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Irgendwie haben wir dann doch geschlafen und eigentlich gar nicht gemerkt, dass wir
zwischen Viertelvor sieben und halb acht am Hafen in Måløy angelegt haben.
Wir kommen als Letzte etwas nach acht Uhr zum Frühstück angetanzt. Noch finde
ich es lustig, wie man mit der gefüllten Kaffeetasse zielstrebig zwischen den Leuten
durchnavigieren muss, um unbeschadet damit an seinen Platz zu gelangen.
Auf dem Stundenplan, den man sich beim Reiseleiter im Büro holen kann, steht, dass
wir ca. ab 8:15 Uhr beginnen Stadhavet, eine der vielen offenen Seestrecken, die wir mit
der Hurtigrute passieren werden, zu überqueren. Ein Sturmsymbol weist auf dem Plan
auf diesen Event hin. Glaub wohl, tanzen wir! Es sind bereits Einige, die von den
Reisetabletten Gebrauch machen mussten und es gibt solche, die schon gar nicht zum
Frühstück erschienen sind. Das fängt ja gut an…
Ich ziehe mich warm an und lasse mir auf Aussendeck den Wind um die Ohren blasen. Die
Flagge hinten am Schiff hängt auf Halbmast. Die beiden Kollegen, die auf der Nordlys
letzte Woche beim Unglück ums Leben gekommen sind, werden heute beigesetzt. Schwarz
ist das Meer und dunkle Wolken ziehen im Tiefflug über den Himmel. Manchmal
entleeren sie sich in einem Fjord, so dass die dahinterliegenden, bergigen Inseln nur
noch schemenhaft zu erkennen sind oder wir fahren mitten durch den Wolkenbruch hindurch
und dann verzieht man sich gerne hinein in die Wärme zu einer Tasse heissem Tee oder
Kaffee.
Da hat man nämlich ein super Angebot bekommen. Wenn man sich so eine rote
Hurtigruten-Tasse für 215 Kronen anschafft, kann man diese während der ganzen
Reise sooft man will und zu jeder Tages- und Nachtzeit mit heissem Kaffee oder auch Tee
an der Maschine beim Kiosk auffüllen.
Um 10:15 legen wir in Torvik für eine halbe Stunde an. Zeit zum Waren ein- oder
ausladen, oder Passagiere an Bord zu nehmen, die vielleicht in der nächsten Stadt
etwas besorgen müssen. Viel Betrieb gibt es zwar nicht und es regnet. Marie-Louise
will sich an Land etwas die Beine vertreten, muss aber den Schirm mitnehmen und weite
Sprünge kann sie auch nicht machen. Ausser einem Lagergebäude und einem
Parkplatz gibt es hier eh nicht viel zu sehen.
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Um 12 Uhr hingegen sind wir in Ålesund und damit wir in diesen drei Stunden,
welche das Schiff dort wartet, auch etwas von diesem hübschen
Jugendstilstädtchen sehen können, lauern wir um halb zwölf auf die
Öffnung des Speisesaals. Man hätte sich zu zwei Ausflügen anmelden
können, eine Stadtbesichtigung und den Besuch von Europas grösstem
Salzwasser-Aquariums, aber wir probieren die Erkundung auf eigene Faust. Das Wetter hat
sich etwas gebessert, oder auf jeden Fall sind hier die Wolken schon sehr aufgelockert
und zwischendurch scheint sogar auch die Sonne.
Wir schlendern durch die Stadt des Jugendstils. Hier in Norwegen, wo die Häuser aus
Holz gebaut wurden, führte man wohl seit eh einen Kampf gegen Feuersbrünste,
denen ganze Städte zum Opfer fielen. Wie wir das schon von Bergen erfahren haben,
war dies auch hier Anfang des letzten Jahrhunderts der Fall. Ålesund wurde
innerhalb von nur drei Jahren im damals modernen Jugendstil wieder aufgebaut. Der
Apothekertorget im Städtchen, wo wir eigentlich einen Kräutertee einkaufen
wollen, entpuppt sich aber nicht als das Erwartete, sondern bildet als antike Apotheke
den Zugang zum Jugenstilmuseum. Museum wollen wir jetzt nicht, einfach noch ein bisschen
schlendern, vorbei an den mit Ornamenten verzierten Häusern, zuschauen, wie zwei
junge Männer von der Brücke in den Fluss springen und allenfalls noch den
Hügel erklimmen, wo die Kirche steht. Die Kirchentür steht offen und wir
huschen hinein. Leider haben wir nur ganz kurz Zeit, um all die Fresken zu bewundern,
weil gerade die Führung beendet ist, die von unserem Schiff organisiert wurde und
die Tore wurden eigentlich nur für diese Leute geöffnet. Vom Schulhaus aus, das
ganz oben auf diesem Hügel steht, kann man nun unten im Hafen unsere stattliche
Nordkapp liegen sehen. Auf dem Rückweg finden wir dann in einem Supermarkt doch noch
unseren Kräutertee - einen Ricola! Das heisse Wasser dazu bekommt man ja gratis in
die rote Tasse.
Nach zweieinhalb Stunden Weiterfahrt haben wir Molde erreicht. Natürlich muss man
das Prozedere des Anlegens mitverfolgen. Wie sich das grosse Schiff langsam an den mit
riesigen Pneus bewehrten Landungssteg heranschiebt, die grossen Taue mittels einer
Wurfleine abgeseilt werden und sich das grosse Tor für Fahrzeuge und Waren
öffnet und über den Fussgängersteg eine kleine Gruppe Passagiere an Bord
nimmt. Und schon geht's wieder weiter.
Da wir erst in der zweiten Sitzung um 20:15 Uhr essen können, will ich nun mal
Internet ausprobieren. Ich habe mein Netbook mitgenommen und will in Anbetracht meiner
grossen Reise nach Downunder die Funktion mit Wireless und an fremden Compis austesten.
Man bekommt an der Rezeption einen Zugangscode und diese eine Stunde, die ich gratis im
Netz surfen könnte, verläuft ziemlich erfolglos und frustrierend.
Kurz vor acht Uhr kreuzen wir die südgehende MS Polarlys. Man begegnet immer
zweimal am Tag einem entgegenkommenden Hurtigruten-Schiff, welches von den Kapitänen
dann mit dröhnendem Hornen gebührend begrüsst wird. Von hüben und
drüben wird auch auf dem Aussendeck kräftig zugewinkt. Silvia hat noch einen
zusätzlichen Grund, dies zu tun. Ihre Schwester ist nämlich auch auf der
Polarlys. Unabhänig voneinander haben beide eine Hurtigrutenreise gebucht, nur
beginnt die eine und die andere geht schon bald zu Ende.
Es wird draussen erst jetzt dunkel und endlich kommen auch wir drinnen dran, und
dürfen mit sauber desinfizierten Händen am Tisch 40 Platz nehmen. Jetzt ist
keine Auswahl und man nimmt Vorlieb mit dem was vorgesetzt wird. Heute ist es Poulet und
für 75 Kronen kann man sich dazu ein Glas Roten genehmigen. Für
Geburtstagskinder wird gar eine richtige Show veranstaltet. Mit brennenden Wunderkerzen
begleitet, werden für zwei Passagiere die Desserts durch den Esssaal getragen und an
den Tischen mit einem vom Personal gesungenen Happy Birthday, kredenzt.
Auf unserem Tagesplan steht für die Zeit des Nachtessens wieder ein Sturmsymbol an.
Wir überqueren Hustadvika, eine offene Meeresstrecke. Diesmal spürt man jedoch
nicht viel davon. Es ist viel ruhiger geworden und man hat auch keine Probleme mehr, dem
Gang entlang geradeaus zu laufen.
Bevor wir ins Bett gehen, können wir noch Kristiansund begrüssen. Eine grosse,
behäbige, beleuchtete Kirche heftet sich in meine Erinnerung ein und dann wird
geschlafen. Viel besser als gestern und die ganze Nacht lang.
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