Australien-Rundreise 2004 |
Ich habe diese Nacht lang wach gelegen, doch das Wetter hielt dicht. Nun erwache ich beim ersten Zipp. Es ist viertel vor fünf. Oder war es der erste Regentropf? Ein zweiter folgt, ein dritter... Das ist doch
wirklich unfair! Ausgerechnet jetzt! Ich versuche mein Gepäck ans Trockene zu retten. Stu kriecht im Bauch des Busses umher und probiert die Koffer von dort aus in Empfang zu nehmen und einzustapeln. Bis
ich das Zelt auf den einen Quadratmeter zusammengefaltet habe, hat seine Innenseite sicher etwa fünf Liter Wasser mitbekommen. Es ist heute auch merklich schwerer zum Schleppen. Die letzte Prüfung
wartet vor dem Verstauen im Anhänger. Dort versinkt man jetzt fast bis zu den Knöcheln im Sumpf. Bevor ich mich nun dusche und umziehe, helfe ich den beiden Hilden beim Zelt zusammenpacken.
Hoffentlich wäscht der strömende Regen wenigstens den ärgsten Dreck aus meinen Kleidern.
Endlich gibt's den verdienten Kaffee. Kim hat inzwischen die Küche auch unters Dach gezügelt und allenthalben ist man stehend am Frühstücken. Und jetzt, wo alles klatschnass ist und man die
Tische und Stühle einladen kann, hört der Regen auf! Jemand hat Galgenhumor und behauptet: "It could be worse".
Stuart will erst den Bus wenden, ehe wir alle einsteigen. Das rückwärts Manövrieren mit dem Anhänger, welcher allein sechs Tonnen wiegt, ist nicht so einfach. Bäume sind im Weg. Also
wieder vorwärts - wenn's geht! Die Antriebsräder beginnen sich in den Dreck zu fressen. Anfeuern mit ho - hopp, ho - hopp fruchtet nichts. Die beiden Hinterräder versinken tiefer im Schlamm. Die
Fussmatte, welche man vor dem Einsteigen zum Schuhe abputzen braucht, auch. Kartonschachteln, Rindenstücke der Eukalyptusbäume die zu Hauf herumliegen und ganze Äste - nützen nichts.
Schaufeln werden aus dem Anhänger geholt. - Nichts! Ein Tisch wird geopfert und unter ein Anhängerrad gelegt, welches auf der andern Seite zu versinken droht. Wie bringt man einen solchen Koloss
wieder flott. 23 Tonnen im ganzen. Die daheim haben mir ja einen starken Engel mitgeschickt. Warum soll denn nicht der dem Bus ein winziges Schübslein geben. Bei diesem Gedanken bin ich gerade am
Händewaschen auf der Toilette und schon höre ich draussen ein Brummen und Händeklatschen! Danke für das Schübschen! Nochmals vor, aber halt, dort liegt ein riesiger Stein. Gerade im
letzten Moment kann Stu noch stoppen und zu zweit holen sie den Brocken unter der Busfront hervor. Nachmals zurück und vor und diesmal knirscht's. Der beiseite geräumte Stein droht die Tür
aufzustauchen. Wieder Spaten her und den Stein untergraben um ihn wegzuräumen. Endlich geschafft! Wir sollen auf der Strasse warten, während der demolierte Tisch und die Schaufeln wieder versorgt
werden. Jetzt endlich können wir die längste Etappe unserer Reise beginnen.
Vor uns liegen zuerst einmal 600 Kilometer Stuart Highway, den wir auf dem Herweg gekommen sind. Bekannt sind nun die hier noch grünen und sumpfigen Weiten, die mit Akazien und Eukalypten,
wohlbestückt sind. Sagt man dem wohl jetzt Savanne? Dort, wo's nicht sumpfig ist wieder die hunderttausend Termitenhügel in allen Variationen. Fran schiebt ein Video ein, um die Eintönigkeit etwas
aufzulockern, dann schlafen die Meisten wieder. Ich finde das schade, ich sehe nämlich trotzdem immer wieder was Interessantes, und sei's auch nur einen Wald- oder Steppenbrand in der Ferne. Bei Daly
Waters sollten wir nach Programm jetzt in den Carpentaria Highway nach links abbiegen, wo sich einige der grössten Rinderfarmen Australiens befinden. Doch wir bleiben auf dem Stuart Highway, denn die
schmälere Strasse ist gesperrt. Sie würde uns noch mehr Abenteuer mit Schlamm und Hochwasser bescheren. In einem Pub beim langersehnten Kaffeehalt muss mir Renz unbedingt was zeigen. Hier bieten
sie nebst Ansichtskarten auch Kleber an mit Sprüchen für aufs Auto. Er deutet auf einen der etwa so lautet: Gehe ohne BH und du hast keine Runzeln im Gesicht! Da musste ja was kommen!
Es ist wirklich anstrengend, nichts zu tun und nur mitzureiten. Schnurgerade die Strasse, schnurgerade der Horizont, gleich schnurgerade wie auch die Grenze des Landes ist: eine auf der Karte eingezeichnete
schnurgerade Linie. Von Three Ways aus, wo auch das John Flynn Denkmal steht, zweigt die Strasse ab und jetzt geht's geradeaus weiter ostwärts. Draussen die immer gleichen Bilder: Büsche, Ebene,
Eukalyptus, Thermitenhügel.
Gegen Abend ändert sich die Landschaft langsam. Die Ebene sieht mehr nach Weideland aus. Wir sind nun offensichtlich im Land der Rinderfarmen angekommen.
Unser Camp ist heute in der Barkley Homestead. Wenn ein Farmer neben seinem Bauernbetrieb auch noch Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten anbietet, ist dies eine Homestead. Vielleicht so
etwas wie Ferien auf dem Bauernhof. Das habe ich jedenfalls so verstanden. Das Angebot der Verpflegung nehmen wir hier in Anspruch, Kim muss nicht kochen. In der mit altertümlichen
Landwirtschaftsgeräten dekorierten Gaststube serviert man uns Bratwürste, die schweizerisch sein könnten, mit Rüebli und Stock aus süssen und gewöhnlichen Kartoffeln.
Auf unserem Platz hat es heute wieder Gras, einen gedeckten Sitzplatz und 5000 Fliegen. Das ist der Preis dafür, dass es hier nicht mehr so schwül ist. Wir sind heute 842 Kilometer gefahren. Und ich
hab gelauert, bis Zelt sechs aus dem Trailer zu fliegen kam.