und entkorkt
und entkorkt und angestossen und geknipst..... and finaly i am tipsy (wieder ein neues Wort gelernt!).
Es ist schon ganz dunkel, als wir ins Camp zurückkommen. Und dort hat Kim das Nachtessen bereit! Sie hat Gulalsch gemacht. Dabei habe ich schon soviel von dem Käse und all den andern Herrlichkeiten
intus. Also opfere ich mich halt nochmals, denn das Gulasch ist auch wunderbar. Und wenn schon, dann auch noch her mit dem Rest vom Schüttelwein.
Heute bleiben die Fensterblachen wieder aufgerollt und ich geniesse den Sternenhimmel über mir, bis ich wahrscheinlich auch in das Konzert der Schnarcher ringsum einstimme.