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Nichts war heute mit nächtlichem, feuerspeiendem Schauspiel, der Arenal
verhüllt am Morgen beim ersten Blick aus dem Fenster sein Haupt in einer dicken
weissen Wolke, obwohl der restliche Himmel mit strahlendem Blau überspannt ist. Das
Wasser hingegen in den Pools im tropischen Garten lockt uns noch vor dem
Frühstück hinunter. Immerhin spendet der Arenal genügend heisses Wasser,
so dass man dieses sogar kühlen muss, bevor man es in Schwimm- und Sprudelpools
verteilen kann und es ist so reichlich, dass man die Pools fast täglich neu
füllen kann. So nah ist man dem Vulkan und ganz im Versteckten brodelt er vor sich
hin. Doch da - einen kurzen Moment blinzelt er mir doch tatsächlich zu. Ganz
deutlich sieht man seinen Krater sich von den Wolken abheben und aus dem Innern seines
Schlotes steigen Dampfwolken wie aus dem Kühlturm eines AKW. Es ist nicht Rauch oder
Feuer, heute kocht er wohl nur mit Wasser. Aber er hat mir zugeblinzelt. Das müsse
man dann schon genügend estimieren, denn diesen Gefallen, ihn in seiner
Majestät ohne Schleier zu sehen, sei nicht allen beschieden, genauso wenig, wie er
einem in der Nacht sein Feuerspektakel preisgibt. Eigentlich muss man sich vor ihm in
Acht nehmen, er ist noch jung, noch keine fünfzig Jahre alt und hat bei seinem
ersten Ausbruch 1968 fast hundert Menschen ums Leben gebracht.
In seinem warmen Wasser zu baden tut gut, nur zum Schwimmen ist es mir fast zu heiss,
dafür lässt sich im wunderschönen Garten allerlei entdecken. Im Gebiet
nahe der Sauna haust ein gut einen Meter grosser Leguan zwischen den Felsen, welche in
Stufen verschiedene Wasserfälleli bilden. Auch kleinere Echsen und verschiedene
Vögel, wie ein zitronengelber Fliegenschnäpper oder gar Kolibris narren mich
erfolgreich. Ich schaffe es nicht, sie auf meinen Chip zu bannen. Immerhin halten mir der
rote Ingwer und die weisse IlangIlang, welche nach Chanel 5 duftet, schön still.
Am reichhaltigen Frühstücksbuffet lassen wir uns verwöhnen. Man
könnte nehmen, was das Herz begehrt. Meins sehnt sich hier gar nicht nach Brot. Ich
liebe Gallo Pinto, diesen Reis mit Bohnen und dazu einen Klacks Sauercrème, ein Ei
und gebratene Bananen und einfach viele Früchte. Da gibt's Ananas, Mango, Papaya,
Bananen, Melonen und noch vieles mehr. Da lacht mein Herz.
Unser Programm heute ist nicht stressig und wir fahren erst um zehn Uhr los,
Pequeña Suiza, die kleine Schweiz im Herzen Costa Ricas zu besuchen. Zuerst geht
es hinauf über den Staudamm des Arenalsees, der mit seinen 80 km2 der grösste
Binnensee und wichtigste Stromlieferant Costa Ricas ist. Dann führt die Strasse
durch Nebel- und Regenwald. Arenal Lodge ist tief versteckt im Blättergrün und
eigentlich verrät nur der mit weissen Lettern ins Bord hingelegte Schriftzug, dass
man hier versteckt im Wald Abenteuer buchen könnte. Wie, um die Blicke auf dieses
Plakat zu lenken, turnt dort ein Nasenbär auf einer dürren Wurzel herum.
Ernesto hält auf dem Parkplatz und bewaffnet mit einer Handvoll Bananen steht
Stephan bald im Mittelpunkt von immer noch mehr Nasenbären. Den langen, geringelten
Schwanz bolzengerade in die Luft, eilen sie von überall herbei. Es sind nicht
Waschbären, jene haben nicht so lange Schnauzen und im Betteln sind sie Weltmeister.
Am Schluss sind es sicher etwa zwanzig Stück und auch für andere vorbeifahrende
Autos gerade eine Attraktion.
Bald lösen Weideland den Regenwald ab und unverkennbar schweizerisch fast wie die Rütliwiese am Urnersee liegt das Reich von Franz Ulrich einladend vor uns. "GRÜEZI" prangt auf dem Willkommensschild und im Garten entdeckt man eine dieser prähistorischen, costa-ricanischen Kugeln. Die Fassade des im schweizerischen Chalestil gebaute Hotel Restaurant Las Héroes zieren der schweizerische Winkelried und der costa-ricanische Nationalheld Juan Santamaria, dem eine ähnliche Heldentat nachgesagt wird. Drüben das Ökonomiegebäude, wo im Stall vierzig Simmentalerkühe stehen und von irgendwo tönt's plötzlich: "Wo chömed ihr denn her?" Echt thurgauerisch werden Richard und Toni begrüsst. Nirgends auf der Welt kann man hingehen, ohne dass einen nicht jemand erkennt. Hier ist es Thomas, seines Zeichens Besamer, der wohl auch hier ab und zu nach dem Wohlergehen der Schweizer Kühe schaut, und sei es auch nur in seiner Ferienzeit. Die Gelegenheit beim Schopf fassend, muss er sich gerade als Gruppenfotograf betätigen. Die Schweizergruppe, neben zwei Baslern und zwei Zürchern, vornehmlich aus Thurgauern bestehend, zusammen mit Franz Ulrich und seiner Frau vor seinem stolzen Sitz in Costa Rica. Zuallererst werden wir in der gemütlichen Gaststube, natürlich echt schweizerisch mit rotweiss karierten Rüschelivorhängen und einer Reihe an einem Balken hängenden Treicheln , mit einem Apéro begrüsst.
Im Bahnhof hinter dem Haus wird schon die Lokomotive langsam vorgewärmt, eine Draisine, vor zwei nostalgische, hölzerne Wagons gespannt, geführt von einem echt schweizerischen Lokführer (jedenfalls seinem Hut nach zu schliessen). Unsere Extrafahrt geht vorbei an der schmucken, hofeigenen Kapelle, durch Kehrtunnels, in welchen der Pfiff der Lok so herrlich die Ohren malträtiert. Man tuckert genau wie in Brusio durch einen Eisenbahnkrawattenknopf, in schwindelnder Höhe über den kühn geschwungenen Bahnviadukt, um 3,5 km bergan zum 200 Meter höher gelegenen ersten Drehrestaurant Costa Ricas zu gelangen. Einmal macht das Geleise eine Spitzkehre und die Draisine muss abgekuppelt werden, um sie ans andere Ende der Zugskomposition zu bringen. Das Stellwerk betätigen geht mit Links - von Hand ein bisschen an der Weiche ziehen…. Immerhin kommen wir oben im unterirdischen Bahnhof beim Drehrestaurant ganz an, wo wir mit fremdartigen Flötenklängen empfangen werden. Abiel, ein Schamane und Vertreter des in dieser Gegend heimischen indigenen Stammes der Maleku, lediglich mit einem Bastrock bekleidet und einer Halskette aus Samen und einem Schlangenamulett, entlockt einem Gebilde, das aussieht wie eine Kanne, auf welcher ein Aff sitzt, melancholische Flötentöne. Er möchte uns ergänzend zu den informativen Bildern an der Wand, hier einen Einblick in seine Kultur geben, einem Stamm von Jägern und Sammlern, von welchen hier in einem Reservat noch 600 Menschen beheimatet sind. Bruno wird kurzerhand mit Bastrock, Buschtrommel und Speer als Jäger verkleidet. Silena Ulrich kann uns nun fast in Schweizerdeutsch etwas über die Symboliken der hier gefundenen uralten Keramiken und Skulpturen übersetzen. Frosch, Aff und auch Aasgeier spielen eine Rolle. Sibo, der Aasgeier ist heilig - er holt die Seelen fürs nächste Leben. Oder ist Sibo die höchste Gottheit und Schöpfer des Universums? Genau kann ich es hinterher nicht mehr nachvollziehen, ich habe es mir zu wenig genau notiert. Mit dem Kauf von den angebotenen Kunsthandwerken, es sind zum Teil in leuchtenden Farben mit Tiermotiven filigran bemalte Masken oder Schalen, wohl aus Früchten oder Nüssen, können wir unsererseits eine eher symbolische Unterstützung bieten.
Nun haben wir aber Hunger und wir sind gespannt auf das Drehrestaurat und es bietet
sich tatsächlich wie das grosse Vorbild des Piz Gloria an. Auf dem sich drehenden
Teil sind ringsum Tische gruppiert und während wir uns nun einer währschaften
Schweizer Rösti mit Zürigeschnetzeltem widmen können, ändert sich der
Ausblick aus dem Fenster kontinuierlich. Zu Füssen zuerst das Reich Franz Ulrichs
mit seinen Weiden und der Berninabahn, mit den Viadukten und dem Heimetli über dem
langgezogenen Arenalsee und dahinter die Santa Elena Bergkette. Bald kommen die
Wolkengebilde mit dem sich darunter versteckenden Arenal ins Blickfeld. Dann haben wir
die einmalige Gelegenheit, einen richtigen Regen-Urwald aus der Nähe von oben zu
bestaunen. Ich nehme an, dass irgendwo dort die Maleku zuhause sind. Man hat in dieser
Gegend Spuren von menschlichen Besiedlungen gefunden, welche bis 10'000 Jahre
zurückreichen. Ein grosser Greifvogel zieht ebenfalls majestätisch seine Kreise
ganz nahe um das Restaurant. In etwa drei viertel Stunden haben wir auch die 360 Grad
geschafft. Der Ausblick über alle sieben Provinzen Costa Ricas, wie es die
Reisebeschreibung für schönes Wetter verspricht, bezieht sich aber glaub eher
auf die sieben Segmente rund um den Treppenaufbau, auf welchen die Wappen dieser
Provinzen zusammen mit Bildern über Leben und Brauchtum der Gegenden dargestellt
sind.
Für den Abstieg ziehen es einige vor, auf den eigenen, sicheren Füssen wieder
ins Tal zu kommen und sie erreichen die mit üppigen Malereien ausgeschmückte
Kapelle, welche man natürlich auch noch besichtigen muss, noch fast vor dem
Tschutschu.
Interessant für die Landwirte in unserer Gruppe ist sicher das Gespräch mit
Franz Ulrich, der uns stolz seine vierzig Simmentaler Kühe, die hier sogar noch
Hörner haben dürfen, zeigt. Der Auswanderer und Abenteurer erzählt
über seine Arbeit mit den Tieren hier in einem doch ziemlich anderen Klima, als bei
uns daheim in der Schweiz.
Dass heute Sonntag ist, sieht man beim Staudamm am Arenalsee. Viele Boote sind auf dem
See und es wird gepicknickt und dabei das Auto einfach auf der Strasse auf dem Damm
parkiert. Kein Problem, dass es da keinen Seitenstreifen zum Halten, dafür eine
doppelte Sicherheitslinie hat und kein Platz um auf seiner Seite vorzufahren.
Im Hotel hat man dann genügend Zeit, auch die Infrastruktur gebührend zu
geniessen. Auf einem Barhocker im warmen Wasser sitzend, habe ich jedenfalls noch nie
einen Apéro kredenzt bekommen.
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