zum vorherigen Tag 23. Januar 2014 zum nächsten Tag

Beim ersten Blick aus dem Fenster scheint das Wetter ziemlich freundlich, so dass man dem Verlangen nach einem Bad im Riesenpool noch vor dem Frühstück nachgibt. Noch ist man ganz allein in diesem riesigen Becken und die am Rand unter hohen, dekorativ aussehenden Siegellackpalmen aufgereihten Liegestühle sind leer.
Dann kann man sich am reichhaltigen Frühstücksbüffet verwöhnen lassen. Die Frau hinter der Theke wartet nur darauf, einem jeden erdenklichen Eierwunsch von den Augen abzulesen. Sunny-side up oder Omlettes in allen Variationen werden frisch zubereitet, während man sich von all der grossen Auswahl an vertrauten oder fremdartigen Frühstückszutaten und vor allem der grossen Auswahl an frischen Früchten sonst noch bedienen kann. Wir können ausgedehnt schlemmen, denn heute ist erst um neun Uhr Abfahrt. In Abänderung des gedruckten Programms, ziehen wir den gemütlichen Tag vor und fahren schon heute nach La Virgen und verschieben Limon auf morgen.
In nördlicher Richtung geht es vorbei an einer grossen Ananasplantage über ländliche Gegenden und kleine Örtchen, die manchmal nur aus ein paar Häusern bestehen. Für unsere Begriffe sind es eigentlich eher Hütten, manchmal wohl kaum mehr als 20 - 30 Quadratmeter gross, meist mit einem Wellblechdach, das auch noch einen Vorplatz schützt. Neben der Haustür sieht man ein Fenster und alles ist eingezäunt oder vergittert, halbversteckt unter grossen Palmenwedel oder Bananenstauden. Elektrizität wird direkt von den Stromleitungen abgezapft, welche vor dem Haus durchführen und die eine Hauptstrasse in einem Dorf fast wie ein wirres Spinnennetz überspannen. Die Zähler für den Verbraucher sind direkt nach der Zapfstelle als eine Art runde Büchsen an einem Kandelaber befestigt. Kabel werden hier nicht im Boden verlegt, so sind Schäden nach einem eventuellen Erdbeben offenkundiger. Für die Kehrichtabfuhr hat man hier ein besonderes System. Neben einem Stromzähler steht auch noch vor jedem Haus am Strassenrand meist auf einem Pfahl oder Säule ein Korb oder anderer Behälter, in welchen man dann die Grümpelsäcke für die Abfuhr bereitstellt So kann der Inhalt nicht so schnell von Tieren erreicht und in der Gegend verstreut werden.
Einmal fahren wir an einem atemberaubenden Baum vorbei. Seinem Umfang nach muss er ein ehrwürdiges Alter haben. Mit Bromelien, Moos und andern Gewächsen schwer beladen bis hoch ins Geäst, zieht mich sein Anblick allein beim Vorbeifahren in seinen Bann. Etwas später hält Ernesto wegen einem andern Baum an, in dessen Geäst der Montezuma Oropendula, ein etwa 50 cm grosser brauner Vogel mit leuchtend gelben Schwanzfedern lange Hängenester gebaut hat. Wie ich wieder Marlis um ihr gezoomtes Bild des Montezumas beneide, an deren Pendulas man gar das Moos und Grünzeug sehen kann!
Sind wir nun in Porto Viejo oder La Virgen? Man kann sich nicht an Ortschaftstafeln oder dergleichen orientieren. Ernesto lässt uns aussteigen und als nicht eingeplante Überraschung führt uns Stephan hinunter zum Rio Sarapiqui. Er hat für uns eine Bootstour auf dem Fluss organisiert. Da die Verhältnisse es nicht immer zulassen, kann eine solche nicht fest im Programm versprochen werden. Noch so gerne nehmen wir natürlich diese Alternative zum vorgesehenen RP am Pool heute Nachmittag im Hotel an.

versteckte Dörfer Nester des Montezuma Oropendula Krokodil oder Kaiman? nur nicht alle auf eine Seite! der Anhinga

Langsam beginnt das Boot im ruhig fliessenden Wasser dahinzugleiten. Schon unter dem ersten Baum hat der Bootsführer einen Leguan im Geäst entdeckt. Nur bitte nicht alle auf die gleiche Seite - es hat Krokodile im Wasser! Dort versucht sich eben ein Specht vor neugierigen Kameraaugen zu verstecken. Genervt versucht Marlis den Vogel im Zoom zu behalten, aber auch das muss geübt sein. Sie reicht ihre Kamera an Stephan und dieser ist gleich total begeistert von den Bildern, die diese Lumix noch bei voll ausgefahrenem Tele liefert. Spannend und geheimnisvoll ist die Fahrt dem Urwald-Ufer entlang. Von den weitausladenden Ästen der Bäume hängen die Lianen fast wie Vorhänge bis zum Wasser. Auf im Wasser liegenden Baumstämmen kriechen Schildkröten und kleinere Echsen an die wärmende Sonne und dort hinten gar ein Krokodil mit aufgesperrter Schnauze. Es sei ein Kaiman! Krokodil oder Kaiman, was ist da der Unterschied? Das Boot fährt langsam ganz nah an ihn heran und seine Augen beobachten uns aufmerksam. Etwas weiter vorn versucht sich ein Fischreiher unsichtbar zu machen, indem er farblich seiner Umgebung angepasst, stocksteif wie ein Stecken auf Beute lauert. Dann narrt uns ein Otter. Er streckt gwundrig den Kopf aus dem Wasser und noch bevor man ihn auf dem Sucher hat, verschwindet er kopfvoran und taucht wie grinsend ein gutes Stück entfernt wieder auf. Dieses Spiel treibt er ein paarmal, bis er nebenbei sogar sein Mittagessen gefangen hat und schmatzend verzieht er sich hinter ein Gewirr von Ästen und Stecken, so dass man von ihm jedenfalls kein einziges Bild im Kasten hat. Ausgelacht werden wir, es ist zum Brüllen. Von hoch oben aus den Bäumen kreischt und grunzt es. Stephan macht sich mit einem ähnlichen Geräusch bemerkbar und prompt tönt's von oben vehement zurück. Das Oberhaupt einer ganzen Brüllaffenfamilie verteidigt lauthals sein Revier. Dieser Baum gehört ihm, soll ihm da ja keiner in die Quere kommen! Während wir weitergleiten, zieht hoch am Himmel ein Adler seine Kreise. Wieder sperrt ein grosser, halb im Wasser liegender Baum den halben Fluss ab. Natürlich ein idealer Platz, um auf Beute zu lauern, die vorbeischwimmt. Zum Glück sind Leguane so phlegmatisch. Jener, der sich dort sonnt, ist sicher gut anderthalb Meter lang und da wir ja das Schiff nicht zum Kentern bringen wollen, macht Stephan vom Cockpit aus für mich mit meiner Kamera das Bild des Monats!
Auch der Anhinga, ein Schlangenhalsvogel tut mir den Gefallen und wartet mit seinen aufgespreizten Flügeln bis im letzten Moment, bis er sich entschliesst, davonzufliegen. Mit reicher Ausbeute an fotografischen Jagdtrophäen, gar mit einem Leguanpaar im Multipack hoch oben im Geäst eines Baumes, kehren wir nach anderthalb Stunden wieder zum Bus zurück. Es ist inzwischen Mittag geworden und im Hotel El Bambu in Puerto Viejo Sarapiqui, haben sie unterdessen für uns gekocht. Wundervolle Arrangements mit Red Ginger, Ingwerlilien, Hummerscheren-Helikonien und andere Wunderblumen erfreuen das Auge unterwegs zum Hof in die schattige Gartenlaube, wo schon die Crew bereit steht, uns mit Salat, Stock, Gemüse und Hühnerbeinen zu bewirten. Stephan hilft auch hier tatkräftig und fachkundig mit beim Schöpfen und überhaupt. Zum Dessert wird uns ein Biskuit serviert mit Kondensmilchsauce begossen und bunten Smarties bestreut.
Auf der Weiterfahrt hält Ernesto wieder mal an und Stephan ersteht bei einem Strassenverkäufer für jeden eine trinkfertige frische Kokosnuss mit Röhrli. Schmeckt wirklich ganz erfrischend!
Bei einem Visitorcenter in einem Nationalparkgebiet sollen wir nun Näheres über Kakao und Schokolade erfahren. Es war mal eine Kakaoplantage, aber heute ist hier ein geschütztes Forschungsgebiet. Durch den Ingwergarten mit den variantenreichen Blumen und heilsamen Blättern und Kräutern vor dem Haus, kommen wir bald zu den ersten alten Kakaobäumen, an welchen da und dort auch noch Früchte heranreifen. Kakaobäume brauchen den Schutz oder Schatten von anderen Waldbäumen, deshalb ist hier auch ringsum Urwald. Direkt aus dem Ast heraus spriessen auch die unscheinbaren, kleinen Blüten, aus welchen sich eine kürbisgrosse Frucht entwickelt. Wie sich diese dann in Schokolade verwandelt, können wir nun hautnah miterleben. Auf Tafeln wird der Werdegang über 500 Jahre vom Kakaogetränk bis man vor 150 Jahren zur Schokolade kam, veranschaulicht. Eine reife, gut 20 cm grosse, ledrige Kakaofrucht dürfen wir in die Hände nehmen und von deren weissen Samen, die von einer etwas schlüdrigen Masse umgeben sind, wie etwa die Kirschen des Kaffees, können wir probieren. Wir sollen sie nicht verbeissen einfach ihre Süsse entdecken. Die Bohnen werden nun wieder eingesammelt. Wir haben mit unserem Speuz nun bereits die erste Stufe zur Vorfermentierung in Gang gesetzt. Eine nächste Gruppe wird dann diese Bohnen nach weiteren Arbeitsgängen und Trocknungsphasen, geschält, gemahlen oder zerstampft als Kakao oder Schokolade mit Zutaten wie Vanille, Chili oder Anderem verfeinern und ausprobieren dürfen. 7 Stufen der Bearbeitung müssen durchlaufen werden vom Fermentieren, Trocknen, Schälen und Rösten, dann entweder den Kakaobutter trennen und Kakaopulver machen, oder weiter verfeinern mit Conchieren und Temperieren, um am Schluss Schokolade zu gewinnen. Wir müssen tatkräftig helfen mit Mahlen, Mischen und Zwischenprodukte Probieren.

wo der Leguan lauert Kakao-Frucht Verarbeitung des Kakao selber mischen... ...und dann probieren

Jedes bekommt ein Säckchen mit 15 Kakaobohnen (früher war das Bargeld), man kann tauschen und bekommt für 5 Bohnen eine Ansichtskarte. Ich habe nun von Letzteren noch fünf Zusätzliche zum Heimschicken.
Von hier kann man noch eine Wanderung durch den Urwald und über eine lange Hängebrücke über den Rio Puerto Viejo Sarapiquí machen. Blattschneiderameisen kreuzen den Weg, Tukane lachen uns aus und fremde Vogelstimmen begleiten uns. Ein riesiger, uralter Muskatnussbaum beeindruckt und immer wieder muss ich die mit Lianen und mit all den vielen Bromelien, Epiphyten und Moosen bewachsenen Baumstämme bestaunen. Brüllaffen empfangen uns auf der Hängebrücke beim Zurückkommen und Wiederauftauchen aus dieser grünen Wunderwelt und verschwinden im Abendschein irgendwo im Blätterdach über uns. Auf der Rückfahrt stoppt Ernesto nicht nur wegen einem schönen Fischreiher, der in der Wiese stackst oder wegen dem Silberreiher beim Wasserloch bei den Wasserbüffeln, er muss einmal ganz von der Strasse weg auf eine Seitengasse einbiegen, weil Stephan von Weitem dort hoch in einem Baum ein Faultier gesichtet hat.
Mit der Lumix von Marlis zoomt er ein dort oben hängendes Muttertier mit seinem Jungen so nah heran, dass ich vor Neid erblasse.

Hängebrücke über den Rio Puerto Viejo Sarapiquí Brüllaffen Faultier Walter, der Chefkoch unter kundiger Leitung...

Um acht Uhr sollen wir, diesmal nicht mit den schönsten Kleidern, zum Nachtessen bereit sein. Gespannt, was das nun wieder werden soll, werden wir in einen ziemlich unterkühlten Raum geführt und nun sind wir gefordert. Unser Nachtessen sollen wir uns selber kochen und Stephan als Chef de la Cuisine verteilt gerade auch jedem ein Ämtli. Alle Zutaten sind schön bereit und wie von einem Dirigent ein Konzert, entstehen unter Stephans Anleitung die verschiedensten costa-ricanischen Vorspeisen wie Ceviche, das ist ein marinierter Fisch, Yukka oder auch Manjok genannt mit Speck umwickelt, Kokosnüssli mit Sauerrahm, Guacamole Dip mit Manjokchips, Salat aus Palmenherzen, Rüebli, Tomaten, Pilz, Peperoni, Maiskölbli, Gurken etc etc. Walter wird mit Kochmütze und weisser Schürze ausstaffiert und bald brutzelt unter seiner Aufsicht alles was frittiert werden soll: feine Yukka-Scheiben als Chips und geviertelte, weiche Tortillias, unreife Kochbananen in Stücke geschnitten, werden halbgar frittiert, dann zu Fladen gepresst und kommen nochmals ins heisse Öl.

...wird geschnitten... ...präpariert... ...gebrutzelt dann geht's an den Trog zum Schluss das Diplom

Fürs Cevice schneidet Gerda rohe Fischfilets in kleine Würfeli, die sie mit Gingerale und Zitronensaft mariniert, Zwiebeln, Peperonistückchen und Koreanderkraut kommen dazu.
Yukka, so lernen wir, haben zwei Schalen, die man entfernen muss, ausserdem dürfen sie nie roh gegessen werden. Die Palmenherzen werden mit Sauerrahm zum Dippen gereicht.
Alles klappt bestens und in einer Dreiviertelstunde ist das Konzert fertig und wir werden zu Tisch gebeten und natürlich schmeckt es selbst gemacht grad noch einmal so gut. Als krönenden Abschluss bekommt jedes ein farbiges Diplom des Hotel Suerra Guapiles, welches den erfolgreich bestandenen Kurs in der hohen kulinarischen Kunst bestätigt.


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