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Eine Sightseeingtour ist immer das Beste, um einen ersten Überblick über eine fremde Stadt zu bekommen. Hop ON - hop OFF wäre das Idealste, wo man an allen Orten alle dreissig Minuten Gelegenheit hat ein- oder auszusteigen, aber die Saison endete am 30. September. (Erst daheim sehe ich im Prospekt den kleinen Nebensatz: ‚and when cruise ships are in dock' und es lag eins, eine Aida irgendwas! Wir haben nämlich so einen Doppelstöcker gesehen).
Uns steht eine zwei-, vier- oder fünfstündige Tour zur Auswahl. Sicher wollen wir noch das Munch-Museum besuchen, welches aber nicht auf der Liste der Tour steht, also entschliessen wir uns für die vierstündige Variante, Oslo Highlights.

Blick auf die andere Seite zum Bahnhof Holmenkollen die neue Schanze Vermicelle-Figuren... ...im Vigeland-Skulpturenpark

Um halb zehn Uhr wird man im Hotel abgeholt und zum Rathaus transferiert. Dort beginnen alle drei Varianten der Touren im gleichen Bus, denn man beginnt mit der Stadtrundfahrt, dann Holmenkollen und Vigelandpark, welches bei allen drei Angeboten beinhaltet ist.
Wir sehen also die Stadt mit Rathaus und Parlaments- und anderen Gebäuden, natürlich das Schloss und die Altstadt. Auch Oslo ist wie fast alle Städte, die wir gesehen haben, einmal abgebrannt und diese hier wurde danach ausserhalb, an einem sichereren Ort wieder aufgebaut. Bei Dom und Nobelhaus (des Friedensnobelpreisstifters) vorbei geht's aus der Stadt hinaus und hinauf zur Holmenkollen-Skisprungschanze, wo man einen kurzen Stopp einlegt, um das gigantische Bauwerk aus der Nähe inspizieren zu können. Gerade seit einem Jahr ist sie nun eröffnet und man könnte in einem Skisimulator über eine der härtesten Abfahrtspisten der Welt flitzen. Mir reicht die fast blendende Aussicht über die Stadt und den glänzenden Fjord zu unseren Füssen. Dann wird man wieder in den Bus verfrachtet und etwas weiter unten am Berg beim nördlichen Tor des Vigeland-Skulpturenparks wieder ausgesetzt. Wir müssen die Treppe runter, über die Brücke und auf der andern Seite wartet der Bus dann wieder.
Während die Reiseleiterin nun in Norwegisch und Englisch ihre Erklärungen abgibt, hat man Zeit, die Vermicelle-Figuren dieses Bildhauers zu begutachten. Da Vigeland aber ein sehr produktiver Künstler war, reicht die Zeit natürlich nie, um all die über 200 Skulpturen in Bronze, Granit und Schmiedeeisen zu würdigen. Der muss ja für das allein ein Genie gewesen sein, allein dass er es fertigbrachte, dass die Stadt alle seine Werke, wahrscheinlich sogar unbesehen, auf Lebzeiten kaufte und bezahlte. So rasen wir also durch den Park und zum andern Tor wieder hinaus zum Bus, der uns zurück zum Rathaus bringt. Dort ist die Führung für die zweistündige Tour fertig und für uns gibt es eine kurze Pause, die ich benutze, um beim Rathaus die hölzernen Bilder, welche nordische Sagen darstellen, auch mit meiner Kamera näher anzuschauen.

Vigeland-Skulpturenpark im Vikinger-Museum 1100 Jahre alte Holzschnitzereien der Zweimaster Jolanda

Dann geht's weiter, diesmal unten am Hafen, wo die Fähre der Colorline nach Kiel angelegt hat und auch am Yachthafen vorbei, hinüber nach Bygdøy, wo wir vor dem Wikingerschiffmuseum aussteigen können. Eigentlich werden wir richtig überrascht von dem, was uns dieses Museum zu bieten hat. Man hat nämlich in drei Gräbern am Oslofjord die drei besterhaltenen Wikingerschiffe gefunden. Dort wurden sie vor mehr als 1100 Jahren eingegraben, um ihre königlichen Besitzer ins Totenreich zu bringen. Auch einen reichverzierten Wagen und Schlitten und da muss man nur staunen, wie gut erhalten diese feinen und feinsten Schnitzarbeiten heute noch sind. Auch Textilien sind noch dabei und an den spärlichen Resten von drei Skeletten will man sogar mit einer DNA festgestellt haben, dass einer davon an einem Hirntumor gestorben sei.
Ein kleines Stück weiter drüben auf einer Landzunge endet unsere Tour und während Lydia und Silvia noch ein Eintrittsbillet für entweder das Kontiki-, Polarschiff- oder Norwegische Maritim-Museum erhalten, werden wir am Quai auf die Fähre entlassen. Es ist ein richtiges Segelschiff, ein Zweimaster, welcher dahergetuckert kommt, uns aufnimmt und uns gemütlich zurück zum Rathaus bringt. Wir wollen ja noch ins Munch-Museum und haben herausgefunden, dass wir von hier am besten mit der U-Bahn nach Tøyen fahren. Nur vor dem Fahrplan stehen wir dann doch etwas ratlos. Wie viele Zonen sind es und in welche Richtung müssen wir nun?
Von einer jungen Frau bekommen wir den Tipp, in welcher Richtung unser Zug fährt und dass das mühsam aus dem Automat gelockte Ticket eine Stunde gültig ist. Wie uns Marie-Louise später erklärt, bekommt man die Billets am besten am Kiosk und wenn man 67 ist, bekommt man statt einem Enkel- sogar ein Rentnerticket zum halben Preis.
Das Museum finden wir gut und ich als notorischer Kunstbanause folge den andern mit einem etwas komischen Gefühl in diese heiligen Hallen, wo man sämtliche Taschen abgeben und wie im Flughafen durch ein Bodycheck-Tor schreiten muss, was die Schwellenangst wortwörtlich noch unterstreicht.
Ich glaube, ich habe Munchs Schrei schon gesehen, aber hier sind andere Werke von ihm ausgestellt. Es sind unter anderem Skizzen oder Übungsblätter oder Offerten, oder wie immer man diesen Variationen sagt, die im Vorfeld eines Auftrags für die Universität in seinem Atelier entstanden sind. Dabei staune ich, wie minutiös er gewisse Personen aus diesen nur drei oder vier Bildern, immer wieder gezeichnet und gemalt hat, bis er wohl die Variante fand, die ihn befriedigte. Am meisten aber verblüfft mich, dass diese Varianten meistens gar die Grösse des definitiven Bildes haben. Um ‚nur' eine Skizze zu zeichnen, musste er also auf Leitern arbeiten.
Natürlich wissen Banausen nicht, dass sein Schrei zusammen mit der Madonna, von welcher hier auch riesengrosse ‚Skizzen' zu sehen sind vor acht Jahren geklaut wurden, aber nach zwei Jahren wieder sichergestellt werden konnten. Deshalb diese Sicherheitsmassnahmen. Im Grossen und Ganzen fand aber der Banause diesen Besuch doch spannend.

Rita und die Kiel-Fähre Margrit Pusteblumen-Brunnen im Botanischen Garten Moschee

Draussen vor den Toren des Museums schlendern wir nun noch durch den Botanischen Garten des Naturhistorischen Museums zurück Richtung Hotel und kommen durch ein Moslem-Viertel an der Moschee vorbei und im türkischen Gemüseladen erstehen wir gerade noch ein paar frische Früchte. Fast ein etwas beklemmendes Gefühl befällt mich auf dem letzten Stück Weges über die Passerelle zum Bahnhof. Ich habe plötzlich das Gefühl, dass hier nur Männer unterwegs seien und ich bin gerade froh, dass wir wieder im Getümmel des Bahnhofs untergehen. Da wollen wir nun nochmals genau wissen, wann und wo morgen unser Zug zum Flughafen fährt. Am Billetautomat probieren wir herauszufinden, wie viel das Ticket kostet und dank der deutschen Beschreibung finden wir sogar den Hinweis, dass wir schon alt genug sind für ein Rentnerbillet, also zum halben Preis für 85 Kronen fahren können. Bevor es dunkel wird, möchte ich jetzt doch noch aufs Dach der Oper, welches man wie auf einer riesigen Rampe von zuunterst bis fast zuoberst ersteigen kann, um die Aussicht und auch den frappanten Bauboom in diesem Quartier zu bewundern.

nicht im Vigelandpark auf dem Dach der Oper unser Hotel Eiskristall im Hafen währschaft Norwegisch

Daheim wird schnell geduscht und schon geht's wieder in die Stadt durch die Fussgängerzone Richtung altes Rathaus. Der irgendwo gefundene Tipp für dieses Restaurant ist nicht schlecht. Wir haben gerade Glück, dass wir einen freien Tisch bekommen. Endlich hat es hier Stockfisch auf der Karte und diese norwegische Spezialität wollte ich eigentlich schon die ganze Zeit einmal versuchen, nur habe ich nicht gewusst, dass man dem "Bacalao" sagt. Sie haben also von ihrem Exportartikel den fremden Namen übernommen. Bald sitze ich hinter einer riesigen Portion von diesem Bacalao, auf norwegische Art, gemischt mit Kartoffeln an einer Tomatensauce und mit Oliven garniert. Auch die andern gehen heut wieder nicht nüchtern vom Tisch. Entweder kämpfen sie mit einem Stück Lachs, der für zwei reichen würde oder mit einer Art Fischcordonbleu, also zwei panierten Fischen, gefüllt mit einer Lage Crevetten. Nach einem Dessert schreit heute niemand.
Der Verdauungsmarsch durch die diesmal nicht ganz so festlich beleuchtete Stadt tut wirklich gut. Obwohl die Polizei omnipräsent ist, fallen sogar mir überall Drogensüchtige und Dealer auf. Gebettelt wird auch in diesem reichen Land, genau wie bei uns.


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