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Natürlich muss ich ein Foto vom Sonnenaufgang direkt vom Hotelfenster aus
machen. Auf dieser Seite steigt sie hinter ein paar Hügelketten auf und bald
wirft sie eine goldene Strasse aufs Wasser. Ein Fischer belebt die Szenerie
für mein Bild. Vor der Abfahrt kommt auch noch der Torre auf dem Felsen hinter
dem Haus und die Mole, welche die Insel mit der Stadt verbindet, dran. Schliesslich
muss alles dokumentiert sein. Nur am Schluss kann ich in meinem Bericht dann ja gar
nicht so viele Fotos brauchen. Wir nehmen die Strasse weiter Richtung Westen, denn
wir wollen noch Calvi, die Hafenstadt in der Balagne sehen. Bald entfernt sich der
Bus vom Meer und wir erklimmen die Höhe. Dörfer und ein Kloster oben auf
den Hügeln wegen der Malaria, mit weitem Ausblick über die ganze Gegend
bis zum Meer und Friedhöfen, welche wegen den überdimensionierten Gruften
fast soviel Platz benötigen wie das Dorf selber. In Aregno bei der Kirche
gibt's einen kurzen Halt. Hier umgibt ausnahmsweise der Friedhof eine alte Kirche.
Diese ist zwar geschlossen, aber endlich gibt's mal ein Friedhoffoto. Bis jetzt ist
mir aus dem Bus noch nie eine gelungen. Jedoch hier sind die Grabstätten zwar
schon gross, aber die Einfamilienhäuser hatten halt doch hier um die Kirche
herum keinen Platz.
Wirklich ganz zuoberst auf einer Bergkuppe, durch eine steile Zufahrtsstrasse zu
erreichen, liegt Sant Antonino. Noch ist kein anderer Car angekommen und Werner
wartet unten bei der Kirche, während wir zu Fuss über viele Treppen und
schmale Durchgängen und Torbogen, den Leuten vor ihren Haustüren und
ihren Gärten hindurch, den allerobersten Ausguck suchen. Das Städtlein
war eine uneinnehmbare Fluchtburg vor den Sarazenen. Man hat jeden Angreifer von
weither sehen und zurückschlagen können. Heute ist man den Touris
ausgeliefert. Ich kann mir nicht vorstellen, was die Dorfbevölkerung von uns
profitieren kann. Sie muss uns dulden im knapp bemessenen Plätzchen vor
Haustür und Hintereingang und auf dem WC des winzigen Beizleins. Es erstaunt
mich deshalb überhaupt nicht, dass die Bedienung nicht gerade ein Ausbund von
Überschwänglichkeit ist. Bis wir wieder weiterziehen, sind bereits vier
weitere Cars angekommen, also stolpern bereits weitere 150 bis 200 Personen den
Leuten hier ums Haus herum.
Ein Foto zurück, mit dem Dorf aus der Ferne, schaffe ich wegen dem
Pfosten-Effekt wieder einfach nicht. Ich erwische nicht nur Bäume und
Gebüsche, einmal habe ich ausser Stromleitungen, sogar einen Spiegel mitten im
Bild. Man kann darin noch den Twerenbold-Schriftzug lesen. Aber das Bergdorf Sant
Antonino verbirgt sich hinter seinen Umrissen.
Wir nähern uns Calvi. Es muss ein Flugplatz in der Nähe sein, denn eine
schwere Maschine nähert sich scheinbar im Landeanflug vom Meer her.
Plötzlich fällt etwas aus dem Flugzeug. Unaufhörlich kugeln dunkle
Punkte aus dem Rumpf und bald entfalten sich, wie in einer Reihe hinter sich
gesät, 22 Fallschirme und segeln sanft zu Boden. Dank meiner schussbereiten
Kamera, knipse ich meinen Schnappschuss des Jahres. Diesmal sogar ohne Pfosten!!!
Das 2.Regiment der Fallschirmspringer der Fremdenlegion ist in Calvi stationiert
und heute feiern sie ein 40-Jahr-Jubiläum und darum wird wohl kräftig
geübt.
In der Stadt, wo wir natürlich auch die alles überragende Zitadelle sehen
wollen, sind noch mehr von den Legionären in Aktion. Sie üben das
Abseilen oder Einnehmen der Fortmauern. Es ist auch am Fuss der Festung, wo
Christoph Kolumbus ein Denkmal erhalten hat. Es wird behauptet, dass der
Amerika-Entdecker in Calvi geboren sei. Der Rundgang durch die Zitadelle beschert
uns nicht nur einen wunderbaren Ausblick über das Ligurische Meer, sondern
Marianne will uns auch noch die Kirche Saint-Jean-Baptiste näher bringen. Eine
andere Führerin erläutert eben ihrer Gruppe all die
Sehenswürdigkeiten, welche diese Kathedrale in sich birgt. Und das ist jetzt
nur für ihre Gruppe bestimmt. Wir werden einfach rausgeschmissen, obwohl ja
Marianne warten will, bis wir an der Reihe sind. Während der
Auseinandersetzung der Beiden, mache ich schon mal eine Aufnahme. In drei
verschiedenen Reiseführern habe ich dann drei verschiedene
Sehenswürdigkeiten gefunden, welche diese Kirche zu bieten habe. Im Einen wird
erwähnt, dass die Kirche im 13. Jahrhundert von ligurischen Benediktinern
gestiftet wurde und 1567 durch eine Explosion des Pulvermagazins nahezu
vollständig zerstört wurde. Davon sieht man auf meiner Foto nichts,
dafür aber das Hauptwerk laut Dumont, das Triptychon von 1498 in der Apsis.
Marco Polo schreibt, dass das Kruzifix aus dem 15. Jh. verehrt werde, weil wegen
ihm 1553 die Türken die Belagerung aufgegeben hätten. Ausserdem wird dort
etwas von einer hölzernen Maria erwähnt. Diese fehlt, dafür ist sein
prachtvoller Altar aus mehrfarbigem Marmor, wie es das kleine Büchlein
über Korsika aus den Reiseunterlagen von Twerenbold beschreibt und etwas von
der geschnitzten Kanzel aus der Barockzeit auf meinem Bild.
Da uns all diese Kostbarkeiten zu sehen verwehrt wurde, sättigen wir unsere
Blicke halt mit der herrlichen Aussicht von hier oben über den Hafen und die
uns zu Füssen liegende Stadt. Einzig die Nebelwolken, welche sich vom
gegenüberliegenden Hügelzug heranzudrängen versuchen, passen nicht
so ganz auf den Ferienprospekt. Aber wir sind ja zufrieden. Viel besser hätte
das Wetter für unsere Herbstferien ja gar nicht sein können und ich hoffe
dass es auch heute noch für eine ruhige Überfahrt hält.
Zum Mittagessen treffen wir uns mit jenen, welche die Zitadelle nicht erklommen
haben, unter den Sonnenschirmen des Restaurants bei der Eglise Sainte Marie. Obwohl
die Fischsuppe für Marlis zu keiner Kritik Anlass gibt, beneidet sie mich doch
um meinen grillierten, mit viel Thymian gewürzten, sagenhaften Goldbarsch.
Die zum Dessert bestellte Creme Catalane ist hier zwar nur ein Caramelköpfli,
aber wunderbar angerichtet und auch sehr gut.
Schon ist wieder Zeit zur Weiterfahrt. Schade, dass wir uns unten beim Parkplatz
nicht noch ein paar Minuten länger aufhalten können. Ich hätte noch
gerne das Gesicht des Besitzers des Autos gesehen, der seinen Wagen so
hirnverbrannt vor einer Schranke parkiert hat, dass niemand mehr durchkommt. Voller
Wut steigt einer aus, öffnet alle vier Türen des nicht abgeschlossenen
parkierten Ford und braust in seinem Peugeot wieder davon. Sollte das nun die
Einladung zum Ausräumen sein?
Bis zur Ile Rousse geht's auf der Küstenstrasse wieder zurück. Gleich
zweimal noch können wir das Spektakel eines Massen-Fallschirm-Absprungs
mitverfolgen. Dann hält Werner nochmals vor einem Korsischen
Spezialitätenladen. Wohl die letzte Gelegenheit, sich mit einem Heimbringsel
einzudecken. Eine Wildsau wäre doch eigentlich passend, vor allem, weil ich
sie allein essen muss. Dabei stinkt der Peccorino aus Alghero immer noch in meinem
Rucksack, weil wir keine Chance hatten was zwischendurch zu essen. Es gibt hier
auch Probiererli, aber das Olivenöl sei nicht ganz so gut, wie das Sardische.
Ausser der Wildsauwurst für mich und einer Auberginepaste für Edith,
erstehe ich noch eine CD von Jean Mattei mit korsischen Mandolinenklängen und
hoffe, dass sie mir dann als Hintergrundmusik für meine Fotosession dient.
Nach der Ile Rousse kommt ein ziemlich unbewohntes Gebiet. Es heisst sogar Desert
des Agriates, also Wüste. Ab und zu sieht man ein einsames
Schäferhäuschen. Auf einsamen Höhen, der Col de Vezzo auf 311
Metern. Einer zweisprachigen Infotafel sei Dank, dass ich solche Einzelheiten
präzise an meine Leser weitergeben kann. Nur hätten sie hier gerne, ich
würde den korsischen Namen, was bocca di vezzu heisst, schreiben. Das
Französische ist total übersprayt. Marianne hat erklärt, dass sich
der korsische Widerstand eigentlich immer nur an Gegenständen und
Besitztümern auslasse und dass bis anhin nie Menschen zu Schaden gekommen
seien. Ein viereckiger Steinbau soll die hier üblichen
Schäferhäuschen versinnbildlichen. Eine Tür fehlt. Jedenfalls hier,
wohl damit kein Pissoir entsteht. Aber eine schöne Aussicht geniesst man beim
Fotostopp und diesmal gelingt mir das Bild mit den vielen Hügelzügen, in
sanft pastellfarbigen Abstufungen.
Dann kommen wieder Tafoni-Felsen, freilaufende Schweine in allen Variationen und
dann unten am Fuss des Nebbio, der Hafen von Saint Florent. Es ist Zeit für
einen Kaffeehalt, wo wir uns für die kommende Nacht auch gerade mit
genügend Wasser eindecken. Einem Bancomat kann ich sogar mit Erfolg ein paar
Euros entlocken.;-) (Den richtigen Code gewusst! ) und einen Moment geniessen wir
noch zum letzten Mal Korsisches Ambiente bei einer Glacé auf dem Dorfplatz,
wo Einheimische dem Nationalsport, dem Pétanquespiel frönen.
Zum Abschluss müssen wir noch einen letzten Pass bezwingen. Nebelwalzen
quellen von der andern Seite über den vor uns liegenden Berg. Noch ein letzter
Blick zurück auf das malerisch dahindrapierte Weinbaugebiet von Patrimonio, am
Fuss eines sechshöckrigen Bergzuges und die Milchsuppe umschliesst uns am Col
de Teghime.
Spektakuläres ist nun hier nicht mehr zu sehen. Eine riesige Mülldeponie
mit vielen Nebelkrähen, welche darin nach etwas Fressbarem stochern. Nebel ist
hier nicht so selten. Der Name Nebbio des Gebirges hier heisst eigentlich Nebel und
dieser überdeckt die letzte Etappe unserer Ferienreise auf Korsika.
Gegen fünf Uhr haben wir schon Bastia erreicht und für zwei Stunden
können wir uns hier noch in eigener Regie etwas umsehen. Marianne
verabschiedet sich wieder von uns. Auch sie hat ihren Job gut gemacht aber wir
wünschten ihr für ihre Stadtrundgänge so ein angeschnalltes
Mikrofon. Ich musste immer schauen, dass ich wirklich ganz in ihrer Nähe
stand, wenn ich alles verstehen wollte.
Auch Bastia hat beim Fährhafen eine herrliche, doppelreihige Palmenallee.
Parallel dazu ist der Stauraum für die Autos, welche verschiffen wollen. Diese
werden auf mehreren Spuren auch durch ganze Alleen von grünen und weissen
Wegpfosten geleitet.
Der grosse, von Restaurants und Strassencafés gesäumte Place
Saint-Nicolas lädt zu einem Abschieds-Umtrunk ein. Die palmenumringte Statue
ist jedoch kein St.Niklaus, nein - auch hier ein halbnackter Napoleon mit einem
Eichenlaubkranz auf dem Haupt, welches als Start- und Landebahn von futtersuchenden
Tauben dient.
Zusammen mit Marlis unternehme ich noch einen kleinen Bummel durch die Terra
Vecchia. Zuerst stolpern wir in eine ziemlich dunkle Kirche. Es geht ein Weilchen,
bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und man an der Kuppeldecke
ein riesiges Fresko bewundern kann. Ein paar Häuser weiter, nochmals eine
Kirche, die Saint Jean Baptiste, noch viel grösser als die Vorherige und nicht
ganz so dunkel. Marlis kommt bereitwillig mit. In Nischen und Seitenaltären
gibt es hier verschiedene Heilige, welche die Kirche bevölkern. Ist dies hier
ein San Gieri, der mit seinem Speer einen (klitzekleinen) Drachen getötet hat?
Dann wäre er ja direkt ein Objekt für meine St.Georg-Sammlung! Er
wäre dann mein 24igster.
Das Grösste aber ist die Begegnung mit der Heiligen Rita. Ihr ist hier auch
ein Altar gewidmet und natürlich muss ich auch von ihr ein Konterfei haben.
Eine Sammlung mit Heiligen Ritas zu beginnen, dürfte zwar wohl eher schwierig
sein. Ist dies doch die Erste, welcher ich in einer Kirche begegne. Vor zehn Jahren
auf Malta, habe ich zum erstenmal erfahren, dass es sie gibt. Es gibt dort in
Valetta eine Santa Rita Strasse und an einem Haus ein Bildstöckli. Man kann
sich hier sogar mit einem farbigen Prospekt eindecken, wo man um neue Mitglieder
für den Fan-Club wirbt. So verstehe ich jedenfalls das Traktat. Es hat mich
nun gerade gwundrig gemacht, zu erfahren, wer sie war.
Die heilige Rita von Cascia (* 1381 in Roccaporena; † 22. Mai 1457 in
Cascia) war eine Nonne. Ihr richtiger Name lautete Margherita Lotti und sie wurde
gegen ihren Willen verheiratet; erst nachdem sowohl ihr gewalttätiger Gatte
ermordet wurde und ihre beiden Söhne kurz darauf starben, konnte sie ihrem
ursprünglichen Wunsch folgend, als Nonne in ein Frauenkloster gehen, wo sie
ein Leben in strengster Entsagung und Busse führte.
Ritas unverwester Leichnam befindet sich in der Basilika in Cascia. Sie ist die
Patronin der Metzger, für aussichtslose Anliegen, bei Examensnöten und
Pocken.
Hätte ich das mit den Examensnöten doch früher gewusst!
Der Streifzug durch die Terra Vecchia ist schon noch beeindruckend. Vecchia ist ja
ein zutreffender Name. Die Häuserfassaden sind wirklich in einem
himmeltraurigen Zustand. Ist es wohl vom Meerwind und all dem Nebel? Die
Gebäude stammen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, eng zusammengebaut mit
Schissihüsli direkt auf die Gasse. Heute allerdings sind diese mit einer
Ableitung der Aussenwand entlang versehen. Trotzdem ist der Rat von Erich, dass man
mitten in der Gasse gehen sollte, nicht so abwegig, denn die Gefahr, Verputz auf
den Deckel zu bekommen, scheint akut zu sein.
Wir treffen Ursi, Edith und Käthy beim halbnackten Napoleon bei einem Drink.
Wir bestellen uns auch noch ein Bier und können gerade zuschauen, wie die Mega
Express Two der Corsica Ferries in den Hafen einfährt. Sie sieht fast so toll
aus wie die Superfast, mit der wir von Griechenland heimgefahren sind. Sie hat
sogar zwei Hecktore. Das Bisi sind wir auch los, obwohl ich da jeweils fast eine
Hemmung habe. Immer diese schall und rauchdurchlässigen Türen direkt vom
Restaurant her. Wir würden gerne zahlen, aber niemand hat ein Ohr, nicht mal
wenn wir aufstehen. Wir legen den Betrag auf den Tisch und gehen auf unser
Schiff.
Marlis ist enttäuscht, dass wir zum Abschluss nicht ins Restaurant kommen.
Damit nichts kalt wird beim Warten, habe ich ein Roastbeef gewählt. Es ist
jedenfalls auch gut. Isabella hat in der Stadt 10 Gipfeli fürs
Frühstück gekauft und wir verabreden uns um sechs im
Selbstbedienungsrestaurant.
Heute haben Edith und ich die Innenkabine. Es ist sehr viel komfortabler als jene
von Marokko und diesmal brauche ich überhaupt keine Oropax. Das Meer ist
ruhig, aber trotzdem hat Edith das leichte Gefühl von Schlingern.
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