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Es hat die Restlichen nun doch auch gefuxt, dass sie nicht am Nordkap waren und
gestern haben sie auf die Fahrt über Land gemerkt, dass man auch ein ganz anderes
Gespür für die Gegend bekommt, wenn man sie nicht nur vom Schiff aus
betrachtet. Darum benützen sie die zweite Gelegenheit, auf der grossen Nordkaptour
die aussergewöhnliche Atmosphäre auf dem Plateau bei einem Frühstück
auf sich wirken zu lassen. Weil das Schiff diesmal am frühen Morgen nur eine halbe
Stunde Aufenthalt hat, fährt der Bus später durch den Unterwassertunnel aufs
Festland hinüber, entlang dem mächtigen Porsangerfjord und über die
arktische Naturlandschaft Richtung Hammerfest. Das Wetter am Kap ist kein bisschen besser
als vorgestern, aber auf ihrer Fahrt bessert es sich schneller, als es sich das bei uns
draussen auf dem Wasser tut. Natürlich kann ich nicht mehr schlafen, nachdem Esther
in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und gegangen ist. Also bereite ich mein
Monatsbild vor und nehme mir vor, dieses heute noch vor Hammerfest abzuschicken. Meine
Monatsbild-Fan-Gemeinde bekommt diesmal ein hochaktuelles Bild von einer ganz stolzen
Rita am Nordkap, geknipst von Ute und gesendet direkt aus dem höchsten Norden. Nach
dem Frühstück schaffe ich das gerade knapp in der Stunde, in welcher mein
gelöster Zugangscode gilt. Gut, habe ich das auch ausprobiert, es brauchte doch noch
ein paar Anpassungen, die ich nun für meine Neuseelandreise wissen muss.
Das Wetter ist so regnerisch und trüb, dass es einen nicht auf Aussendeck zieht.
Auch die Vogelfelsen ziehen ungesehen irgendwo im Nebel vorbei. Papageientaucher habe ich
jedenfalls bis jetzt auch keine gesehen. Einzig beim Kreuzen mit der Polarlys, wo die
Reiseleiter mit etwa zwanzig Luftballons zum Winken bereitstehen und das Hupkonzert bunt
untermalen, bin ich dabei. Es regnet im Moment zwar gerade nicht, aber der Wind fegt
einen fast vom Deck.
Um viertel nach Elf sind wir in Hammerfest. Da kommen die Ausflügler wieder an
Bord und uns reicht die Stunde Aufenthalt für eine kurze Inspektion der
nördlichsten Stadt der Welt, die auf dem gleichen Breitengrad liegt wie die
nördlichsten Gebiete von Sibirien oder der nördlichste Punkt Alaskas und auch
die Mitte Grönlands. Ein Blick in die nördlichste katholische Kirche der Welt
(muss ich doch wegen den Superlativen erwähnen) und auch einer in das kleine
Wiederaufbau-Museum, das etwas nachdenklich stimmt. Zuerst staunt man ob den
ausgestellten Pfeilspitzen und Messern aus Stein, die man hier gefunden hat. Einiges
davon liegt ohne Panzerglas auf Etageren da und niemand hat was gegen Rucksäcke im
Museum. Soweit zu Besiedlungsbeweisen hier oben bis vor 9000 Jahren.
Was aber im zweiten Teil dargestellt wird, ist eher beklemmend. Im Krieg blieb hier kein
Stein auf dem anderen und die Menschen haben unsäglich gelitten. Beim Kampf um ein
strategisch wichtiges Gebiet und reich an Bodenschätzen, wurde alles bombardiert und
die Einwohner einfach deportiert. Man versuchte, in Höhlen zu überleben und in
einer Nische kann man sich eine kleine Vorstellung machen, wie sich das Leben so auf der
Flucht in Verstecken und voll Angst angefühlt haben muss. Als ob man sich auch in
einer dieser Höhlen befinde, hört man leise Kinder wimmern und verzweifelte
Rufe von gehetzten Menschen. Ein deutsches Manifest an der Wand als Plakat will
erklären, warum es wichtig und nötig ist, dass alle Einheimischen hier nichts
mehr zu suchen hätten. Es friert einen richtig.
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Eigentlich wollten wir noch die andere, lutherische, auch schöne und im Stil der
Eismeerkathedrale gebaute Kirche besuchen, aber Jolanda und ich haben plötzlich den
Bahnhofkoller. Dabei hätten wir sicher noch eine Viertelstunde, bis das Horn zur
Abfahrt ertönt.
Die Ausflügler kommen jedenfalls noch viel nach uns an Bord. Mit ihnen ist auch die
Sonne am Himmel erschienen und lässt dort, wo es Bäume hat, Hammerfest in
leuchtend gelben Farben erstrahlen. Im Allgemeinen sind aber die Hügel und Inseln
wieder recht nackt und baumlos und ausser Flechten und Moos sieht man nicht viel
Vegetation.
Nach dem Essen locken mich schöne Leuchttürme wieder nach draussen und man kann die Fahrt durch den Sørøysund, entlang von Sørøya, der grössten Insel Finnmarkens (Superlativ) auf steuerbord bei Sonnenschein geniessen. Auf backbord erscheint aus der Ferne das Gebirge auf Seiland mit seinen Gletschern, welches aber bereits unter einem Band von Wolken liegt, das sich immer mehr verdunkelt, je näher wir darauf zu steuern. Irgendwann verschwindet unser Schiff unter dem Deckel der sich so faszinierend verändernden Wolkenschichten, das Meer wird wieder grauer und zwei Frauen deuten aufgeregt auf die gekräuselte Oberfläche. Zweimal sehe ich nun auch einen grossen, langen, glänzenden Rücken auftauchen und wieder verschwinden. Ein Wal oder ein Tümmler? Es ist direkt spannend und man könnte mit sich selber Wetten abschliessen, in welche Bucht oder Fjord das Schiff nun einbiegt und dann beginnt hinter einer Landzunge oder Felsnase doch noch ein anderer Durchgang, den der Kapitän dann wirklich durchfährt. So biegen wir auch jetzt vor jenem Berg mit dem grossen Gletscher darauf ab, den ich schon so lange anvisiert habe, um im schmalen Fjord im Hafen von Øksfjord anzulegen. Von hier aus sieht man nun noch mehr vom Øksfjordjøkelen, dem einzigen Gletscher, der ins Meer kalbt, jedoch nicht seinen Abbruch. In diesen Gebirgen hier hat man auch Höhlenzeichnungen gefunden, die gegen 9000 Jahre alt seien und in diesen Höhlen haben sich 1944 über 1000 Einwohner versteckt.
Der Wind hat wieder stark zugelegt, eigentlich nicht auf dem Meer, aber wenn man vom
Bug vorn wieder auf der schmalen Terrasse nach hinten will, kommt man ins Rennen, ob man
will oder nicht. Am stärksten ist die rechte Seite vorn, auf steuerbord n.b., da
kann man Gefühle wie in einem Windkanal erleben und die Kleider flattern am
Körper wie auf den Bildern von einem Fallschirmspringer im freien Fall.
So schön durchgefroren kann man dann in der Kabine warm duschen und sich mit einer
Tasse heissem Tee wieder ins Eggeli verziehen und probieren die tausend neuen Bilder zu
sichten. Draussen ziehen wieder die fantastischsten Inseln vorbei. Es braucht nicht mal
viel Fantasie, um festzustellen, dass es Trolle sind, die sich wohl zu spät von
ihrem Nachtausflug auf den Heimweg gemacht haben und vom Strahl der Sonne getroffen zu
Stein erstarrt sind.
Nach dem Nachtessen wollten wir eigentlich auf Deck 7 auf unser Nordlicht warten.
Lykke-Lise hat einen Stern gesichtet, aber der war so einsam und hat sich längst
wieder hinter einer dicken Wolkenschicht versteckt und die Nacht ist finster und
abwechselnd gar nass. Die meisten sind seit fünf Uhr wach und trotzdem wollen alle
ausser Marie-Louise, die sich für den morgigen Ausflug um acht Uhr mit dem Bus in
die Lofoten angemeldet hat, heute noch ins Mitternachtskonzert in der Eismeerkathedrale
in Tromsø. Um der Einschlafgefahr vorzubeugen und etwas frischen Sauerstoff in die
Lungen zu bekommen, machen Margrit und ich die Windkanaltour. Es bläst jetzt wohl
noch dreimal stärker als am Nachmittag und fordert mich natürlich dreimal mehr
heraus, diese Albernheit mitzumachen. Es kostet in der Ecke wirklich eine richtige
Anstrengung, dass man tatsächlich einen Fuss vor den andern setzen kann. Zum
Glück ist dunkel und niemand ausser ein paar Rauchern, die lieber ihre Lunge
verpesten als reinigen, stehen draussen in windgeschützten Ecken.
Wir kommen in den Genuss eines eindrücklichen Konzerts in dieser vielbewunderten
Kirche. Es ist glaub ein samisches Brüderpaar, Harald Bakkeby Moe mit einer
wunderschönen Stimme, Øyvind Bakkeby Moe, ein begnadeter Trompeter und Robert
Frantzen an der Orgel, die norwegische und irische Volkslieder vortragen und auch
Instrumentalstücke, die auf samischem Joik basieren und was immer das sein soll, es
ist sehr schön. Man kann keine CD kaufen, wie ich gehofft habe, um meine geplante
Diashow zu untermalen. Vielleicht finde ich noch etwas von Edvard Grieg. Der ist ja auch
ein berühmter Norweger.
Bei strömendem Regen und Wind werden wir mit Bussen wieder abgeholt und über
die grosse Brücke geht's zurück aufs Schiff und dann in die Heja.
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