Ein spannendes Programm erwartet uns heute in der Umgebung von La Fortuna und dem
Arenal. Etwas von einem Bähnlein oder Tram und Regenwald ist uns versprochen. Wir
lassen uns ja gerne überraschen. Immer noch verschanzt sich der Arenal hinter seinem
Wolkenumhang und wie es sich für Regenwald gehört, nieselt es auch heute bei
unserer Fahrt über Tabacon auf die von unserem Hotel abgewandte Seite des Arenal.
Auf ungeteerter Strasse kommen wir an Zuckerrohrpflanzungen vorbei und immer tiefer in von
Regenwald überwachsenes hügeliges Gebiet nahe am Vulkan. Auch hier merkt man
eigentlich nichts von seiner möglicherweise gefährlichen Gegenwart, weil er
sich den Blicken entzieht und auch riechen tut man nichts, eben so schweflig und
stinkend, wie ich mir dies immer von Vulkanen vorgestellt habe, scheint der Arenal auch
nicht zu sein. Dafür sind wir bald am Ende der Strasse angelangt, wo nun nur noch
ein Himmelstram weiterführt. Bald entschwebt unsere Gruppe in einer dreiteiligen
Gondelbahn sanft und leise über das dichte Blätterdach dieses wunderbaren
Nebel-Regenwaldes in die Höhe. Wir hätten eine Begleiterin bei uns, die mir
aber eher etwas hilflos daneben zu stehen scheint und all die hier zu entdeckenden
Geheimnisse lieber für sich behält. Aber wahrscheinlich hätte ich doch
nicht viel davon, weil ich sie eh nicht verstehe oder vielleicht hätten wir sie
löchern sollen. Aber auch das ist ja gar nicht nötig. Mir gefällt es, in
dieser Ruhe über dieses grüne Meer dahinzuschweben, manchmal ganz nah an
mächtigen, ehrwürdigen Bäumen vorbei, deren Stämme mit rankenden
Philodendren, Bromelien, Moosen und anderem Grünzeug, welches wir zuhause nur als
Zimmerpflanzen kennen, überwuchert werden. Manchmal tanzen riesige Schmetterlinge
vor unserer Nase vorbei. Ziemlich vergeblich versuche ich, von diesem grünen
Ausblick ein etwas aussagendes Bild zu erhaschen, aber ich glaube es gelingt nicht einmal
Stephan, mit der von Marlis ausgeborgten Wunderkamera besser. Am besten, man saugt das
Bild in sich auf und lässt das Herz schauen, wie Annemarie dies jeweils zu sagen
pflegt. Die nächsten Gondeln die folgen, sind besetzt von jungen Leuten, alle mit
Helmen bewehrt und Gstältli ausgerüstet. Der grosse Run ist nämlich nicht
das Highlight, über dem Dschungelblätterdach hier heraufzuschweben und die
grandiose Aussicht über die ganze Länge des Arenalsees zu bewundern, sondern
man kommt wegen dem Fun. Nachdem die Ausrüstung der jungen Leute nochmals
kontrolliert ist, können sie sich mit ihrem Tyrolienne an eine erste Probestrecke
hängen und um eine Kurve hinunter zur Startplattform sausen. Erst dort gilt es dann
Ernst und eins ums andere verabschiedet sich, um am quer über das ganze Tal
gespannte Seil an einer Rolle hängend, pfeifend die andere Plattform zu erreichen.
Ob die sich wohl noch getrauen die Augen geöffnet zu halten, um all die Wunder um
sie herum und unter sich zu sehen?
Während wir noch lange dem Treiben zusehen, hat sich der Himmel über uns
aufgehellt und auch die Wolken geben nun den Blick über den ganzen Arenalsee frei.
Man kann jetzt gut bis nach Pequeña Helvecia sehen, wo das Drehrestaurant auf
seinem Hügel weit über dem See thront. Während die Adrenalinsüchtigen
über sieben nervenkitzelnde Sektionen am Seil hinunter dem Tal zu sausen, nehmen wir
gemütlich die Gondelbahn und geniessen abermals, diesmal bereits im Sonnenschein,
der den Wald inzwischen so richtig zu modellieren beginnt, das ruhige Dahingleiten
über die grünen Wogen des Blätterdaches. Bevor man sich wieder freien
Fusses andern Abenteuern zuwenden kann, führt der Weg unweigerlich durch den Shop am
Ausgang mit Souvenirs in allen Variationen und ich erstehe ein paar Ansichtskarten zu
einem, wie mir scheint horrenden Preis.
Der anschliessende Besuch des Schmetterlingsgartens ist ebenso ein Muss. Die blauen
Morphpos, die uns hier umtanzen, narren mich natürlich hier genauso, wie in freier
Natur. Man schafft es nicht, einen auf den Chip zu bannen. Natürlich möchte ich
seine schön blau schimmernde Oberseite sehen, welche er aber, wenn immer er absitzt,
fest mit seinen zusammengefalteten Flügeln verschliesst und so sieht er braun und
unscheinbar aus. Immerhin meint er, mit seinen braunen Augen auf der Unterseite der
Flügel, trotzdem einen gefährlichen Eindruck zu machen. Dafür hält
mir ein anderes Paar schön still, und es gelingt mir eine wettbewerbsreife Foto und
trotzdem kann ich die Art nach dem im Souvenirshop erstandenen, teuren
Schmetterlingsführer über hier vorkommende Falter nicht bestimmen. Es
könnte aber laut Internetrecherchen ein Tiger Grasshopper Schmetterling Heliconius
sein.
Bei einem Ausguck hoch über den Bäumen muss sich Stephan heute nochmals als
Gruppenfotograf betätigen. Alle haben nun ein Bild in ihrer Kamera und nur ich eins
auch von ihm.
Zwecks Mittagsverpflegung halten wir auf dem Heimweg beim Steakhouse El Novillo an. Der
Wirt hat einen wunderbaren Garten, wo er in den Gebüschen überall Bananen und
Früchte aufspiesst und damit viele bunte Vögel anlockt. Natürlich muss ich
auch auf die Pirsch und bin hin und hergerissen, denn hinter mir beginnt sich der Arenal
immer weiter nach oben zu entblössen. Da möchte ich ja auch nicht verpasst
haben, dabei zu sein, falls er sich denn zu erkennen gäbe. So komme ich fast nicht
dazu, einmal ein richtig gutes, dickes Steak hier in Costa Rica ausgiebig zu geniessen.
Sie sind hierzulande nämlich noch am Lernen, ein gutes Stück Fleisch zu braten.
Der Nachmittag steht heute zur freien Verfügung. Stephan bietet an, auf dem Heimweg
bei einem Frosch- und Reptilienhaus anzuhalten, wo man Pfeilgiftfrösche und anderes
Getier dieser Gegend hält, die man als Tourist sonst kaum zu sehen bekäme. Ich
befürchte, dass ich für den Rest der Ferien wohl etwas zu wenig Bargeld habe
und weil Ernesto Interessierte in die Stadt fährt, möchte die Gelegenheit
nutzen, um an einem Automaten nachzutanken. Es ist die erste Gelegenheit, die sich auf
unserer Reise dafür anbietet. Ernesto wird uns ausserdem auch Briefmarken besorgen.
Das wäre ein Unterfangen, bei welchem wir Greenhörner wohl kaum Erfolg haben
würden. Da heisst es gewusst wo, wann und wieviel, dass es richtig ist für die
Schweiz. Das seien nämlich ziemlich gehütete Geheimnisse, selbst an den
Postschaltern. Marlis drückt dafür Stephan ihren Foto in die Hand, auf dass
sich dann am Abend vielleicht ein paar Froschporträts darauf befinden würden.
Im Städtchen La Fortuna gesteht Ernesto denen, die wieder mit ihm heimfahren
möchten, eine Stunde Aufenthalt zu. Eigentlich sollte diese spielend ausreichen, den
ganzen Ort kennen zu lernen, er besteht ja sowieso nur aus ein paar Souvenirshops.
Zuallererst wende ich mich zusammen mit Marlis der Bank zu, wo auch ein Geldautomat
vorhanden ist. Das wäre ja das allereinfachste auf der Welt, ich hätte sogar
zwei Karten zur Auswahl, mit welchen ich hier Colones, sowie auch US$ beziehen
könnte. Da mir Spanisch nicht viel nützt, wähle ich wenigstens Englisch.
Immerhin akzeptiert er hier den Code, nicht wie in Marokko, als ich meine ganzen 1000
aufgeladenen Franken als Travelcash wieder heimbrachte, nur weil ich wie befohlen den
Code nicht doch irgendwo aufgeschrieben hatte. Bevor mir diese Maschine nun aber Moneten
rausrücken will, erwartet sie von mir noch die Eingabe irgendetwas Geheimnisvolles,
obwohl Englisch, kommt mir dieses Wort halt genauso Spanisch vor. Auch mit der zweiten
Karte habe ich genauso wenig Erfolg und so gesellt sich ein weiteres
Geldautomatenabenteuer zu meiner Sammlung. "Kortet Deres kan ikke brukes i dene
automaten" - Karte nicht zu gebrauchen, hat mir das letzte Mal ein Automat auf Norwegisch
erklärt!
Dann probieren wir's halt doch am Schalter. Aber nur um in den Schalterraum zu gelangen,
wird man zuerst in einer gläsernen Schleuse eingesperrt und von einem
Sicherheitsbeamten auf der inneren Seite dazu angehalten, den Rucksack zu öffnen, um
ihm einen Blick hinein zu ermöglichen. Erst dann geht die zweite Glastüre auf
und man kann sich am Spender ein Nümmerchen lösen und damit warten, bis man an
die Reihe kommt. Zum Glück legt Marlis bei Ihrem Sachbearbeiter ein gutes Wort
für mich ein, dass er zuvorkommenderweise mich auch gerade bedient. Mein Los ist
nämlich drei Nummern höher und bis da alle Formalitäten erledigt sind, der
Pass fotokopiert und Bewilligung vom Chef eingeholt ist, dass er da solch exotischen
Fremdlingen 100 US$ auszahlen darf, sind gut und gerne eine halbe Stunde um.
Es reicht uns nun gerade noch, unsere Nase in einen einzigen Souvenirladen zu stecken
und auch in der Kirche ein Bild von der auch hier monumentösen Wandmalerei mit einem
halbnackten Jesus zu machen.
Aber am allermeisten fasziniert mich, dass der Arenal nun seinen Schleier komplett
abgelegt hat. Sein ganzer, gleichmässiger Kegel ist nun sichtbar, aber weder Rauch
noch Feuer noch glühende Lava kann man in irgendeiner Form ausmachen, höchstens
ein bisschen Dampfwölkchen. Auch dass man in der Nacht etwas von diesem Spektakel
sehen könnte, sind leere Versprechungen, jedenfalls nicht von unserem Hotel aus.
Dafür kann man sich in seinen warmen Wassern vor dem Haus für den Rest des
Tages noch richtig entspannen.