Carnarvon - Kalbarri
Wir drehen eine erfolgreiche Ehrenrunde durchs Städtchen Carnarvon und
während wir im Woolworth nach Brot und Käse Ausschau halten,
tönt es neben uns schweizerdeutsch. Es ist eine ganze Gruppe junger
Burschen und die sind unterwegs Richtung Norden und Darwin. Sie leben auch
seit einiger Zeit ohne Nachrichten und wissen nichts von ihrem Glück, welches
ihnen dort oben wartet. Ich habe den Zettel der Meteostation über den
voraussichtlichen Verlauf des Zyklon noch nicht weggeschmissen und gebe ihnen
diesen weiter. So können sie sich wenigsten ein bisschen seelisch darauf
vorbereiten.
Dann muss der Tank noch aufgefüllt werden. Eigentlich haben wir ein
gutes Auto erwischt. 8,7 Liter auf 100 km scheint uns ein recht guter
Durchschnitt für dieses doch recht grosse Auto zu sein.
Dann überlassen wir uns wieder den Ebenen und den Weiten. Am
Strassenrand begleiten uns auch wieder die Kadaver der angefahrenen
Kängurus, einmal sind es sogar gleich zwei frisch überfahrene
Ziegen. Ob sie wohl auch einfach so den Geiern und Fliegen überlassen
werden? Manchmal hat man das Gefühl, dass die Kängurus nicht mal
gefressen werden, sondern sie werden mumifiziert, von der Sonne, der Hitze und
dem Wind einfach ausgedörrt. Einmal möchte ich auch ein solches
Känguruskelett auf dem Bild festhalten. Skelett ist natürlich etwas
übertrieben. Da ist einfach noch ein Haufen Knochen da, fein
säuberlich abgenagt von den Termiten und von der Sonne weiss gebleicht.
Es scheint aber, dass die Fliegen immer noch nicht genug davon haben, denn
kaum ist man aus dem Auto, wird man umschwärmt. Sie heissen einen freudig
willkommen, sitzen in ganzen Gruppen auf unseren Rücken, kitzeln an den
Armen und Beinen, verkriechen sich hinter den Brillengläsern und in den
Ohren. Weder Antibrum noch das Sandflyspray oder Teebaumöl macht ihnen
Eindruck. Sie sind hartnäckig. Sie begleiten einen ins Auto zurück,
aber zum Glück lieben sie die Kühle nicht. Sie kriechen in Ritzen
und Spalten, um dem Durchzug zu entrinnen. Beide Fenster einen Moment
öffnen und man ist der Plagegeister los.
Da hat mal einer einen Turnschuh verloren. Jemand hat ihn dann an einen Baum
am Strassenrand gehängt und vielleicht auch noch einen von sich dazu. So
ist wohl die Geschichte weitergegangen und wie in einem Roadhouse, wo
Sammlungen von Dächlikappen oder an einem andern Ort, im Roten Zentrum,
wo in der ganzen Gaststube BHs an der Decke hängen, hängen jetzt
hier in der Wüste an einem Baum Turnschuhe. Da muss mir René direkt
stoppen für ein Foto.
Wieder endlose Weiten, aber plötzlich hat es wieder diese Dünen,
die ‚Striche', wie ich ihnen sage. Einmal hat es einen Lookout, wo ein
Weg auf eine Düne hinauf führt, wo man etwas erhöht einen
wunderbaren Ausblick über das karge, steinige Wüstengebiet hat, das
vom schwarzen Band der Asphaltstrasse durchzogen ist, welches sich auf der
andern Seite auch in der Unendlichkeit verliert. Weit vor uns blaues Wasser
und Meer. Aber hier sind die Fliegen noch penetranter als vorhin bei den
Knochen und man hält es wegen diesen noch weniger lang aus, als wegen der
Hitze.
Die Gegend ist eintönig, aber doch nicht immer gleich. Sie ändert
sich aber fast unmerklich, bis man realisiert, dass das niedere Gestrüpp
von viel grösseren Euklalypten abgelöst worden ist. Somit sieht man
auch nicht mehr über die Ebene hinweg. Später vermutet man wieder
eine gelbe Sandwüste hinter dem spärlicheren Buschwerk am
Strassenrand. Aber es ist nicht Sand, sondern weite, dürre
Grasflächen. An kahlen Stellen sieht man auch hier die rote Farbe des
Bodens, wie sie einfach überall in Australien rot ist.
Endlich haben wir die Abzweigung nach Kalbarri an die Küste erreicht,
aber es sind immer noch 75 Kilometer durch den Kalbarri Nationalpark. Das sind
riesige Weiten von Buschland, aber ein lohnender Stopp sind die blühenden
Banksia direkt am Wegrand.
Fünf Minuten vor sechs, das heisst vor Torschluss, treffen wir beim
Familypark in Kalbarri ein und erhalten auch hier noch eine Cabin für
heute Nacht.
Wir sind müde und gehen um halb neun schon ins Bett. Wir können
aber nicht schlafen, weil die Klimaanlage einen solchen Lärm macht und
wenn man sie abstellt, wir es wieder so grässlich heiss. Deshalb sieht
René auch, dass wir in der Nacht Besuch bekommen. Jetzt wagen sich die
Kängurus nämlich in den Park und schauen sich um, ob etwas für
sie da sein könnte.
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