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Wir sind kurz nach 7 Uhr in Ørnes abgefahren und steuern auf den Polarkreis zu.
Ich stehe lange warm angezogen draussen an der Reling und sehe dem Schauspiel der Wolken
am Himmel zu, die sich knapp über ein hohes Gebirge auf dem Festland wälzen.
Die Morgensonne mag von Osten her den Bergen gerade noch eine markante Kontur verleihen
und man kann die Mächtigkeit des dahinterliegenden Gletschers Svartisen gar
über ihren Gipfeln erkennen. Langsam schiebt sich die MS Trollfjord vor diese Szene
und auf unserem Schiff wird das Hupkonzert wiederum mit dem Winken von neunundneunzig
bunten Luftballons unterstützt.
Während die Wolken immer tiefer herunterfallen, lassen wir uns vorne unter der
Brücke noch ein bisschen vom Wind beuteln, bis wir den Polarkreis wieder hinter uns
haben. Dort sieht man die Spitze oder den Pfeil von Hestmann gerade noch und je weiter
südlich wir kommen, desto trauriger wird das Wetter.
Ich probiere etwas für meinen Reisebericht zu schreiben, aber hier im Café geht das nicht. Der Shop ist geöffnet und da wird diskutiert und kritisiert was gekauft wird und ich glaube, nicht mal die Leseratten haben ihre Ruhe. Es ist ja schon bald wieder Zeit, an Land zu gehen. Wir haben allerdings nur eine knappe Stunde in Sandnessjøen und wir schauen deshalb, dass wir um zwölf essen gehen. Das Dessertbüffet können wir ja nach der Rückkehr noch heimsuchen.
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Eine Bekannte von Lykke-Lise ist gute 50 km hierher gefahren, um sie in dieser Stunde
zu treffen. Sie wohnt hier und hat gestern nach auch fest an uns gedacht, als sie den
offenen Sternenhimmel gesehen hat. Aufgrund der Beschreibung meiner Beobachtung
bestätigt sie, dass das wirklich ein Nordlicht gewesen sein muss. Ich weiss, wie
gern Lykke-Lise auch eins gesehen hätte, aber trotzdem freut sie sich auch für
mich.
Im Örtchen selber reicht es gerade für einmal die Hauptstrasse rauf und wieder
runter zu schlendern und in einem Souvenirladen zu schmökern, wo ich zu je einer
kleinen Schachtel zuckerfreien Bonbons komme, gemacht aus Wolken- und Krähenbeeren,
die nördlich des Polarkreises gewachsen seien. Die Cloudberries sehen aus wie
gelborange Brombeeren und die Crowberries eher wie Cassis.
Regen begleitet unsere Weiterfahrt. Die sieben Schwestern verschleiern zum Teil ihre
Häupter, aber trotzdem sehen sie mit ihren zum Teil flachen Felsen ganz
majestätisch aus. Ihre Bergspitzen sind zwischen 902 bis 1106 Meter hoch. Vom Loch
im Hut, das von einem Pfeil aus dem Köcher Hestmanns stammt, kann man überhaupt
nichts sehen. Man würde sogar näher an Torghatten, diesen Berg heranfahren, um
uns das 160 Meter tiefe, 15 Meter breite und 35 Meter hohe Loch besser zu zeigen, aber
heute bringt auch das nichts. Die Umrisse des Hutes sind im Nebelregen gerade noch zu
erkennen. Eifersücheleien wegen den sieben Schwestern sind schuld, dass man um den
66. Breitengrad überall versteinerte Trolle im Meer sieht, weil diese nicht achtsam
waren und ob ihren Querelen den Sonnenaufgang vergassen.
Heute ist das Nachtessen wieder etwas spezieller. Käptensdinner sagt man dem, wenn
alle Passagiere gestylt erscheinen und nachdem die Hände sorgfältig
desinfiziert sind, jedem ein Cüpli in die Hand gedrückt wird. Wenn sich alle
gesetzt haben, erscheint die ganze Crew vom Kapitän bis zum Zimmermädchen, die
aber auch Verkäuferinnen oder Serviertöchter sein können und dann
marschieren alle wie in einer Polonaise durch das Lokal und stossen auf Jedermann an.
Zum Dessert wird nun aber nicht die Wunderkerzentorte hereingetragen, sondern nur stellvertretend ein Rundgang wie vorhin, einfach mit brennenden Wunderkerzen. Das Roastbeef dazwischen, war aber wirklich fantastisch und hinterher gibt's heute in der Bar einen Aquavit als Verrysserli.
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