Australien-Rundreise 2004 |
Donnerstag 29. Januar 2004 |
Ich habe heute Logenplatz. Als Copilot direkt hinter dem Fahrer. Die Sitze sind nummeriert, aber nicht der Reihe nach. Am ersten Tag musste sich jeder seine Sitznummer merken und am andern Tag musste man
einfach zur nächsthöheren Ziffer wechseln. Die Reihenfolge ist so ausgetüftelt, dass man mal weiter vorn, dann wieder eher in der Mitte, dann hinten, mal rechts und mal links sitzt. Heute haben wir
eine lange Strecke vor uns, wohl etwa die längste bis jetzt. Stuart, der neue Fahrer nimmt's locker. Er sitzt bequem, die Ellbogen auf dem Steuerrad und die Hände in der Mitte gefaltet. Es geht ja
kilometerweit immer geradeaus Richtung Norden. Erster Halt ist ein Fotostopp am John Flynn Denkmal, dem Initiator der Flying Doctors. Sein Grab haben wir in Alice Springs gesehen, mit einem Stein dekoriert von
Devil Marpels. Hier zweigt der Barkley Highway nach Osten ab. Diese Abzweigung habe ich aus dem Flugzeug gut gesehen. Dieses lange, schwarze, ziemlich gerade Band und die rechtwinklige Fortsetzung nach links.
Was mich wunderte, waren die vielen roten Striche, die in einem Winkel von etwa 45° von der Strasse abzweigten und von oben wie eine Art Kamm aussahen. Jetzt kann ich sehen, dass es alles etwa fünfzig
bis hundert Meter lange, ausplanierte, flache Gräben sind, die wohl dazu dienen, das Wasser von der Strasse weg ins Feld hinein abzuleiten. Wir kommen ja jetzt in eine Gegend, die vom Monsun geprägt
wird. Und ich habe die feuchteste Jahreszeit für meine Reise gewählt.
Bis das Denkmal besichtigt und fotografiert ist, ist auch der Bus wieder aufgetankt und weiter geht's auf dem Stuart Highway. Langsam wird das karge Land saftiger und das Gras erscheint grüner. Man sieht
auch ab und zu Kühe weiden. Ein weiterer Bisihalt in Renner Springs beschert uns einen Blick auf einen kleinen See mit vielen weissen Kakadus in den Ästen der Ufergebüsche. Ein kleiner grüner
Vogel macht Shirley ganz aufgeregt. Es sei ein Bee eater, ein Bienenfresser. Auch diese hochstelzigen schwarzen Hennen, die purple Swampheads hühnern hier einfach über den Highway. Mindestens alle
zehn Minuten kommt ein Brummi oder sonst ein Gefährt. Mehr als ein solch dünner, plattgefahrener Ameisenschmaus zeugt von einer misslungenen Überquerung.
Während der Fahrt schwänzelt auch plötzlich eine etwa halbmeterlange Eidechse über den Weg. "A Lizard!" tönt's von den vordersten Rängen. Zum Bremsen reicht die Zeit nicht,
nur ein sorgfältiges Ausweichen unseres schweren Busses gegen die Mitte der Strasse und es hat ihr gereicht. Sie hat Glück gehabt. In den Sicherheitsinfo-Broschüren wird immer wieder darauf
hingewiesen, dass man während des Fahrens immer mit Tieren rechnen müsse und bremsbereit sein soll. Trotzdem habe allzu brüskes Bremsen schon viele ins Schleudern gebracht und das Fahrzeug
könne sich dabei überschlagen. Man soll immer daran denken, dass das eigene Leben wichtiger sei, als das einer Eidechse. Ob es auch jener Schlange gereicht hat, welche ein anderes mal über den
Asphalt tanzte, bin ich nicht sicher. Ihre Farbe war fast wie die Strasse und ich habe sie erst im letzten Moment entdeckt.
Ein sehr lichter Baumbestand von Eukalyptus und Akazienbäumen hat nun die Einöde des heissen Outbacks abgelöst. Zwischen den Stämmen wimmelt es von tausenden von Termitenhügeln.
Waren sie bis jetzt schlank und spitzig wie Giacometti-Skulpturen, dann haben sie nun wieder eher rundere Formen, so dass es aussieht, als ob Samichläuse, Osterhasen oder rostrote Gnomen den Wald
bevölkerten.
Lunch time ist im Daly Waters Pub, einer weit herum bekannten Absteige. Fran hat hier noch einen Kaffee zugut. Eine Sitte, wonach man ein persönliches Andenken, sei's ein Hut, BH's oder eine persönlich
signierte Geldnote aus aller Herren Länder hinterlässt, berechtigt einen bei einem Wiedersehen zu einem Drink. Wer war wohl jener Schweizer, dessen Zehnernote wie an einer Wäscheleine an einem
Balken aufgepinnt ist?
Lunch gibt es hier nicht aus unserem Picknickkorb, sondern den für Daly Waters berühmten Hamburger und dazu Chips, sprich Pommes, eingewickelt in ein unbedrucktes Zeitungspapier. Das heisst, ein
Riesending von einem Sandwich, gefüllt mit Salat, Randenscheiben, Tomaten und eben einer Riesenscheibe gebratenem Hackfleisch. Zum Glück ist das Brot so amerikanisch schaumgummig, sonst könnte
man wohl kaum hineinbeissen.
Hierzulande schreibt man nicht mehr Ladies oder Gents an die Toiletten, da sind's Dunnies und weil's nicht alle verstehen, macht ein Schild alles klar: Ladies Toilet, Dunnie, Long drop, Thunderbox, The Loo, Powder
Room, WC, The out house, Klo und Scheisshaus.
Schon sind wir wieder weiter unterwegs nordwärts. Ein penetranter Piepston unterbricht den Abba-Sound, der zur Auflockerung des eintönigen Motorengebrumms durch den Bus plärrt. Ein
Funkspruch aus dem Äther. Wegen Überflutung können wir heute nicht in Mataranka Homestead campen. Wir werden uns demnach nicht in jenem Palmen umwachsenen Thermalbecken entspannen
können, wie dies auf dem Programm vorgesehen ist. Ein Fluss ist dort ziemlich am Steigen und es bestünde die Gefahr, dass wir dann nicht mehr wegkommen, also wird umgeorgelt. Wir fahren weiter nach
Katherine. Der Jahreszeit wird alle Ehre angetan, wir fahren durch einen heftigen Regenschauer, aber wirklich nur ein Schauer. Bis wir Katherine erreichen, sieht alles wieder scheinheilig aus. Im
Nitmiluk Nationalpark auf dem Campingplatz finden wir genügend Platz. Kein Mensch ausser uns campiert hier.
Entsteigt man dem angenehm klimatisierten Bus, erschlägt einen die Schwüle fast. Erst wird geholfen, die Küche auszuräumen dann wird das Zelt an ein lauschiges Plätzchen geschleppt,
und schon trieft alles. Am besten versorge ich zuerst mal die Brille, denn damit sehe ich schon bald alles verschleiert. Bis die vier Heringe eingeschlagen und die Mittelstange aufgerichtet ist, bin ich komplett nass.
Mein neues Uluru T-Shirt ist hinten und vorn klitschnass, mit Ausnahme der BH-Form. Wir haben etwa 80% Luftfeuchtigkeit. So geschwitzt habe ich noch nie, ausser in einer Sauna und dort macht es wenigstens
Spass.
Ich habe meinen Platz zwischen drei Bäumen und neben einem Tisch mit Bänken ausgesucht. Das Zelt steht und jetzt geht's ans Einräumen. Doch tausend Ameisen haben inzwischen meine Tasche
erobert und inspizieren neugierig meine Habseligkeiten. Ich stelle alles zuerst auf den Tisch und hoffe, dass sie ihre Gwundernase gestillt haben, bis ich erst mal geduscht habe. Ich klopfe meinen Kulturbeutel aus
und schnappe mir ein paar frische Unterhosen und meinen Super-Wickelrock und halte Ausschau nach der Ladies Toilet. Nel will mir ziemlich aufgeregt was erzählen. Ich verstehe was von Fox und schaue wieder
mal blöd in die Welt. Lassen wir's, ich muss jetzt zuerst aufs WC. Da ist glaube ich auch nicht runtergespült worden. Schon will ich auf den Knopf drücken, da sehe ich, dass es ein grüner Frosch
ist, der mich mit grossen Augen aus dem Klo anstarrt. "Da ist ein Frosch im WC!" - Nels lakonische Antwort: "Das ist ja das, was ich dir sagen wollte!" ... Da das T-Shirt schon so nass ist, kann ich es auch geradeso gut
auswaschen. Ob die Wäsche wohl zum Trocknen kommt? Ich wringe sie einfach mal gut aus, eingewickelt in mein supersaugfähiges Handtuch und dann kommt sie an meine Wunder-Wäscheleine, die
zwischen zwei der drei Bäume gespannt ist, wo ich heute schlafe.
Muss ich wohl heut nacht die Fensterblachen schliessen? Mir das vorzustellen, treibt mir schon wieder den Schweiss aus allen Poren. Der Frosch im Klo war ja im Begriff aufzusteigen, also lege ich meine Matratze
einfach wieder quer ins Zelt, mit dem Kopf unter das Fenster und geniesse den feinen Durchzug der Nachtluft auf dem nackten, schweissnassen Körper.