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Man könnte heute ausschlafen, denn das Wetter ist regnerisch und trüb. In Harstad ist die nun nordgehende Richard With schon abgefahren, dafür passt die Küstenwache auf den Hafen auf. Ich verziehe mich wieder ins Eggeli um etwas zu schreiben. Draussen pfeift der Wind ums Schiff, dass es sogar hier drinnen heult. An meinem Plätzchen dort am Fenster kann ich trotzdem mitverfolgen, wie wir durch die Risøyrenna, eine 4,5 km lange ausgebaggerte Fahrrinne dampfen. Die vielen, gut sichtbaren und hohen Markierungen oder Bojen, welche dem Kapitän den sicheren Weg durch die Untiefen weisen, sind von Kormoranen besetzt und die Sockel der Brückenpfeiler bei Sortland, wo gerade die beiden Busse der Landausflügler darüber fahren, als wir untendurch den Hafen anpeilen, wird von diesen schwarzen Gesellen, die im Wind ihre aufgespannten Flügel trocknen lassen, geradezu belagert. Silvia, Lydia und Marie-Louise sind mit ebendiesen Bussen von Harstad über Land gefahren und haben eine Rundfahrt durch die Inselwelt der Vesterålen genossen. In Harstad haben sie die nördlichste, mittelalterliche Steinkirche besucht und damit man einen Grund hatte, mit den Glocken im Kirchturm, der tatsächlich vorhanden ist, zu läuten, wurde extra für die Gruppe ein ökumenischer Mini-Gottesdienst abgehalten. Auch eine Fährfahrt über den Gullesfjord, versüsst mit einer Kaffee-und-Kuchenpause war im Ausflug inbegriffen.
Eine gute Stunde später landen wir bereits wieder in Stokmarknes. Hier hatte 1893 der Lotse Richard With die Idee mit der Hurtigrute, deshalb hat man hier gleich beim Hafen auch die Gelegenheit, das Hurtigrutenmuseum zu besichtigen. Die Vorgängerin der jetzigen Finnmarken ist da aufgebockt und ich stürme mit Lykke-Lise zuerst in den dritten Stock des Museums, wo man über eine Passerelle in das alte Schiff kommt, bevor die andern realisieren, dass dies auch eine Option des Besuches ist.
Ein Blick in die Küche, die Salons und Kabinen und es ist interessant, jetzt mit einst zu vergleichen. Ein holländisches Ehepaar blickt fasziniert in eine der Kabinen, die aber abgeschlossen ist. Aufgeregt wird fotografiert und Lykke-Lise erfährt auf Dänisch, dass die beiden seinerzeit mit dieser Finnmarken nach Trondheim gefahren sind und eben diese Kabine belegt hatten. Das ist natürlich einmalig, nach so viel Jahren diese in einem Museum wieder zu sehen.

Küstenwache das kalte Buffet Blick aus der Finnmarken auf die Nordkapp Hallo Jolanda! Spiegelbilder

Die Abfahrt ist wieder spannend. Wir verlassen Vesterålen und kommen im Regen unter Brücken und einem Regenbogen durch, hinein in den Raftsund in den Lofoten. Das spannende Spiel mit Sonne und gleissenden Reflexen lässt mich nicht hinein in die Wärme, ich könnte ja etwas verpassen! Und tatsächlich würde man das, denn der enge Raftsund mit seinen hohen Bergen und fast senkrechten Felswänden links und rechts fasziniert nicht nur mich. Unten das Wasser, das wohl im Gezeitenstrom in dieser Enge richtig zu rauschen beginnt. Man kann die Wirbel auf der Wasseroberfläche gut sehen. Nebel senkt sich über die Bergspitzen und fällt immer weiter zu uns herunter.

unser Kapitän wacht die Pneus am Landesteg das Tor zu den Lofoten Stimmungsbilder hinein in den Raftsund

Es beginnt zu regnen und trotzdem kann ich meinen Aussichtsposten nicht verlassen. Ein kleines Boot nähert sich unserem grossen Schiff. Es verlangsamt seine Fahrt und schon dockt der Zwerg auf Steuerbord an den Riesen an. Die Passagiere, welche die Seeadlersafari gebucht haben, steigen auf die Nussschale um und wie Sardinen und wie es aussieht stehend, werden sie bis zum nächsten Hafen dort ausharren müssen. Safari mit einem Dach über dem Kopf wegen dem Regen und wie wollen die jetzt die Adler sehen am Himmel? Als ob letztere einen Fahrplan einhalten müssten, erscheinen auch zwei oder drei solche Vögel, sogar trotz Regen und ziehen ihre Kreise langsam und majestätisch auch durch den engen Sund, damit auch andere, die nicht 200 Franken bezahlt haben, Seeadler gesehen haben.

die Brücke über den Sund aus dem Nebel taucht ein Schiff auf sie wollen auf die Seeadlersafari Trollfjord seine Flanken

Bei schönem Wetter fährt das Schiff in den Trollfjord und heute ist das Wasser schön ruhig. Alles rast vorn an Deck und langsam fährt unsere Nordkapp in den engen Fjord. Links und rechts steil aufragende Felswände in denen, wo sie Fuss fassen konnten, in goldenem Herbstlaub prangende Gebüsche wachsen und dazwischen Wasser, das sich in weissen Kaskaden über den ganzen Steilhang hinunterstürzt. Ein paar hundert Meter weiter hinten endet das Wasser. Oben in den Bergen sind nun sogar Gletscher zu erblicken und nun beginnt die Nordkapp ihren Tanz.
Vielleicht ist der Fjord hier noch 200 Meter breit oder gar weniger und unser 123 Meter langes Schiff tanzt 180 Grad um die eigene Achse, um wieder denselben Weg zurück in den Raftsund zu gelangen. Also hier wieder das Beispiel mit dem Unterschied zwischen Fjord und Sund. Über dem Sund haben sich inzwischen die Regenwolken verzogen und blauer Himmel scheint immer mehr durch die Löcher. Die Sonne beginnt zu sinken und im goldenen Licht sehen wir noch weitere Seeadler ihre Kreise ziehen.

der Tanz am Ende gerade so breit wie das Schiff Abendstimmung... ...auf den Lofoten Svolvær

Hineingehen kann ich immer noch nicht, denn nun kommen wieder die flachen Inseln, die weit herum im Meer verstreut sind und um welche herum der Kapitän das grosse Schiff sicher zu steuern weiss. Die Wolken wetteifern mit der Sonne, wer sich für die Abenstimmung besser in Szene setzen kann und beim Verlöschen ihres goldenen Glanzes laufen wir im Hafen von Svolvær, der Hauptstadt der Lofoten ein. Wir haben hier anderthalb Stunden Aufenthalt, während dem man mit 90 Kronen eine Magic Eisbar besuchen kann, aber was da geboten wird, ist mir nicht ganz klar. Auch ein Kriegsmuseum wäre zu besichtigen, dazu aber fehlt mir die Lust oder wie immer man dem sagt. Ein kleiner Spaziergang durch die Strassen ist auch gut, so geht die Zeit auch schneller vorbei, bis man endlich wieder an den Trog kommt.
Es wird heute peinlich genau darauf geachtet, dass die Hände gut desinfiziert sind. Schon beim Einstieg bekommt jeder persönlich einen ‚Pfupf' von einem noch feineren Spray, am besten noch zusätzlich und es scheint, dass dieser noch effizienter ist, als der andere aus dem Dispenser.
Ich habe heute Morgen jemanden gesehen, bezeichnenderweise allerdings einen Japaner, der mit einer Atemschutzmaske herumgelaufen ist. Am Ende unseres Ganges stand ein Tablett mit dem Frühstücksgeschirr, ein Zeichen, dass es jemandem nicht so gut geht.
Nach dem Essen will ich nun doch noch auf Deck 7, um auf das Nordlicht zu warten. Es ist die letzte Gelegenheit noch über dem Polarkreis, denn ich habe einen Stern am Himmel gesehen. Mit einem Tee verziehe ich mich auf einen der vielen jetzt leeren Sessel ganz zuvorderst und lasse mich so schön sanft durch die dunkle Nacht schaukeln. Niemand gesellt sich zu mir und bevor ich nun aber doch resigniert ins Bett gehe, ziehe ich mich nochmals warm an und im Vorbeigehen an der Bar genehmige ich mir ganz allein einen Aquavit. Hinten auf Deck 7 kann man nun einen Sternenhimmel bewundern, wie man ihn bei uns nur selten zu sehen bekommt. Wir sind wieder auf dieser offenen Strecke auf dem Meer, nur das Licht, das zwangläufig hier sein muss, stört. Marie-Louise gesellt sich auch einen Moment zu mir, verabschiedet sich dann aber, sie will nicht mehr mit mir auf Deck 5, um noch eine Runde zu drehen. Ich will nur einmal noch schauen, ob der Windkanal wieder so funktioniert wie gestern. Margrit erscheint genau in dem Moment auch, um nochmals etwas frische Luft zu schnappen. Sie ist sofort mit dabei und zusammen gehen wir "nur einmal noch rundum". Vorn unter der Brücke ist es ganz dunkel und man kann wirklich die Milchstraße sehen und sogar den Andromeda-Nebel. Ich flippe fast aus. So im grossen Mass entschädigt, gehen wir zurück und um die Ecke sehen wir genau Richtung Norden ein Leuchten oder ein Licht, als ob der Mond am Aufgehen sei. Eine dunklere Wolke unten und darüber eine ganz leicht grünliche Helligkeit, die nicht erklärbar ist. Ich bin so froh, dass Margrit dasselbe auch sieht, ich würde sonst sagen, dass meine Einbildung mir einen Streich spielt oder dass der Aquavit seine Wirkung zeigt. Natürlich ist es nicht so spektakulär, dass der Kapitän nun alle Leute aufweckt, aber es scheint, dass ich ganz persönlich ein Nordlicht geschenkt bekommen habe. Margrit will ihre Brille holen, sie meint sie sehe das nicht so genau, aber eigentlich ist ihr ob der wieder aufgekommenen Schaukelei auf dem offenen Meer nicht mehr so ganz geheuer und sie muss fast erbrechen. Aber sie hat es auch gesehen und bis sie wieder raus kommt, ist das Wunder wieder ganz langsam verblasst.


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