Australien-Rundreise 2004 |
Ob heute wohl eine so lange Strecke bis Alice Springs zu bewältigen ist, dass wir schon um fünf aufstehen müssen? Eigentlich macht es mir gar nicht soviel aus. Irgendwie gehört früh
aufstehen zum Leben unter freiem Himmel, der Natur und dem Reisen. Happy Australia Day! Heute ist Nationalfeiertag und Kim
hat zum Frühstück als Überraschung Rührei mit Bratspeck gemacht. Auf jeden Teller steckt sie noch eine kleine papierene Australien-Flagge. Es sind so kleine Aufmerksamkeiten mit grosser
Wirkung. Ich beeile mich mit meinem Ei, denn die Fliegen sind auch schon wach und sie lieben Rührei. In ganzen Schwärmen kommen sie herbei und rufen all ihre Verwandten und Bekannten zu Hilfe. Wo
nicht gewedelt und verscheucht wird, sieht der Teller bald schwarz aus statt gelb und bei mehr als einem haben sie Erfolg. Zurück vom Toaster vergeht einem die ganze Lust auf das liebevoll angerichtete
Zmorgen und die Biester können sich im Abfall weiter gütlich tun.
Heute schiebt Fran ein Video ein, welches auch mich fesselt. Es ist die Geschichte von drei Aboriginal-Kindern, die ihrer Mutter weggenommen wurden, um sie in einer Missionsstation zu erziehen. Sie durchquerten
weite Teile einer Wüste, immer verfolgt und gejagt von ihren Häschern und zwei schafften es, wieder heim zur Mutter zu kommen. Noch nicht mal sechzig Jahre seither, da hat man es mit den
sogenannten "Half Casts" gemacht, wie bei uns mit den Kindern der Fahrenden. Weisse scheuen sich nicht, den Eingeborenenfrauen Kinder zu machen, dann ist es aber Abschaum, mit dem man machen kann, was man
will. 1932 bis 1942 war die Telegrafenstation in Alice Springs in solch ein Lager für die Erziehung von Mischlingskindern umgestaltet worden und man holte sich die Kinder mit Gewalt und List. Ein weiteres
trauriges Kapitel und dies nicht nur in der australischen Geschichte und auch nicht im tiefen Mittelalter.
Draussen zieht Kilometer um Kilometer an uns vorbei. Ziemlich rot und immer noch weit, die Ebenen. Lustige Büsche fallen mir auf,
wie ich vorher noch keine gesehen habe. Wie um einen Strunk wächst und spriesst ein Busch von silbrig grünem frischem Laub, während lange, dürre Äste wie riesige Spinnenbeine daraus
herausragen. Ich nenne sie ganz für mich selber Skelettbüsche.
Hier flieht mal eine Handvoll wilder Kamele vom Highway weg. Es sind Nachkommen jener Tiere, die man aus Afghanistan eingeführt hat und die in der Pionierzeit zum Gelingen beim Bau der Telegrafenleitung
und der Eisenbahn quer durch den Kontinent beigetragen haben. Als man sie nicht mehr brauchte, liess man sie einfach frei. Anscheinend konnten sie hier gut überleben. Jene Kamele, mit denen Hilda, Carolyn
und Jamie gestern geritten sind, wurden auch von diesen wild lebenden Herden hier eingefangen. Man fängt sich Jungtiere im Alter von etwa 4 Jahren. Dann sind sie gross genug, dass sie die Mutter nicht mehr
brauchen, aber doch noch jung genug, dass man sie zum Reiten dressieren kann. Der Farmer von Kings Creek Station verkauft sogar Kamele wieder zurück in die arabischen Länder. Aber er züchtet
sie nicht selber. Es sind alles solche gefangenen Jungtiere, die man schult. Seine Herde besteht ausschliesslich aus kastrierten Hengsten und einer Kameldame.
Jetzt legt Fran eine CD mit Countrymusic ein, das gefällt mir besser. Das wäre doch ein Souvenir, das auch noch in der Tasche Platz fände. Aber leider kann man diese CD nicht kaufen. Es sind
wahrscheinlich selbst zusammengestellte oder aufgenommene Stücke. Doch die Waltzing Matilda geht mir beim einen Ohr rein, aber beim andern nicht wieder raus. Sie hat mich nach Hause begleitet und in den
Nachtstunden, die ich wegen des Jetlags wach lag, hat sie in meinem Kopf rumgewalzt.
So waltzen wir mit der Matilda Richtung Alice Springs. Plötzlich bekommt die Erde wieder Buckel, Hügel und kleine Berge. Gehören die wohl schon zu den Mc Donell Ranges? Doch nicht nur
Hügel sind in der Landschaft neu, auch der Verkehr nimmt zu. Wir kreuzen schon wesentlich öfter als alle halbe Stunden und werden sogar auch mal überholt! Da liegt sogar ein Flugplatz am Fuss
eines Steinhügels. Ein Windsack jedenfalls lässt das vermuten. Die Pistenmarkierung ist nicht wie in Kloten mit hochtechnischen Geräten und Lichtern installiert. Es reichen auch ganz gewöhnliche
weisse Verkehrshüte für diesen Zweck.
Wiederum sind wir auf unserem Campingplatz angekommen, noch ehe Mittag ist. Heavitree Gap Outback Lodge heisst es hier. Gap darum, weil der Todd River eine richtige Spalte oder einen Einschnitt aus der Kette
der Heavytree-Kette herausgearbeitet hat. Der Fluss, die Bahn und der Stuart Higway führen durch diese Passage, dicht daneben unser Camp.
Wir können uns wieder Sandwiches machen und anschliessend gibt's
Sightseeing in der näheren und weiteren Umgebung von Alice Springs. Tim fährt mit uns in die westlichen MacDonell Ranges, wo er uns an einem schattigen Parkplatz auslädt, auf dass wir zu Fuss die
paar Meter weiter den Standley Chasm erkunden können (sie haben aber Wanderung gesagt). Im Dix finde ich unter Chasm: Schlucht, Kamm, Riss, Spalte, dasselbe was auf arabisch Siq heisst. Ein ähnliches
Gefühl (aber nur fast) wie in Petra. Ähnlich ragen Felswände bis zu 80 Metern über der Schlucht auf, die selber vielleicht sechs oder sieben Meter breit ist und etwa fünfzig Meter lang.
Auch der Simpson's Gap ist so eine Spalte oder Einschnitt in den uralten Gesteinen dieser Auffaltung. Sie gehören zu den ältesten Gebirgen der Erde. Tim weiss viel über das Alter und die Geologie
dieser Ranges, die Alice Springs wie eine schützende Ringmauer umgeben. Wenn ich ihn recht verstanden habe, waren sie einmal sogar noch höher als der Himalaya. Und einmal mehr nerve ich mich, dass ich
ihn nur der Spur nach verstehen
kann. Aber auch im Simpson's Gap kann ich kein Rock Wallaby sehen, soviel ich mich auch anstrenge. Wenn auch von hier genügend Fotos im Kasten sind, geht's wieder Richtung Alice zurück. Der Anzac Hill
ist ein idealer Ort um einen allgemeinen überblick auf Alice
Springs zu bekommen. Ein Kriegsdenkmal mit wehender Fahne gibt dem Ort eine komische Art Feierlichkeit. Oder ist es, weil man von hier nach soviel Tausend gefahrenen Kilometern durch einsames, ebenes Land
wieder mal auf eine ganze Stadt blicken kann? Vielleicht ist ja auch der Name Stadt allein schon falsch. Alice hat etwa 28'000 Einwohner und seine Häuser sind alles mehr oder weniger einstöckige
Gebäude, die oft die Bäume im Garten gar nicht überragen. Deshalb hat man auch eher den Eindruck auf eine grüne Oase herunterzuschauen, die von langgezogenen Hügeln umgeben ist.
Natürlich wurden wir auch hier heraufchauffiert und unten am Fuss des Hügels habe ich an einer Tankstelle einen Roadtrain gesehen. Es sind sogar zwei und von hier oben kann ich ein gutes Bild davon
machen. Beide haben vier Tankwagen angehängt. Etwas über fünfzig Meter lang dürfen sie ihre Strassenzüge hier machen.
Dann geht's wieder durch die Stadt zurück hinaus Richtung Heavytree Gap. Extra langsam kurven wir im Center, denn Fran ist beflissen, uns zu erklären, wo wir morgen an unserem freien Tag die
Einkaufsstrasse, Post, Internet, Museum und die Flying Doctors finden können.
Ich hätte da schon noch ein paar Karten fertig zu schreiben, aber ich glaube, ich schliesse mich heute wieder mal denen im Pool an. Die Holländer sind meist dort zu finden. Ich stelle mir nach dem Bad auch
noch eine kühle Erfrischung für die Kehle vor, aber das Restaurant ist einfach zu. Es ist jedoch abgemacht, dass wir hier das Nachtessen haben. Also schwimmen wir halt noch eine zusätzliche Runde.
Wenigstens ist das Wasser ziemlich tief und nicht ganz so warm. Plötzlich merkt Nel, dass sie ihren goldenen Ohrring verloren hat. Hier im Pool. Mit vereinten Kräften probieren wir zu tauchen um ihn zu
entdecken. Da wäre eine Tauchbrille jetzt hilfreich. Ich habe doch eine mitgenommen für das Riff! Also gehe ich zurück zum Zelt. In der Zwischenzeit hatte aber Andreas Erfolg. Jedenfalls einen
teilweisen. Der Ring ist wieder da, nur noch der Stecker fehlt. Das ist natürlich fast hoffnungslos, so ein kleines Ding zu finden. Trotzdem versuche ich's und entdecke tatsächlich bald etwas winziges
Gelbes am Boden. Es braucht aber etwa drei Anläufe oder Tauchgänge, bis ich das Ding zu grabschen kriege. Es ist so klein und leicht, dass es mir durch die Wasserverdrängung der Hände
immer davon huscht. Diesmal bekomme ich für eine Rettung einen Kuss.
Inzwischen ist nun schon bald Zeit fürs Nachtessen. Jetzt ist offen und zuerst holt sich mal jeder was zu trinken an der Bar. Ein Panaché wäre doch jetzt gut. Es ist zwar ein bisschen kompliziert,
bis ich zwei verschiedene Getränke bekomme und dazu sogar noch ein Glas, aber ohne Eis drin. Dabei gibt's doch für jene, die nicht aus der Flasche trinken können, Röhrchen. Gläser sind
nämlich hier in Australien meist überflüssig. Man trinkt auch im Restaurant aus der Flasche oder aus der Dose. Abgesehen davon ist es natürlich auch hygienischer. Also setze ich mich mit meiner
Eroberung an meinen Platz und mein Tun wird neugierig beobachtet. "Ah - you make a shandy!" - Shandy? Na saugut, jetzt weiss ich, was ich das nächste mal bestellen muss.
Obwohl unser Nachtessen am Buffet schon in einer langen Reihe auf Bunsenbrennern auf uns wartet, gibt's erst mal was fürs Gemüt. Man nennt ihn Reptil Rex, der uns nun zuerst eine ganze Menge
über die
einheimischen Reptilien und Schlangen näher bringt, nicht nur mit Worten. Er hat drei verschiedene Eidechsen dabei und 4 Schlangen. Er kommt nahe an die Tische und der blue-tongued Lizard, leckt spontan
Hildas Nase ab. Ich glaube es war ein solcher, der in Yalara unters Zelt kriechen wollte.
Er hat auch noch ein komisches Reptil dabei, eine Tannzapfeneckse, dessen Schwanz fast die gleiche Form hat, wie sein Kopf, sodass man auf den ersten Blick nicht feststellen kann, was jetzt hinten und was vorn
ist. Dann holt er Giftschlangen aus der Kiste, mit den blossen Händen. Pam und Suzanne fliehen in die hintersten Ecken des Saales. Er hält diesen Lindwurm hoch und lässt ihn auch auf den Boden,
während er alles über Schlangen erzählt und wie man sich verhalten soll, wenn man einer begegnet oder gar von einer gebissen wird. Auf jeden Fall sollte man die Wunde nicht abwaschen, sondern
mit einer elastischen Binde zubinden. Eine Hand zum Beispiel bis zu den Fingern, dann zurück bis zum Oberarm und ja nicht mehr bewegen. Auf diese Weise verteilt sich das Gift nicht so rasch im Blut, nur im
Lymphsystem. Im Spital können sie dann das Gift in der Bandage analysieren, und können das entsprechende Gegengift verabreichen. Ich frage mich, warum er nicht gebissen wird. Das sei, weil die
Schlangen seinen Geruch kennen, denn er habe sie praktisch gross gezogen. Er sei auch schon gebissen worden, aber das war sein Fehler. Er habe die Hände nicht gewaschen, nachdem er eine Ratte, also ihr
Futter angefasst hatte.
Zum Schluss holt er noch eine Riesenschlange aus der Kiste, eine olivefarbene Python. Sie ist etwa zweieinhalb Meter lang und sie windet sich um seinen Körper, über die Schulter, um die Brust, zwischen
den Beinen durch... Wer will auch? Die Mutigsten beginnen eine Reihe zu machen und Olive schlängelt sich nun langsam von Nacken zu Nacken. Natürlich kommt sie auch bei mir vorbei. Sie ist mächtig
schwer und ein bisschen ein komisches Gefühl habe ich bei ihren Zärtlichkeiten schon.
Dann gibt's endlich Essen. Man kann sich am Salatbuffet gütlich tun. Es hat Fisch und Gulasch. Erst am Tisch sagt mir jemand, dass das nicht Rinds- sondern Kängurufleisch sei, darum ist es so dunkel.
Na gut, es schmeckt und jedenfalls kann ich jetzt sagen, ich hätte auch schon Kängurufleisch gegessen. Auch der Fisch ist nicht irgendein Fisch, sondern ein Barramundi. Der berühmte Barramundi,
den jeder Australienreisende probiert haben muss. Auch da kann ich mich fassen. Aber vielleicht hat er einfach schon zu lange dort im Warmhaltebecken geschmort.
Nach dem Essen probiert eine Sängerin das Ihre zur Unterhaltung beizutragen. Das Einzige, was ihr aber gelingt,
ist dass ich ziemlich bald die Flucht ergreife. Überhaupt möchte ich sehen, ob draussen am Fuss des Abhangs jetzt die Wallabies erschienen sind. An der Rezeption kann man nämlich Wallabiefutter
kaufen und bei Einbruch der Dunkelheit kann man sie füttern. Etwa fünf oder sechs sind da und sie fressen einem sogar aus der Hand, obwohl sie sehr darauf achten, dass man ihnen sonst nicht allzu nahe
kommt. Sie sehen aus wie kleine Kängurus und sind auch Beuteltiere.
Auch heute verführt mich wieder die Drohgebärde eines Gewitters dazu, mein Zelt zu schliessen. Doch am Schluss sind wieder alles leere Versprechungen.