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Noch besser als in jedem Hotel sind wir hier von Unterlagen über alles, was
auf Bornholm zu sehen und erleben ist, eingedeckt. Ein Kartenführer mit
detaillierten Angaben über Velo-, Wander- und Küstenweg-Netz,
Busverbindungen, Shoppingmöglichkeiten, Museen, Stadtplänen und
einfach allem. Dort haben wir etwas Interessantes gefunden. Auf Hammershus
bietet man heute eine spannende Familientour an. Während zwei Stunden wird
uns ein deutscher Guide in mittelalterlicher Tracht für 70 Kronen in alle
Geheimnisse dieser grossen Burgruine einweihen. Also machen wir uns auf,
über Alinge und Sandvig, der nördlichsten Ortschaft auf Bornholm und
bis wir Hammershus erreichen, hat sich der anfänglich regnerisch bedeckte
Himmel in ein munteres Blau verwandelt. Der allgegenwärtige Wind zwingt uns
aber doch, unsere Jacken zuzuknöpfen. An der Kasse muss man aber heute kein
Billet lösen, die Besichtigung der grossen Burganlage ist frei, aber Knud
muss die Führung übernehmen, denn heute ist Mittwoch, der Zehnte und
die geführte Tour wäre gestern gewesen…!
Aber Knud weiss auch viel Geschichtliches zu erzählen und bei den vielen
Tafeln, welche über all die Details informieren, gibt es immer auch einen
deutschen Abschnitt zu lesen. Es ist die grösste Burgruine Nordeuropas, mit
74 m.ü.M. direkt auf einem Bornholmischen Berg. Eine Ringmauer
schützte verschiedene innere Burgen, von denen zum Teil noch recht hohe
Mauern zu sehen sind. Schon der Zugang über eine Steinbrücke über
den Burggraben ist imposant. Es ist interessant zu lesen, dass die Burg 1743
aufgegeben und die Ruine bereits 1822 durch einen königlichen Erlass unter
Denkmalschutz gestellt wurde. Es sind viel Restaurierungsarbeiten im Gang, denn
die meisten Mauern stehen kurz vor dem Zerfall, weil Zement, der um 1900
für die Restauration verwendet wurde, durch Kalk aus der Umgebung ersetzt
werden muss. Es ist ein eindrückliches Gefühl in den Tiefen eines
solchen ausgehöhlten Turms, wo einst in den kalten Gwäggi-Mauern die
Leute gefangen gehalten wurden, durch meterdicke Mauerlöcher über
fünf Stockwerke den Himmel zu sehen oder auf der halb abgetragenen
Ringmauer zu stehen und sich den steifen Wind, der vom Meer her fegt, um die
Ohren blasen zu lassen. Weit am Horizont kann man heute gar die Küste von
Schweden ausmachen.
Durch ein kleines Seitentor in der Ringmauer kommt man hinunter auf den
Klippenweg fast zum Meer, vorbei an dem bizarren Felsgestein, aus dem Wind und
Wasser fantasievolle Figuren wie Kamele und Löwen gearbeitet haben. Von
hier sieht man zurück zum Vang Pier, wohin wir gestern durch den Steinbruch
gekommen sind. Weiter vorn führt der Weg durch ein kleines
Buschwäldchen. Wegen dem ewigen Wind können sich hier am Hang keine
richtigen Bäume entwickeln. Die Stämme sehen eher zerzaust aus und
neigen sich alle in Schräglage dem Hang entlang. Unter ihrem schrägen
Blätterschirm führt aber ein malerischer Weg bis zur nächsten
Bucht, der Sæne bugt, wo eine lange Mauer einen schützenden Hafen
abschliesst. Bald haben wir auch den Parkplatz und seine skurrilen Häuser
erreicht. Nach allen Richtungen windschief und in keinem rechten Winkel hat ihr
Architekt diese Holzhäuschen, wo Kiosk und Bootsverleih zu finden sind,
wohl der Natur und ihren Bäumen hier angepasst. Geradlinig ist es auch
für ein kleines Segelboot nicht, welches draussen lange mit Wind und Wellen
kämpft, bis es die schmale Lücke in der Hafenmauer zur Einfahrt
trifft.
Zum Auto am Ausgangspunkt ist es von hier aus nicht mehr so weit, aber
eigentlich könnten wir unsere Wanderung schon noch ein bisschen ausdehnen,
bis hinauf auf Hammerknuden zum Leuchtturm vielleicht? Annignas Knie hat aber
vorhin auf der langen Treppe die Klippe hinunter etwas gestreikt, deshalb wartet
sie hier, bis Lykke-Lise das Auto drüben am Parkplatz geholt hat und
zusammen wollen sie uns dann beim Leuchtturm treffen. Wir andern nehmen
inzwischen den Aufstieg durch diesen stillgelegten und seit 50 Jahren unter
Naturschutz gestellten Granitsteinbruch unter die Füsse. Wo man den Berg
seines Rohstoffs beraubt hat, liegen jetzt verschiedene Seen. Der spiegelglatte
Hammersø ist der grösste und am Opalsee gleich daneben hätte
Knud für mich eine Überraschung. Natürlich wieder für jede
Untat bereit, hätte ich mich vielleicht noch zu dieser Verrücktheit
hinreissen lassen können, vom oberen Plateau aus am Tyrolienne in die Tiefe
zu sausen, aber leider ist die Landung im See und das Wasser ist mir nun
entschieden zu nass. Also erklimmen wir über einen Bergpfad die Oberkante
der Wand, wo ein weiteres Seelein wie ein Edelstein schimmert und wo wir gerade
den beiden Jungen Burschen zuschauen können, wie sie eben an der
Seilrutsche hinuntersausen und mit grossem Platsch im See landen. Versteckt im
Heidekraut finden wir auch noch den Kristallsee, bevor wir aus dem Wäldchen
tretend, den Leuchtturm Hammer Fyr vor uns sehen, bei dem auch schon Lykke-Lise
und Annigna per Auto angekommen sind.
Der nicht mehr in Betrieb stehende Leuchtturm, dessen Arbeit schon lange durch
Radar abgelöst wurde, steht auf dem Hammer, einem gewaltigen Granitfelsen
mit Aussicht über die ganze Nordspitze Bornhomls. Leider war dieser
höchste Punkt hier auf Hammerknuden dann doch ein Verhängnis, denn oft
verdeckten tiefhängende Wolken sein Feuer und man musste zwanzig Jahre
später, Ende des 19. Jh. ganz unten am Meer, an der nördlichsten
Stelle das Hammerodde Fyr errichten. Natürlich muss ich auch über die
enge Wendeltreppe hinauf, um die heute weite Aussicht über Bornholm zu
geniessen und mich auch hier auf der rundumlaufenden Zinne dem herrlichen Wind
entgegen stemmen. Drüben auf dem Nachbarshügel erhellt ein Spotlicht
der Sonne genau die ganze Burganlage der Ruine auf Hammershus.
Durch die Scheibe in der Bürotür kann man auch einen Blick in das
winzige Reich des Leuchtturmwarts werfen. Es scheint, als ob der gerade schnell
einen Kaffee trinken gegangen sei und jeden Moment zurückkommen und seine
Arbeit weiter verrichten würde.
Als Frokost gibt's zuhause gebratene Heringe mit Zwiebelringen und Randensalat,
dazu Roggenbrot und Senf und gekröntes Royal Bier mit einem Dansk Snap
daneben.
Zwar ziehen Wolken auf, aber Knud will uns noch was zeigen und wir fahren
nochmals los, diesmal in der entgegengesetzten Richtung und kommen so ziemlich
im Herzen der Insel auch durch das grösste Waldgebiet. Wald wir hier auch
ein bisschen anders bewirtschaftet als bei uns. Da werden grössere
Stücke zusammen frisch angepflanzt und wenn das Holz reif ist, wird alles
miteinander geerntet, so wie ich das in Neuseeland gesehen habe. An einem
unauffälligen Ort stoppen wir neben einem kleinen Hügel. Auch auf
diesem Hügelchen, es ist immerhin 16 Meter hoch, stand einst eine Burg,
lang nicht so gross und mächtig wie jene heute Vormittag, die Lilleborg,
also die kleine Burg und viel ist von ihr auch nicht mehr übriggeblieben.
Aber man hat doch Schlüssel und Münzen aus dem zwölften Jh.
gefunden und weiss, dass sie im frühen Mittelalter dem König als
Zentrum der weltlichen Macht auf Bornholm diente, im Gegensatz zu Hammershus,
welches eine von der Kirche und dem Erzbischof genutzte Festungsanlage war.
Wunderschön und einen kleinen Spaziergang wert ist der See, welcher im
Burggraben heute noch das halbe Burghügelchen umgibt.
Ganz hier in der Nähe im Wald kommen wir zu Rytterknægten
(Rittersknecht). Am höchsten Punkt der Insel, immerhin auf 166 Metern kann
man von einem Aussichtsturm über die Waldwipfel auf beiden Seiten das Meer
sehen. Nur über dem westlichen Teil haben sich dunkelschwarze
Gewitterwolken zusammengeballt, die sich über das Gebiet entleeren und
schnell näher kommen, sodass wir das Feld räumen.
Über Østerlars, deren berühmten Rundkirche wir nur vom Auto aus
winken, kommen wir nach Gudhjem, wo wir von einem Wolkenbruch fast durch die
Hafenstrasse geschwemmt werden.
Zu Hause scheint fast scheinheilig die Sonne, hier war nichts von Regen und man
ist sogar immer noch am Dreschen. Wir machen zusammen mit Knud noch einen
Bannumgang und weiter zum nächsten Nachbarn und bleiben im
übernächsten Wäldchen in den Dornen hängen. Sie lassen uns
nicht mehr los, bis wir am Schluss sicher auch wieder mit gut einem Kilo
Brombeeren fürs Müesli am Morgen heimkommen. Inzwischen dräuten
nun aber die Wolken auch hier und ein Regenbogen eilt uns voraus. Wie heisst es
jetzt - am Ende eines Regenbogens finde man einen Schatz? Der Regenbogen steht
nämlich genau über den Bäumen am Gildesbovej 2 und mit knapper
Not reicht es uns noch trocken ins Haus.
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