Der Regen draussen könnte einen schon an die Sintflut erinnern. Um halb sechs Uhr lässt er zwar nach und bis zum Frühstück zeigt sich der Himmel schon fast scheinheilig. Ich muss heute kein
Zelt zusammenpacken, also konnte ich nach dem Aufstehen noch im angenehmen, sauberen Badezimmer unseres Bungalows gemütlich duschen. Schön sauber erscheinen alle auf dem Zeltplatz. Der Boden
gleicht hier jetzt eher einem See. Alles isst im Stehen. Man hat das Gefühl, dass sich das Wasser vor allem unter unserem so schönen Dach ansammelt, also will hier niemand sitzen und die Füsse im
Schlamm baden. Ich dachte ich sei clever, jedoch meine Zehenschlappen an den Füssen saugen sich bei jedem Schritt in den Schlamm fest. Der Riemen dehnt sich um die Zehen und wenn auch die Sohle mit einem
schnappenden "Schmatz" nachkommt, spritzt der Dreck den Rücken hoch bis zum Kopf.
Barfuss wäre doch noch besser. Ausserdem müssen wir nun das Dach wieder einrollen. Dazu sind wieder alle gefordert. "All people under the roof"! Obwohl das Dach nass und recht schwer geworden ist,
geht alles viel besser, als ich gedacht hätte. Jetzt muss nur noch der Trailer angekoppelt werden und wir sollen schon zur Rezeption voraus gehen. Man liebt es nicht, wenn bei Manövern zugeschaut wird.
Na, wenn's bei diesem bodenlosen Sumpf nur nicht wieder ein Schübschen braucht ...
Wir warten und warten, bis endlich Fran ganz kleinlaut kommt und sagen muss, dass der Bus wieder im Sumpf steckt. Zuschauen ist verboten. Ernst wird davongejagt. Sie wissen halt nicht, dass er Meister ist im
Traktorpulling. Er könnte ihnen bestimmt ein paar nützliche Tipps geben. Vielleicht ist es auch besser für ihn. Es tut ihm in der Seele weh, wie die drei sich anstellen.
Mit dreiviertel Stunden Verspätung auf die Marschtabelle, können wir dann doch endlich starten. Alles sieht frisch verregnet aus und tief kriechen die Nebel dem Boden entlang. Auf der rechten Seite
begleitet uns eine Hügelkette, doch die Wolken geben ihre Kuppen nicht frei. Sie gehören auch zu den Great Dividing Ranges. Divide heisst teilen. Und die Berge teilen das Küstengebiet von den riesigen
Ebenen des Inlandes. Der Streifen ebenes Land zwischen den Hügeln und dem Meer ist angebaut mit weiten Zuckerrohrfeldern. Es gibt aber auch Bananen-, Papaya- und Zitrusplantagen, der Zucker jedoch
herrscht vor. Wir fahren an grossen Zuckermühlen vorbei. Cardwell sei der Ort mit der höchsten Niederschlagsmenge pro Jahr. Das glaube ich jetzt aufs Wort. Wolkenbruchartig stürzen die Wasser
vom Himmel und wie ein Schiff pflügen wir durch die Strassen.
Waren Richmond und Hughenden Viehstationen, ist Ingham jetzt eine Zuckerrohrstation. Auch hier hat es eine grosse Zuckermühle. Die Ortschaft selbst hat einen ziemlich italienischen Charakter.
Langsam beginnt sich die dicke Wolkendecke aufzulockern und je mehr es gegen Mittag geht, desto heiterer wird das Wetter. Mit der Tornadowarnug war es jetzt jedenfalls nichts. In Townsville ist der Himmel
schon ganz blau und der Bus hält zum Lunch an einem wunderbaren Sandstrand. Kim hat hier in einem Strandrestaurant Fish n'chips bestellt, welche sie nun in Empfang nehmen und verteilen kann. Früher
sei der Fisch in richtiges Zeitungspapier eingewickelt gewesen. Da hat heute die Lebensmittelverordnung wohl etwas dagegen, bedruckt ist es nicht mehr, aber das Format stimmt immer noch. Wahrscheinlich hält
das auch schön warm. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen unter den Palmen am wunderschönen Strand, jedoch es ist kein Badestrand, jedenfalls in dieser Jahreszeit nicht. Badeverbotsschilder
weisen auf die giftigen Quallen hin, die jetzt das Baden unmöglich machen. Eine Begegnung mit ihnen könnte tödlich enden, oder jedenfalls einen Spitalaufenthalt nötig machen. Erste
Hilfe-Stationen enthalten hier nicht einen Rettungsring, sondern eine Flasche mit Essig, welche in einer Art Briefkasten griffbereit ist. Schade um den schönen Strand.
Wir folgen dieser Küste noch weiter bis nach Airlie Beach. Das ist der Ausgangspunkt, von wo man zu den vielen vorgelagerten Whitsunday Islands gelangt. Auf einem grossen Platz mit schöner Wiese
können wir unsere Zelte aufschlagen. Wir werden zwei Nächte hier bleiben. Diesmal sind wir nicht die Einzigen im Camp. Ein zweiter Bus ist auch angekommen. Er ist etwa so gross wie der unsere, jedoch
ist es eine Gruppe von nur etwa 15 Leuten - Deutsche. Auch brauchen diese kein Zelt aufzuschlagen. Sie haben ihr Bett am Trockenen im Bus. Zum Schlafen klettern sie einfach in ihre Schublade oder Nische. Mich
erinnert das Bild an die Katakomben. Dann doch noch lieber im Zelt, wo man, falls es nicht schifft, wenigstens die Sterne sehen kann.
Ich habe ein Plätzchen gefunden zwischen einem Flaschenbaum und einer Palme. Der Boden ist ein klein bisschen schräg, auf dass das Wasser vom Bett weg fliesst... Teresa, meine heutige Nachbarin, macht
mich darauf aufmerksam, dass ich doch noch ein Bisschen weiter rechts gehen soll. Sie scheint mehr Camping-Erfahrung zu haben, denn die kleine Neige, die ich ausnützen will, bildet das flache Ufer eines
Baches. Noch ist es harmlose Wiese, aber falls noch mehr Wolkenbrüche die Nacht beleben sollten, könnte es sein, dass ich dann mitten im Wasser stehen würde mit meinem Zelt.
Die Mücken sind hier ziemlich aufsässig und der Konsum meines Antibrumms ist enorm. Eine Riesenausgabe eines flügellosen Insekts möchte ich aber eigentlich nicht vertreiben, im Gegenteil, es
muss mir sogar ausführlich als Fotoobjekt herhalten. So schön habe ich noch nie eine Gottesanbeterin vor der Linse gehabt.