Australien-Rundreise 2004 |
Frühe Morgenstunden lassen einem eine erwachende Stadt noch viel friedlicher erscheinen. Es ist erst sieben und Charters Towers mit seinen hübschen einstöckigen Häusern und eben der alten
Börse ist noch nicht sehr belebt. Ich setze mir zur Aufgabe, dass ich einen so schmucken Queenslander auf meinen Chip kriege. Die Verzögerung bis zum Auslösen macht mir natürlich die Sache
nicht einfach und wenn von 50 Aufnahmen bei einem das Licht und die Distanz stimmt und das Sujet an und für sich getroffen ist, ohne dass davor ein Kandelaber, ein Auto oder Baum vorbeihuscht, dann kann
ich glücklich sein. Ein Queenslander ist ein auf Stelzen stehendes, quadratisches Haus in Holzrahmenbauweise mit einer umlaufenden Veranda. Es sei der einzige eigenständige Architekturstil Australiens.
Mit Charters Towers lassen wir aber die Zivilisation wieder hinter uns. Wir verlassen den Flinders Highway und folgen einer recht schmalen Strasse, welche uns durch das tropische Hochland des Atherton Tablelands
führt. Alles ist bewaldet. Es ist zwar kein dichter Wald und überall weiden darin die Kühe und Rinder, also ist die Gegend doch nicht unbewohnt. Auch Kängurus tun sich am frischen Gras
gütlich. Der Himmel ist grau und der Scheibenwischer ist meist in Betrieb. Niemand begegnet uns. Bald ist schon Zeit für einen Kaffeehalt. Greenvale ist ein kleines Dorf, wo Fran ein Restaurant weiss. Schon beim Einfahren
ins Nest hat es Wegweiser, die einen zum Sausage Tree führen. Im Garten des Restaurants kann man dann dieses Kuriosum bestaunen. Ein Baum, der statt Äpfel jetzt halt Würste hat. Sie sehen aus
wie Zucchettis. Die etwa zehn Zentimeter grossen auberginefarbigen Blüten sind eben am Abfallen, aber der ganze Baum hängt voller Früchte. Neben dem Schulhaus hat es noch einen zweiten solchen
Wurstbaum. Der Baum kommt in Südafrika, hauptsächlich in Mozambique, vor. Es hat in Australien nur noch zwei in Townsville und einen in Adelaide im Botanischen Garten. Dort habe ich ihn aber nicht
gesehen. Aber noch andere Bäume ziehen hier ihre Aufmerksamkeit auf sich. Direkt über der Strasse kokettiert einer im gelben Blütenkleid. Ein Busch erinnert an unseren Goldregen, nur sind seine
Blüten doppelt so gross. Im Moment scheint auch kurz die Sonne und man hat hier ein richtig frühlingshaftes Gefühl. Ein dritter, hoher Baum steht nicht mehr in Blüte, dafür gibt er mit
prallen, dicken Bohnen hoch an.
Die Waldreise geht weiter. Habe ich schon gesagt, dass es in Australien über 700 Arten von Eukalypten gibt? Meistens bestehen die Wälder aus solchen. Der Baumbestand ist nicht so eng. Der Boden hat
noch genug Licht für eine dichte Grasnarbe und daraus erheben sich Termitenhügel. Diese Ameisen hier gingen aber in eine andere Schule. Ihre Häuser sind nicht so schlank und spitzig, wie jene im
Northern Territory. Hier haben sie einen bulligen und runden Baustil. Es sieht aus, als ob kleine Elefanten durch den Wald bummelten.
Es ist Mittagszeit und wieder regnet es. Am Picknickplatz in Mount Garnet hat es nur ein öffentliches WC, aber keinen gedeckten Sitzplatz. So erleichtert man sich mal dort, wo's ein Dach hat und wartet die
Viertelstunde ab, bis man seinen Lunch am Salatbuffet fassen kann. Am Trailer hat man einen grossen Plastikvorhang angebracht, um wenigstens den Tisch, wo die Schüsseln aufgestellt werden, am Trockenen
zu haben. Dann sieht man Leute mit Schirm und Plastikteller über die Strasse wandern, dort wo man bei der Tankstelle noch was zu Trinken dazu bekommen kann. Es sagt aber auch niemand was, wenn man dort
nur unter dem Vordach seinen Teller leer isst. Heute steht mein Sinn nach einem heissen, guten Kaffee, aber ich sehe nirgends eine entsprechende Maschine. Also probiere ich's mal hundert Meter weiter. Doch auch in
jenem Pub, wohin einige in Erwartung eines besseren Lunches entflohen sind, erhalte ich nur den allgemeinen, angebrühten Feld- Wald- und Wiesenkaffee. Auch die andern haben keinen guten Schigg gemacht. Sie
sitzen vor einer Portion Pommes, da hätte es beim Trailer doch mehr Auswahl gehabt ...
Unfreundliches Fotzelwetter begleitet uns. Alle Creeks führen eine Menge Wasser und man kann sogar sehen, wie sie am Anschwellen sind. Mehr als einmal pflügen wir auch durch eine überschwemmte
Fahrbahn. Die Bergstrasse führt uns weiter über einen 920 m hohen Pass der Tablelands. Windy Hills heisst es hier, doch die Windmühlen, die Strom machen sollten, stehen still. Es ist neblig und
trüb. Die Gegend sieht hier fast schweizerisch aus, hätte es nicht so fremdländische Bäume. Auch schwarz-weiss geflecktes Vieh, es kommt mir fast vor, wie im Oberbaselbiet. Und doch, ein paar
Kilometer weiter biegt der Bus um eine Kurve und wir befinden uns in einem richtigen Regenwald, nicht nur weil's regnet. Die Pflanzen, die hier am Strassenrand zu sehen sind, wachsen im Baselbiet höchstens in
den Stuben. Ein Philodendron scandens rankt sich direkt neben dem Parkplatz an einer Liane empor. In Millaa Millaa hat Stu bei einem richtigen Dschungelfall angehalten. Ein Wasserfall wie ein Vorhang, ergiesst sich in
einen Pool, der rings umgeben ist von Urwaldbäumen und Farnen.
Es geht noch eine ganze Weile weiter durch vertraut scheinendes Gebiet. Das Gras wächst hier fast zum Himmel. An einem Ort ist es so hoch, dass man von den Kühen gerade noch den Rücken sieht.
Nur die Häuser, die heimeln nicht an, meistens sehen sie aus, wie bei uns die Gefährte, die auf den Caravan-Plätzen stehen, eigentlich eher wie Baracken und dem sagen die "Häuser"!
Ein Wegweiser kündet Nick's Restaurant an. Dabei macht er mit dem Schweizerkreuz Reklame. Auch er hat sich wohl hier wie zuhause gefühlt, dass er sich da niedergelassen hat. Es gibt noch eine
Attraktion im Wald zu sehen. Das ist der Curtain Fig Tree, eine riesiger Würgefeigenbaum. Man hat einen hölzernen Steg um diesen Baum herum gebaut, vielleicht zweihundert Meter lang. Man staunt ob
dieser vielen langen Luftwurzeln, welche sich wie ein Vorhang von der Krone des Baumes bis zum Boden drapieren.
Noch bevor wir Cairns erreichen, müssen wir die Gillis Ranges bezwingen. Eine ziemlich kurvenreiche Bergstrasse führt uns talwärts. Für Schweizeraugen wieder nicht sooo spektakulär,
jedoch sieht man bei einigen Mitreisenden eine heilige Ehrfurcht im Gesicht geschrieben.
Dann liegt es vor uns. Das Meer mit seinem einzigartigen Riff weit draussen. Der Campingplatz liegt in Cairns selber. Da es aber dort keinen gedeckten Platz hat, müssen wir uns selber einen konstruieren. Bis
jetzt haben wir sie noch nie benötigt, aber wir führen oben in unserem Trailer eine riesige Zeltblache mit. Fran hat für jeden von uns eine Arbeitseinteilung gemacht. Und noch bevor wir auf den
Zeltplatz fahren, weiss jedes sein ihm zugeteiltes Ämtlein. Alle müssen mithelfen. Starke Männer fassen Mittelpole und die äusseren Stützstangen. Alle Frauen und jene, denen man nicht
lange eine grosse Instruktion auf Englisch erklären kann, stehen bereit und nehmen die Blache in Empfang, wenn sie abgerollt wird. Sie darf nicht auf den Boden kommen. Dann muss man sie so lange hochhalten,
bis alle Stützen festgezurrt sind. Das tönt ja ganz abenteuerlich.
Zuerst bekommen wir wieder von der Rezeption unsern Platz zugeteilt. Das ist noch einfach. Es ist nur eine Rasenfläche im ganzen Campground vorhanden, wo man Zelte aufstellen kann. Das andere ist alles
überbaut mit Bungalows, die alle in Gärten mit Palmen, Bäumen und blühenden Sträuchern schön versteckt sind. Der Weg, wo Stu jetzt den Trailer rückwärts hinein
manövriert, scheint aber auch schon recht aufgeweicht zu sein. Auch im Rasen hat es nicht erst eine Pfütze. Es scheint, dass wir hier interessierte Zuschauer haben. Bewaffnet mit Röllelikoffer und
sonstigem Gepäck. Erst jetzt dämmert mir, dass ja das die neuen Teilnehmer unserer Gruppe sind, die hier zu uns stossen. Zwölf Neue. Es seien vier Paare und vier Single Männer, Kanadier.
Vielleicht ist da was für Hilda dabei? Dug und Charlene werden uns morgen verlassen, dann werden wir 39 sein. Das heisst, wir müssen etwas zusammenrücken im Bus. Ich warte mal ab, ehe ich mich
entschliesse, mit jemandem "zusammen zu ziehen". Es hat mich auch niemand gefragt. Vielleicht ist ja jemand von den Neuen dabei, der deutsch kann.
Jetzt geht's aber an die Arbeit. Als erstes werden wir mal von einer Wolke Staub berieselt, und Mund und Augen geschlossen, greifen wir in die Luft um das Ende der Blache zu greifen. Stu und Kim kontrollieren
den Haspel, damit sich die Rolle nicht zu schnell abwickelt. Es klappt alles wie am Schnürchen. Bald tragen etwa zehn Stützen, welche mit Seilen und starken Heringen verankert werden, das recht schwere
Dach, unter welchem wir das "Esszimmer" aufbauen können. Es ist gut, habe ich meine Zehenschlappen an, die Wiese, sofern vorhanden, schmatzt ganz ordentlich.
Drei Nächte bleiben wir hier. Diesmal könnten wir ja auch streiken. Kanada Hilda und ich sind uns bald einig. Wir werden zusammen versuchen, ein Zimmer zu bekommen, so wie es Rob immer und andere
manchmal machen. Also reihen wir uns in die lange Schlange vor der Rezeption ein. Es hat auch Vierer-Bungalows. Da würden Hilde und Emma auch mitmachen. Jetzt ist Suzan an der Reihe mit einchecken. Sie
ist auch eine von jenen, die das Zeltaufschlagen nicht so lieben. Sie findet heraus, dass man sogar zu fünft ein Bungalow haben kann. Wenn man das dann aufteilt, zahlt jedes für alle drei Tage nur 44 $.
Es müssten sich aber zwei ein Französisches Bett teilen. Mit Kanada Hilda kann ich das schon. Wir sind einverstanden. So haben nun alle von uns fünf Single Frauen ein festes Dach über dem
Kopf. Dann soll doch der Regen kommen ...
Es dachten jedoch nicht alle so egoistisch wie wir. Es hat noch solche unter uns, die ein bisschen solidarisch denken und eisern ihr Zelt trotzdem aufgeschlagen haben. Sie wollen die Neuen doch nicht so vor den Kopf
stossen. Für diese ist es sowieso nicht so einfach, in eine Gruppe hineinzukommen, die nun schon seit drei Wochen zusammengewachsen ist.
Bis wir unser Appartement bezogen haben ist auch schon happy hour. Fran ist noch am Informieren, wie der Karren bei uns läuft, während ich mit Barry den Apéro geniesse. Ich habe mich jetzt
schon ein bisschen an die Sprache gewöhnt und verstehe die meisten schon etwas besser. Obwohl ich mit den Engländern am meisten Mühe habe. Das heisst eigentlich nur mit Al, Rob und Emma. Diese
staune ich meistens nur an, wenn sie etwas zu mir sagen. Barry erzählt mir nun (er ist übrigens auch Engländer), dass er Rentner und geschieden ist, er aber eine Freundin hätte. Sie hat
Herzprobleme und wollte deshalb solch einen Trip nicht mitmachen. Ich finde es gut, dass er sich das jedenfalls nicht vermiesen lässt und es allein gewagt hat. Und jetzt wage ich auch etwas für mich
allein! Fran ist mit ihrer Information fertig und ich stelle mich breitbeinig an den Tisch, wo sie eben gestanden hat. Ich hätte da ein Problem, ich würde nämlich immer die Hälfte nicht verstehen
und möchte gerne wissen, ob jemand in dieser Runde Deutsch spricht. Auf Englisch vorgetragen, wohlgemerkt! Ja, Wir kommen aus der Schweiz!...... Am liebsten würde ich jetzt gerade Ernst und Susanne
umarmen, so lieblich tönt das Schweizerdeutsch in meinen Ohren. Sogar selber schweizerdeutsch zu sprechen kommt mir im ersten Moment fast ein bisschen fremd vor. Na, was bin ich jetzt glücklich!
Das zweite Ehepaar sind Martyn und Hilary aus England, dann ein Vierergespann aus Wales, zwei Schwestern mit zwei Schwägerinnen. Dass ich Wales nicht zu England zählen darf, weiss ich jetzt schon.
Dann sind Philipp und Brian aus England da, Ian (der zweite Ian in unserer Gruppe) aus Schottland und Bob aus Kanada.
Unser Bungalow ist durch eine kleine Küchenkombination und einen Kasten auf deren Rückseite in zwei Räume aufgeteilt. Wenn man im vorderen Raum das dritte Bett unter dem zweiten hervorzieht,
bleibt zum Tanzen nicht mehr viel Platz. Aber wir wollen ja auch nur am Trockenen schlafen. Auf unserer Seite, gerade neben dem Doppelbett ist ein Klimagerät, welches auch mit dem Hausschlüssel in
Betreib zu setzen wäre, wie jenes in Darwin. Doch das graust mir. Auch Hilda ist mit mir einig. Wahrscheinlich wären wir Eiszapfen und jene drüben hätten doch nichts davon. Wir sagen denen
einfach nichts und lassen wenigstens den Propeller auf Hochtouren laufen. Einen solchen haben sie drüben nämlich auch. Aber trotzdem ist es entsetzlich schwül. Doch lieber noch schwül, als am
Morgen Halsweh.
Ich erwache ob einem Weinen. Noch ehe ich mich erinnere, wo ich bin, ist neben mir Hilda schon aufgestanden. Drüben weint jemand - richtig - tröstende Worte von Hilda. Ich glaube es ist Emma. Etwas
später geht Emma ins Bad und Hilda kommt wieder ins Bett. Es war Emma. Sie hatte so einen starken Krampf in den Beinen, der sich nicht lösen wollte. Ihre Mutter leide auch unter diesem Phänomen.
Für mich ist das erstaunlich, bei so einer jungen Frau. Aber vielleicht leistet ihr Gewicht dem auch Vorschub und sicher nicht zuletzt das lange Sitzen im Bus.
Gegen Morgen wird unsere Ruhe nochmals gestört. Draussen kübelt es. Wie ein Trommelfeuer prasselt der Regen irgendwo auf ein blechernes Vordach. Wie wir uns doch zu unserem Entschluss, ein Zimmer
zu nehmen, gratulieren!