Auch heute Nacht hat es auf das blecherne Vordach geprasselt. Ob man bei Fotzelwetter auch was von den Korallen sieht?
Nach dem Frühstück warten wir nun vorerst auf der Strasse auf den Bus, der uns zum Riff-Hafen führt. Stu hat nämlich heute frei und es ist bis dort nicht so weit zu fahren, jedoch zu weit
zum Gehen. Beim Reef Fleet Terminal braucht Fran einige Zeit für den Papierkram und wir haben Zeit für einen Kaffee. Ich wende mich dem Nobelhotel zu, welches gerade an den Platz angrenzt und bin
angenehm überrascht. Kaffee könnte man jede Menge bekommen, WC hat's auch und Shops soviel, bis einem die Ohren wackeln. In einem Fotoladen hat es jede Menge dieser Unterwasserkameras, von
welchen sie alle gesprochen haben. Ernst hat auch eine und Fran ist mit einem wasserfesten Filzstift gekommen, damit man die Seine anschreiben kann. Um sechzehn Franken kostet hier eine Einmal-Kamera. 25 Bilder
kann man damit machen und dann schmeisst man sie weg. Irgendwo hört es da bei mir aber auf. Natürlich will ich schnorcheln und natürlich möchte ich gerne selber festhalten, was man denn
dabei so Wundersames sieht. Eine Kamera für einen Film. Die ganze Optik, die man dafür braucht. Einfach weg. Ich lasse mich in eine Diskussion ein mit der Verkäuferin. Selbstverständlich wird
das Ganze rezykliert. (Vielleicht der Plastik zusammen mit den Petflaschen oder was?) Der Teufel stichelt. Soll ich doch? - Nein, ich bleibe dabei. Das ist es mir nicht wert. Das besondere Wunder schwimmt mir ja
ganz bestimmt dann nicht vor die Linse, also was soll's!
Inzwischen hat Fran alle Formalitäten erledigen können und wir warten auf unseren Katamaran. Es ist ein hypermodernes, komfortables Schiff. Ich suche mir zusammen mit Hilde einen Platz in den oberen
Gefilden. Es kommt einem vor, wie in einem Flugzeug. In den gepolsterten Sesseln kann man sich gemütlich zurücklehnen. Unten an der Theke kann man sich gratis einen Kaffee geben lassen. Dann wird man
aufgefordert, Platz zu nehmen und nicht mehr herumzuwandern. Man wird jetzt nämlich gezählt. Zwei junge Männer flitzen durchs ganze Schiff, in der Hand jeder einen Zähler, wo für
jeden Gast einmal auf den Knopf gedrückt wird. Es sieht fast aus wie bei den Buben, wenn sie mit ihren Pistolen auf alles was sich bewegt, auf den Abzug drücken: peng - peng - peng.
Haben am Schluss beide Zähler gleichviel, darf man sich wieder bewegen, sonst fängt alles wieder von vorne an.
Es stimmt und wir stechen um halb elf Uhr in See. Gleichzeitig beginnt es auch zu regnen. Nach vielleicht einer halben Stunde kommen wir an Green Island an, wo wir erst nochmals eine ganze Menge bis auf die Haut
durchnässte Passagiere aufnehmen.
Dann kommen die Tauchlehrer und Schnorchel-Führer und man kann sich bei ihnen zu einer geführten Schnorcheltour, einer Unterwassertöff-Fahrt und gar zu einem Tauchgang anmelden. Mann muss
kein Tauchbrevet haben. Das wird einem alles in einem Schnellzugkurs beigebracht. Nein, ich bin jetzt sechzig, da hätte ich eher damit beginnen sollen. Ausserdem wäre es bei meinen Sprachproblemen nur
ein Handicap. Kanada Hilda hat sich aber voller Begeisterung angemeldet und geht, noch ehe wir am Ponton anlegen, zur Vorinformation. Ganz enttäuscht kommt sie zurück. Sie wurde abgelehnt, weil sie
Asthmatikerin ist. Schade, aber die gesundheitliche Sicherheit muss vorgehen. Während der ganzen Fahrt wird an einem Bildschirm die Wunderwelt des Riffs gezeigt. All die Fische und Korallen und auch
die Unterwasser-Töffs, welche auch angeboten werden. Scuba-Doo sagen sie dem. Für 130$ kann man mit solch einem Gefährt die Korallen erkunden. Der Kopf steckt in einer grossen runden Haube,
während man auf einer Art Bob sitzt, von welchem die Luft in die Kopfkugel geführt wird. So braucht man keine Tauchmaske und auch keinen so lästigen Schlauch im Mund. Auch in den Situationsplan
des Pontons können wir uns schon mal vertiefen. Um halb eins werden wir nämlich an diesem bei den Riffs draussen verankerten Floss, oder wie man dem sagen soll, ankommen. Um zwölf hört
der Regen nun auf und bis wir beim Ponton angelangt sind, hat der Himmel schon viele blaue Flecken. Der Petrus meint's gut mit uns. Der Ponton ist riesengross, sogar mit einem Sonnen-Oberdeck. Alles steigt aus, bis
auf Rob. Ihm ist elend und er leidet. Dabei waren es ja gar nicht so grosse Wellen und unser Schiff ist ein Katamaran. Da bin ich mal wieder privilegiert und voller Tatendrang schaue ich mich erst mal um. Carolyn,
Jamie, Al und Martin wollen tauchen und haben schon bald ihre Neopren-Anzüge an. Alles geht am Anfang gut, doch Carolyn schafft es nicht mit dem Lungenautomat. Sie muss aufgeben. Aber Martin steht kurz
vor der Begegnung seines Lebens. Ein riesiger Fisch wird ihn küssen ...
Aus grossen Bottichen kann man sich mit der richtigen Grösse von Schwimmweste (obligatorisch), Flossen, Tauchmaske und Schnorchel eindecken. Als Schnorchel habe ich lieber meinen von daheim mitgenommen.
Wahrscheinlich gibt es ja schon eine Desinfektionslösung hier, wo sich jeder bedienen kann, aber trotzdem. Vielleicht bin ich da etwas komisch. Bald schon wimmelt es rund um den Ponton von signalroten Westen
und leuchtend gelben Röhrchen. Sie haben uns eingeschärft, dass wir immer zu Zweit sein sollten. Nur, wer wartet auf mich? Ich werde immer wieder abgetrieben. Ausserdem kann man in der
Unterwasser-Perspektive die Distanzen überhaupt nicht einschätzen. Man darf nicht auf Korallen treten. Dabei kommen sie da vorn ja fast bis an die Wasseroberfläche, also gehe ich lieber wieder
zurück und mache einen weiteren Bogen. Doch ich lande wieder am gleichen Ort und mit dem Massstab von herumschwimmenden Beinen stelle ich fest, dass die Distanz bis zu den Korallen noch längstens
gross genug ist, um sogar in aufrechter Stellung darüber hinweg zu kommen. Noch scheint die Sonne hier nicht bis zu den Korallen, sodass ihre schimmernden Farben gar nicht so richtig zur Geltung kommen
können. Schon sind die ersten Taucher unter mir. Ihre Luftblasen kullern wie silbrige Kugeln zu mir herauf. Da kommen zwei Scuba-Doo auf mich zu. Sie sind aber nicht ganz unabhängig unter Wasser. An
ihren Helmen ist ein Seil festgemacht, an welchem oben eine weisse Boje oder so was ähnliches schwimmt. Jetzt komme ich hier wieder in den Stress, um denen auszuweichen, ich möchte mich nicht um ihr
Seil wickeln lassen. Irgendwie stellt sich der wundersame Frieden, den ich in Erinnerung habe, als ich das erste mal über eine solche Wunderwelt geschwebt bin, nicht ein. Da sind wieder zwei Beine. Sie
gehören der Kanada Hilda. Sie hat den Dreh mit dem Schnorchel noch nicht ganz raus und ich probiere, sie etwas aufzumuntern. Die Zeit vergeht rasend schnell. Hilda hat sich zu einer geführten
Schnorcheltour angemeldet, da das Tauchen nicht geklappt hat. Und mit Schrecken stellt sie fest, dass die ganze Gruppe schon bereit ist. Sie hat nicht mehr Zeit, ihre Unterwasserkamera zu holen. Auch ich
hätte, bis jetzt wenigstens, noch nichts Sensationelles knipsen können.
Zwei Sachen möchte ich noch machen, essen und Glasbodenboot fahren. Nachdem ich den Fahrplan studiert habe, hole ich mir also zuerst einen Teller und bediene mich am reichhaltigen Buffet. Schade, es hat
so gute Sachen hier, dabei möchte ich nochmals schwimmen, also sollte man etwas zurückhaltend sein. Mein Timing stimmt irgendwie heute schlecht. Bis zur Abfahrt des Bootes, welches auch hier am Ponton
anlegt, ist wieder nicht genügend Zeit, um nochmals zu Schnorcheln. Die letzte für mich noch mögliche Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde und ich stelle mir vor, dass man dabei bedeutend mehr
sehen kann, als nur beim Schnorcheln.
Ich täusche mich nicht. Es ist nicht ein Glasbodenboot, sondern eine Art Halb-Unterseeboot. Man steigt in den Rumpf des Schiffes, welcher unter dem Wasserspiegel liegt. Die Schiffswand besteht aus Fenstern
und auf einer umlaufenden Bank kann man sitzend alles wunderbar betrachten. Kamera-Froschmänner und -Frauen knipsen was das Zeug hält. Schon vorher sind sie um die Taucher und Scuba-Doos
scharwenzelt und auch an Deck waren sie eifrig am Werk. Mich haben sie erst jetzt erwischt, selber mit dem Fotoapparat in den Händen. Die Papparazzi entfernen sich, dafür kommen jetzt ganz viele,
etwa halbmeter grosse Fische und umkreisen unaufhörlich das noch angebundene Boot. Neugierig äugen sie zu uns herein, amazing! Dann gleiten wir über Hügel und Täler voller skurrilen
Formen und Strukturen, deren Art man über dem Wasser mit nichts vergleichen kann. Einzelne Fische, die daher getanzt und geschwebt kommen und sich in einer blauen Lautlosigkeit wieder davon machen und
ganze Schwärme von winzigen Fischlein, die wie eine Walze dahergerollt kommen und aus nicht sichtbaren Gründen blitzschnell ein paar Meter davon weichen, ohne ihre kompakte Form zu verlieren. Die
Sonne scheint nun hinunter bis zu den Korallen und lässt ihre Farben leuchten. Schade, dass mir die Zeit nun wiederum nicht mehr reicht, nochmals ins Wasser zu steigen. Aber wir haben ja so viel bekommen.
Die Sonne war mit uns und der Regen hat uns verschont. Was wollen wir noch mehr! Es war wunderschön.
Noch bevor wir wieder ins Schiff umsteigen müssen, haben die Paparazzi einen Vorabdruck ihrer Ausbeute an eine Wand geheftet, auf dass man sich die Nummer merken soll, mit welcher man sich dann seine
Foto für 20$ abholen kann. Im Dutzend kommt's glaube ich billiger. So haben sich die meisten unserer Gruppe zusammengetan und zahlen im Grossauftrag noch etwa 15$ pro Bild. Beim Heimfahren werden nun
alle eingefangenen Bilder in einer Diashow an den Bildschirmen widergegeben. Martin mit dem Fisch, Ernst beim Schnorcheln, hundert Japaner mit dem Daumen-nach-oben, Rita im Unterseeboot und soweiter und
sofort ...
Während wir nochmals bei Green Island anlegen, spannt sich ein Regenbogen über die Insel, welch friedliches Bild!
Beim Aussteigen in Cairns formiert sich die ganze Belegschaft des Schiffes zu einem Spalier und verabschiedet sich so von ihren Gästen, mit denen sie heute den ganzen Tag zusammen waren, welch ulkiges
Bild!
Wir haben nun die Möglichkeit, entweder mit dem Bus heimzufahren, oder halt noch in Cairns "go lädele". Eigentlich möchte ich gerne irgendwo etwas Feines essen und Ernst und Susanne haben
nichts dagegen, wenn ich mich ihnen anschliesse. Alle Neuen, ausser dem Wales'schen Quartett, sind mit von der Partie und erst müssen sie im Woolworth was posten. Fast das gleiche Bild wie am zweiten Tag:
Alle kommen daher mit einem Kissen unter dem Arm.
Martyn kennt sich glaube ich ein bisschen aus hier, wahrscheinlich hat er die Stadt schon vorher unsicher gemacht, bevor er zu uns gestossen ist. Zielgerichtet führt er die ganze Gruppe zu einer Wirtschaft, wo
happy hour ist. Wenn man dort vor Viertel vor sechs bestellt, hat man 30 % Rabatt. Natürlich bestelle ich mir den Fisch des Tages. Es ist nicht Bäremani, doch er schmeckt hervorragend. Martyn und Hilary
verschwinden hinter einem Berg von Seafood und auch der Rest scheint glücklich zu sein.
Susanne hat einen Fahrplan des öffentlichen Verkehrs dabei und dank dieser Vorsorge reicht es uns auf den letzten Bus, welcher uns zurück zum Camp bringt.
Es ist etwas nach neun Uhr. Unser Bungalow ist dunkel. Niemand zuhause, oder schlafen schon alle? Suzan, unsere Schlüsselverwalterin haben wir noch in der Stadt gesehen, zusammen mit den andern
Holländern. Dutch Hilde ist direkt heimgegangen. Sicher hat ihr Suzan den Schlüssel mitgegeben. An der Tür klebt mit einem Heftpflaster befestigt ein Zettel. Hilde hat was auf Holländisch an
Suzan geschrieben. Darunter kann ich in Englisch entziffern, dass Emma und Hilda in der Laudry zu finden sind. Also gehe ich mal dorthin auf die Suche. Dort läuft irgendwo ein TV, doch die Beiden kommen mir
schon entgegen. "Hast Du den Schlüssel?" "Ich - warum ich?" - "Was hat denn Hilde der Suzan geschrieben?" Wollen sie wissen. "Es ist ja holländisch, das hab ich nicht gelesen." Gut, dass Holländisch
so viel Ähnlichkeit hat mit Deutsch. "Ich bin mit den anderen Schuhen noch etwas spazieren gegangen" heisst das hier zweifellos. Mit den anderen Schuhen? Natürlich! Hier stehen Hildes Wanderschuhe vor
der Tür und darin versteckt ist der Schlüssel. Da ist man doch wieder mal froh um deutsche Hilfe!
Auch Suzan ist bald daheim. Sie hat sich ein Taxi genommen. So kehrt bald Ruhe ein, bis diese wiederum von einem Trommelfeuer auf dem Blechdach unterbrochen wird.