Wairoa - Gisborne
Nichts mehr ist mit Sommer oder dergleichen. Prasselnder Regen aufs Dach weckt
uns heute wieder mal auf. Der Seidenholzbaum, unter welchem wir stehen, hat
uns mit schweren Wassertropfen und all seinen braunen Blumenresten
überschüttet.
Der Campground hier in Weiroa scheint bei älteren Semestern mit riesigen
Wohnmobilen oder am besten mit ganzen Autocars beliebt zu sein. Dafür ist
der Spielplatz umso kleiner, aber die sanitären Anlagen sind tip top.
Gerade bei unserem Wegfahren heult wieder einmal eine Sirene. Unfall oder
Feuer? Oder Tsunami? Es geht so lang bis endlich der Ton abschwillt. Aber das
örtliche Polizeiauto überholt uns, noch ehe wir aus der Ortschaft
hinausgefahren sind. Es ist gruusig und neblig und es regnet zwar fein, aber
ausgiebig. Nach vielleicht 10 Kilometern überholt uns das Feuerwehrauto.
In dieser Zeit seit dem Alarm ist das Haus sicher bereits abgebrannt, wenn es
noch weit geht, und es könnte weit gehen, denn zwischen Wairoa und
Gisborne ist auf den ganzen 97 Kilometern keine nennenswerte Ortschaft -
einfach Einsamkeit und ab und zu Farmerhäuser. Nie aber sieht man
Ställe und Scheunen dabei, wie bei uns. Höchstens Schuppen, mehr
oder weniger verlottert und manchmal noch die Gehege, in denen sie die Schafe
zum Verladen zusammentreiben. Auch die Häuser sehen oft recht
heruntergekommen aus. Vielleicht hat man in der Nähe etwas Besseres
gebaut, aber solange eine Fernsehantenne auf dem Dach prangt, ist es
sicher noch bewohnt. Einmal liegt ein kleiner Friedhof in der Nähe der
Strasse, auf dem gerade etwa sechs Gräber zu sehen sind.
Nach etwa dreissig Kilometern führt eine Stichstrasse zur Mahia
Peninsula, entlang an einer schönen Bay und an eine Lagune, wo man
Vögel beobachten könnte. Aber bei diesem Wetter streichen wir das
von unserem Plan und fahren weiter Richtung Gisborne. Wieder überholt uns
ein Polizeiauto und nun haben wir den Ort des Geschehens erreicht. Es ist ein
schrecklicher Verkehrsunfall in einer Kurve vor uns. 45 Kilometer mussten die
Rettungsfahrzeuge von Wairoa und ebenso weit von Gisborne kommen. Wir stellen
uns auf eine längere Wartezeit ein, aber dann wenden alle Autos in der
Schlange und ein Rettungshelfer teilt uns mit, dass die Strasse wegen eines
tödlichen Unfalls wahrscheinlich noch einen halben Tag gesperrt sei. Wir
müssen also bis Wairoa zurück und dann via die Tiniroto Road,
über die wir auch in knapp 100 Kilometern durchs Landesinnere Gisborne
erreichen. Diese Strasse ist noch etwas enger, hat noch mehr Kürvlein und
führt über gebirgige, gelbe Hügel durch noch einsamere, aber
wunderschöne Gegenden. Wäre da nur nicht ab und zu der Nebel und das
feine Regengefieserl.
Einmal leckt eine Kuh ihr offensichtlich eben neugeborenes Kälbchen, das
noch ganz breitspurig auf gespreizten Beinchen aufgestanden ist.
Man sieht so wenig Häuser, dass man sich wundert, dass hier
überhaupt ein Schulbus verkehrt, was die knallgelben Schilder
behaupten.
Ab und zu sieht man neben dem Strassenrand ein kleines Kreuz mit
künstlichen Blumen dran, ein Mahnmal, dass hier einmal jemand gestorben
ist. Auch in jener Kurve in der Mitte zwischen Wairoa und Gisborne wird wohl
jetzt dann ein solcher Mahnfinger zu sehen sein. Einmal waren es zwei Kreuze,
die wir gesehen haben und an jedem hing noch ein Töffhelm. Sowas macht
einen schon nachdenklich und es wirkt vielleicht noch mehr als die manchmal
makaberen Schilder, welche ab und zu am Strassenrand für ein sicheres
Verkehrsverhalten werben. Der Spruch: hohe Sommer-Crash-Rate - langsamer!
begleitet mit einem Bild der Feuerwehr, einmal mit der Ambulanz und einmal gar
mit dem Leichenwagen zum Beispiel, oder eines mit einem Andreaskreuz am
unbewachten Bahnübergang mit dem Spruch: Verliere lieber eine Minute,
als dein Leben. Ich probiere jeweils diese Plakate zu erhaschen. Manchmal
gelingt es mir im Vorbeifahren. Gestern erwischte ich eins das hiess: 'Heard
about the drunk who thought he was OK to drive?' Daneben ein Grabkreuz und
darunter: Bloody Idiot.
Wir erreichen Gisborne also nach 180, statt nach 100 Kilometern und es regnet
immer noch.
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