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Die Meisten haben sich nun doch schon um sieben Uhr, auch ohne
Champagnerfrühstück auf Deck 7 versammelt. Zwar regnet es gerade wieder und es
ist soeben am Hellwerden. Trübe Wolken umschleiern den Hestmannøy, den
versteinerten Reiter. Im Moment jedoch, wo seine markante Nadel und der Globus auf der
kleinen Insel Viking von uns aus gesehen in einer Flucht stehen und der Kapitän mit
dem mächtigen Getöse des Horn die Überquerung des Polarkreises
verkündet, hat es aufgehört zu regnen und es ist bereits etwas lichter
geworden. Es ist 7:20 Uhr und niemand von uns hat diese Zeit genau erraten. Im Film, der
vor kaum einem Monat über eine Reise mit der Nordkapp im Fernsehen ausgestrahlt
worden ist, war von einer Polarkreistaufe die Rede. Aber weder Trolle noch Neptune mit
Eiswasser erscheinen auf der Bildfläche, also verziehen wir uns an die Wärme,
wo uns das sagenhafte Frühstücksbuffet erwartet. Ausser der vielfältigen
Auswahl an Brot mit Konfi etc., Fisch, Käse, Aufschnitt, frischen Früchten und
Melonen über Gurken und Tomaten und natürlich Müesli und Joghurt, gibt es
heute frisch gemachte Spiegeleier und gebratenen Speck. Gestern war es Rührei und
vorher weiche Eier. Ausserdem könnte man immer auch noch so kleine Würstchen,
Haferbrei, Bratkartoffeln oder weisse Böhnchen an Tomatensauce und was weiss ich was
noch alles schöpfen. Ich probiere mich etwas zurückzuhalten, denn am Mittag ist
nochmals Buffet…
Es gibt nur etwa zwei Achter-Tische und manchmal sind davon auch bereits einzelne
Plätze belegt. Aus diesem Grund trifft es mich heute zusammen mit einem
Australischen Ehepaar, welches gestern in Trondheim an Bord gekommen ist. Die Gelegenheit
benutzend, probiere ich mich mit ihnen zu unterhalten. Doch sie müssen schauen, dass
sie um zwanzig nach Acht bereit sind für ihren Gletscher-Ausflug. Oh je, und das bei
diesem Wetter! Diesmal legt die Nordkapp nirgends an, die Abenteurer werden an Bord eines
Schnellbootes ausgetendert (so steht es im Ausflugsprospekt). Wir verlangsamen die Fahrt
und jegliche Ansage geht wieder im Geknatter und Getöse der umgekehrten
Schiffsschrauben unter. Margrit holt sich gerade eine frische Tasse Kaffee an der
Maschine, wo der Lärm nicht so stark ist und kommt fragend an den Tisch zurück.
Sie haben eine Frau Rita Graber ausgerufen, sie solle sich an der Rezeption melden! Was
hast du verbrochen? Ich weiss von nichts, aber natürlich melde ich mich gehorsam.
Sie suchen tatsächlich mich und warten mit dem Schnellboot auf mich für die
Gletschertour. Da hat Johan Paerson wohl etwas durcheinander gebracht. Also geben sie den
Abenteurern grünes Licht und ich vergewissere mich bei Johan, dass von meinem Konto
nicht auch 1000 Kronen dafür abgebucht worden sind. Ich habe nämlich meine
Visakarten-Nummer hinterlegt und für alles, was ich während der Reise
zusätzlich an Geld brauche, wird automatisch auf diesem Konto gesammelt. Dazu kann
ich nur meinen Kabinenschlüssel vom Halsband klicken und bekomme die Visaquittung
zur Unterschrift. Am letzten Tag bekomme ich dann die Abrechnung zum Kontrollieren und
habe sonst nichts mehr zu tun.
Draussen sind die Berge etwas höher geworden. Der Svartisen Gletscher den die
Ausflügler besuchen, ist ja der zweitgrösste in Norwegen. Die Vegetation ist
auch bereits recht herbstlich. Rot und gelb scheint es dort, wo die Inseln nicht nur aus
Felsen bestehen. Aber es ist trüb und nass und ich geniesse die Fahrt wieder im
bequemen Sessel bei einem heissen Tee aus der roten Isoliertasse auf Deck sieben. Zum
Glück funktioniert der Deal auch mit Tee, denn den Kaffee habe ich von der Liste
meiner Begierden gestrichen. Um halb eins treffen wir heute in Bodø ein, deshalb
ist bereits um halb Zwölf Lunchtime und ein entsprechender Run auf die Buffets.
Einen Ausflug hat heute niemand von uns gebucht, man will die Stadt auf eigene Faust
erkunden. Saltstraumen wäre vielleicht noch interessant gewesen, wo die Gezeiten
durch einen tiefen, schmalen Sund viermal am Tag enorme Wassermassen pressen und dadurch
mit gewaltigen Strudeln ein richtiges Naturschauspiel veranstalten. Nur bei diesem Wetter
und dazu noch in einem Schlauchboot…!
Ich habe mich entschlossen heute ‚daheim' zu bleiben und es nochmals mit dem
Internet zu probieren, ernte aber wieder den gleichen Frust.
Ich will wissen, was ich denn falsch mache und da geben sie mir einen super Tipp. Wenn
ich einen eigenen Laptop habe, muss ich damit zuvorderst aufs Schiff, also in die
Nähe der Brücke und hier funktioniert die Wireless-Verbindung bestens. Ich
suche mir also ein ruhiges Plätzchen gerade am Fenster und kann so in aller Ruhe
meine Mails beantworten. Falls ich unauffindbar bin, wird man mich also in Zukunft hier
suchen müssen.
Nur heute kann man am Kiosk Polarkreis-Sondermarken bekommen und da bekommt nun Vreni
eine Karte auch noch mit einem Sonderstempel abgestempelt und eingeworfen am Tag X, wo
man den Polarkreis überquert hat!
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Nach einer erfrischenden Dusche endlich, will ich noch etwas hinaus, aber eben sind
die letzten Inseln hinter uns und wir befinden uns auf dem offenen Meer, also probiere
ich halt, zwar mit nicht so grossem Erfolg, mit meinem Reisebericht zu beginnen.
Es ist gerade am Eindunkeln, als wir in Stamsund ankommen und die Nordkapp tanzt in den
Hafen hinein. Wie in einer Pirouette dreht sie sich einmal um die eigene Achse, damit sie
mit Backbord (das ist, wie man hier lernt, die linke Seite) an die grossen Pneus heran
kommt und dort dann ihre beiden grossen Schlunde aufsperren kann. Eine halbe Stunde
hält man hier an und Marie-Louise will ihren Fuss noch heute auf die Lofoten gesetzt
haben. Ich begleite sie und auch Ute, eine junge Deutsche, die wir im Ringve Museum
kennen gelernt haben und die unser Schweizerdeutsch sehr gut versteht, gesellt sich zu
uns. Weit kann unsere Exkursion allerdings nicht gehen. Der Ort ist winzig klein und die
Angst, das Schiff könnte ohne uns abfahren, treibt uns bald wieder über die
Stufen, die diesmal wohl wegen Ebbe hinunter gehen, zurück. Der erste Eindruck auch
von den Lofoten - düster, trüb und hängende Wolken über dem Berg am
Landungssteg bis fast zur Höhe des Schiffs.
Wir haben heute wieder eine Ankündigung an der Türe gefunden. Heute Abend um
23 Uhr kann man auf Deck 7 ein magisches Trollfjord-Getränk bekommen. Für 75
Kronen kann man dafür einen Bon erwerben, eine Troll-Tasse inbegriffen!
Das alles nur, weil unser Weg heute Nacht am Trollfjord vorbeiführt.
Also eine Trolltasse haben wir keine gekauft, aber trotzdem wollen wir um 23 Uhr auf Deck
7 nachschauen, was sich dort tut. Da wird aus einem grossen Topf eine dampfende Suppe
verteilt. Ob man jetzt eine Trolltasse hat oder nicht, dann gibt es sie einfach im
Pappbecher und dafür will der Koch nicht mal einen Bon. Er ist froh, wenn ihm nicht
so viel übrig bleibt. Es ist eine Art Fischsuppe, wohl mit einem Schuss
irgendwelchem Feuerwasser drin und Crevettenstücken. Ich finde sie gar nicht so
übel. Wir fahren unterdessen an den Trollfjord heran und das Schiff verlangsamt
wiederum die Fahrt und schaltet Scheinwerfer ein, welche die steilen Abhänge zur
schmalen Einfahrt in den Fjord abtasten. Manchmal bleibt das Licht auf einer
Felsformation oder Höhle oder was immer man sich darunter vorstellen soll stehen und
Johan erläutert in drei Sprachen, wo sich nun der Troll versteckt und sonst sicher
noch viel Geheimnisvolles, das man aber natürlich unter der Regenkaputze kaum
versteht, weil es wieder zu regnen begonnen hat.
Wir verziehen uns in Kabine 531, wo Lykke-Lise mit uns noch speziell mit einem Gamal Dansk auf sämtliche geheimnisvollen Trolle Norwegens anstösst.
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