Australien-Rundreise 2004 |
Um halb sechs wecken einen die Vögel. Diesmal sind es mit Bestimmtheit die Papageien. Ich schaue mal draussen nach, ob die Wäsche trocken ist. Auch Kanada Hilda kommt aus dem benachbarten Zelt. Da
erst um halb acht Morgenessen ist, bleibt uns genügend Zeit für einen Spaziergang zum Strand. Ich möchte nicht unbedingt schwimmen, nur ein Foto Richtung Westen machen. Gestern abend ging das
nur Richtung Osten. Wir treffen John bereits am Schwimmen und auch Martin ist schon unterwegs. John schwärmt dermassen vom herrlichen Bad, dass wir uns gerade verführen lassen. Es stimmt schon,
was gibt es Schöneres, als den Tag mit einem Bad in so klarem, herrlichem Wasser an so einem wunderbaren Strand zu beginnen?
Nach dem Frühstück hat Stu nicht sehr viel Arbeit. Er muss uns nur ein paar Kilometer weiter zum Fährhafen bringen, von wo aus wir mit dem Schiff nach Fraser Island gelangen. Unterwegs setzt er
Kim bei einem Einkaufscenter ab, wo sie ihre Vorräte wieder mal ergänzen kann.
Fraser Island ist eine reine Sandinsel, jedoch Millionen von Jahren alt. Trotz nährstoffarmer Dünensande ist die ganze Insel von einem richtigen Urwald überzogen, in welchem Bäume bis zu 60
Metern Höhe wachsen. Als man auf der Insel wertvolle Hölzer entdeckte, wurden die eingeborenen Aborigines einfach vertrieben. Vor allem eine Holzart, die nur hier vorkommt, die "Satinay" war begehrt.
Seit 1992 zählt die Insel nun zum "Weltnaturerbe der Menschheit". Die sandigen Wege und langen Strände dürfen nur mit einem Geländewagen befahren werden.
Also wartet uns nach kurzer Überfahrt ein allradangetriebener Bus. Stu konnte heute morgen schön einflechten, dass man da nicht im Badekleid mitreiten dürfe. Wegen Sonnencreme auf den Polstern
und so. Eine Sandpiste, welche man im Einbahnverkehr "durchpflügt", führt vorerst durch eine weite Strecke Urwald. Der Fahrer weiss eine Unmenge zu erzählen. Ich glaube, sein Mundwerk steht
überhaupt nie still. Er erzählt eben alles über die Bäume und das Holz hier im Wald. Bei einem mächtigen Riesen hält er sogar an. Dieser Baum sei 500 Jahre alt und er hat einen
linealgeraden, schönen Stamm. Ich nehme an, dass dies jenes wertvolle, endemische Holz ist, auf welches sie aus waren und auch, dass jener wunderschöne Tisch in Longmorn Station eben aus diesem Holz
ist. Brian, der Engländer sitzt neben mir, und er bestätigt mir meine Vermutung. Er interessiert sich für Holz, denn er war vor seiner Pensionierung Carpenter, wie er mir erzählt. An einer
Wegkreuzung werden wir von einem Polizisten oder Parkwächter aufgehalten. Er kommt in den Bus und der Fahrer muss ins Röhrchen blasen. Da herrschen wohl strenge Sitten. Aber es ist schon recht.
In einer Waldlichtung kommen wir zum Kingfisher Bay Resort, wo man ausser WC-Benützung nochmals zu Getränken kommen kann. Weiter geht's nun Richtung Strand. Ein Pilot steigt zu und bietet als
nächstes Abenteuer einen Rundflug an. Wer Inetresse hat, soll aufstrecken. Etwa die Hälfte streckt auf. Also, die ersten Sieben sollen gerade mitkommen. Bei diesen sind auch Susanne, Ernst, Mike und
Pam. Diese steigen nun in ein kleines Flugzeug, das hier einfach am Strand herumsteht. Dann ein kurzer Anlauf auf der harten Sandpiste und in einem grossen Bogen entschwinden sie über der Insel, während
wir dem schnurgeraden Strand entlang weiter fahren. Seventy Fife Mile Beach heisst er und nimmt, wie mit dem Lineal gezogen, fast die ganze Ostküste der Insel ein. Rechts von uns das Wasser, links die
Düne. Manchmal kommt ein Bach und sucht sich seinen Weg zum Meer. Mit dem Allrad-Gefährt ist dies natürlich kein Problem, auch wenn sich das Wasser schon einen kleinen Graben aus dem Sand
gefressen hat.
Dann halten wir an und warten, bis das Flugzeug wieder gelandet ist und die nächsten Sieben kommen dran. Das würde mich jetzt aber auch wahnsinnig glusten. Ich habe zwar nicht verstanden, wie viel das
kostet, aber hätte ich doch einfach auch aufgestreckt! Ich frage Brian, ob es wohl noch einen dritten Flug gebe und er bejaht. Er hat es sich nämlich in der Zwischenzeit auch überlegt. Es koste 50
Franken. Eine solche Gelegenheit habe ich nie wieder.
Wir kommen an einem gestrandeten Wrack vorbei. Es war mal eine Luxusjacht, die 1935 hier aufgelaufen ist. Ein eisernes, dahinrostendes Gerippe ist noch von ihr übrig geblieben. Bald danach halten wir bei der
Rainbow Gorge, das sind vielfarbige Sandklippen und dort warten wir auf die Landung des Flugzeugs.
Es sind jetzt nur noch fünf Flugwillige, doch der Pilot fliegt trotzdem. Und so komme ich wieder ganz unverhofft zu einem grandiosen Erlebnis. Das Dahinrasen auf dem holprigen Sand, das Abheben über
dem trükisblauen Wasser und schon ist unter uns der lange, helle Streifen, links der grüne Urwald, rechts das blaue Meer. Von hier werden auch die Sandwüsten sichtbar, die wie garstige Löcher
in den Urwald hinein gefressen erscheinen. Aber auch die Süsswasserseen sind wunderbar. 42 hat es auf der Insel. Einer davon ist der Butterfly Lake und er hat eine Form wie ein Schmetterling.
Wunderschön blau mit einem weissen Rand liegt er inmitten des Grüns vom Urwald. Ein anderer hat eher eine braune Farbe und ein Dritter spiegelt eben die weissen Wolken auf seiner Oberfläche. Die
Sandpiste durchzieht als feine weisse Linie den Wald und umrundet einen etwas grösseren See. In einiger Entfernung kann man bis hinüber nach Hervey Bay sehen. Dann sind wir wieder zurück
über der Küste und dem Wrack und unter uns im türkisblauen, klaren Wasser kann ich eine Gruppe Haifische sehen. Zweifelsfrei, die typische Form der Sharks. Ganz aufgeregt schreie ich es nach
hinten. Hat Brian sie wohl auch gesehen? Nur viel zu schnell sinken wir schon wieder und landen ganz nahe beim Bus. Der Pilot nimmt alles, VISA, Bargeld, Traveller Checks. Ich habe schon noch fünfzig Dollars
und bin wieder mal ganz benommen vom Erlebten.
Beim Bus drüben treffe ich alle im Badekleid an. Jemand sagt mir, dass man alles im Bus lassen könne und schon verschwindet auch der Letzte düneneinwärts dem Bachlauf eines glasklaren
Wässerchens entlang. Einer nach dem andern kommt dahergeschwommen und lässt sich von der Strömung Richtung Meer treiben. Ein hölzerner Steg führt einen dem Ufer entlang nach
hinten, wo man bei einer kleinen Brücke gut ins Wasser gelangen kann und wo der Weg für jene, die nicht mitreiten wollen, auf der andern Seite wieder zurückführt. Herrlich erfrischend ist das
Wasser, glasklar, einen Meter tief und etwa zwei Meter breit. Gerade nochmals ein so wunderbares Erlebnis!
Dafür herrsch jetzt im Bus ein Chaos, überall Sand. Alle kommen mit nassen Badekleidern und sitzen ungeniert auf die Polster und auf meinem Platz, den ich vorher neben Brian innehatte, ist ein fremder
Rucksack - und ein schwarzer Spitzen-Slip. Gehört nicht mir, antworte ich auf Brians vielsagenden Blick und wir lachen. Ich nehme auf meinem Handtuch und einem Plastiksack auf einem andern Sitz platz. Doch
wir haben nicht mehr so weit bis zum Resort, wo wir zum Lunch angemeldet sind. Dort gibt's ein wunderbares Salatbuffet und einen Fisch und nochmals einen Fisch ...!
Nach dem Essen geht's wieder hinein in den Urwald. An einer Waldlichtung kann man sich an Informationstafeln über die Hölzer hier, die grossen Geweihfarne und Orchideen und sonstige, gescheite Sachen
informieren. Dingooutlooks hat es auch. Doch bei so vielen Leuten verziehen sich diese Hunde bestimmt.
Was kommt jetzt noch? Wieder fahren wir durch den Wald. Die Räder hinterlassen tiefe Furchen auf der weichen Sandtrassee. Dann leuchtet ein blauer See zwischen den Bäumen durch und der Bus
wendet am Ende der Strasse. Der Fahrer hat uns erklärt, was es mit dem Birrabeen-See auf sich hat. Es ist nicht einfach ein gewöhnlicher See zum baden. Hier sollte man sich ein bisschen mit Sand
einreiben und abwaschen. Jeder, der hier bade, komme zehn Jahre jünger wieder heraus. Das könne man am augenfälligsten an goldenen Ketten oder Ringen sehen. Was nicht aus Gold sei, dem schade
es eher, aber Gold beginne richtig zu glänzen. Das wäre natürlich der Hammer, so könnte ich in zehn Jahren nochmals herkommen, um meinen Sechzigsten zu feiern!
Und wieder finden wir uns an einem wunderschönen Ort, weisser Sand, tiefblaues, klares Wasser und die Ufergegend mit seinen Bäumen wie ein Kunstgemälde. Im weissen Sand wie
St.Galler-Stickereien, kleine weinrote Rosetten mit einer blühenden Rispe, die daraus emporwächst. Das ganze ist vielleicht fünf Zentimeter gross, aber ein Wunder. Und ich darf hier sein!
Eine Frau poliert im Wasser gerade ihr Medaillon. "Ja, es stimmt, alles glänzt - sogar die falschen Zähne!" Natürlich muss ich laut lachen und die Frau fragt auf schweizerdeutsch, ob ich sie verstanden
habe und ich komme mit ihr ins Gespräch. Sie stammt aus dem Appenzellerland, ist vor fünfzig Jahren nach Australien gekommen und einfach hängen geblieben. Sie wohnt in Childers, wo wir gestern
durchgefahren sind und zeigt ihrem Bruder, der zu ihr auf Besuch gekommen ist, jetzt Fraser Island.
Auf dem ganzen Heimweg bis zum Fährhafen, wo wir den Bus wieder verlassen müssen, ist der Fahrer ununterbrochen am erzählen. Was wäre ich nun klüger, würde ich ihn verstehen!
Glücklich und beeindruckt ob all der vielen Erlebnisse heute, gondeln wir auf der Fähre wieder Richtung Festland. Bis jemand sagt, wir sollten mal unsern Kapitän ein bisschen genauer beobachten.
Tatsächlich steht doch dort unsere Nel am Steuerruder, oder wie sagt man dem bei einem Schiff? Der Kapitän sitzt abseits etwas im Hintergrund und raucht lässig eine Zigarette. Einmal merkt man
gut, dass sie ein bisschen zuviel abgedreht hat und die beiden anzuvisierenden Punkte etwas verloren hat, aber souverän korrigiert sie den Kurs, kein Problem.
Um fünf Uhr sind wir heute wieder daheim. Renz und Ria bleibt der Mund offen stehen. Dort wo ihr Zelt eigentlich stehen sollte, liegt ein braunes Bündel am Boden. Dem Mittelpole ist es wohl schlecht
geworden, oder ein Wind hat am Zelt gerüttelt und dabei ist vielleicht ein Hering locker geworden. Zuallererst möchte ich noch ins Dorf, um per e-mail zu Brigittes heutigem und Beas morgigem Geburtstag
zu gratulieren. Ich finde schon unten bei der Strassenkreuzung ein Internet und muss nicht, wie Hilda mir gesagt hat, noch eine halbe Stunde marschieren. So reicht es mir sogar beizeiten wieder zurück und ich
komm nicht mal zu spät zum happy hour.
Bevor es dunkel wird, bieten auch heute wieder die Fledermäuse ihr fantastisches Schauspiel.
Was war doch heute für ein Wunder-voller Tag! Dabei war Freitag, der Dreizehnte! Das galt vielleicht höchstens für Renz und Ria.