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Ich habe recht gut geschlafen. Eigentlich hört man in unserem Zimmer keine störenden Geräusche, weder vom Schiffsmotor noch von der Lüftungs- oder Klimaanlage. Letztere haben wir sowieso abgestellt und lieber die frische Nachtluft hereingelassen. Das Schiff fährt äusserst ruhig und wenn man den Stuhl an die Schiebetür des französischen Balkons schiebt und über das ruhig dahinfliessende Wasser blickt, stellt sich schnell das Gefühl des abgehobenen Dahingleitens ein. Unser Zimmer 201 ist das erste im Gang nach der Rezeption und wohl das am weitesten von den Schiffsmotoren entfernte.
So sind wir also sanft und leise durch die Nacht und viele Schleusen geschwebt und sollten nun bald in Speyer ankommen. Nur ist das so eine Sache; irgendjemand hat gemunkelt, dass wir bereits 7 Stunden Verspätung eingefahren hätten. Eigentlich stört uns das ja nicht. So kann man zuerst in aller Ruhe und gemütlich zmörgelen. Das Frühstücksbüffet ist reichlich und Auswahl hat das Herz, was immer es begehrt. Seit wir die Schleusen Kembs und Othmarsheim, welche die grösste Fallhöhe hat, passiert haben, ist die Fahrt wohl recht ins Stocken geraten. Der Rhein hat im Moment einen idealen Pegelstand und dementsprechend herrscht reger Verkehr auf dem Wasser. Man muss Schlange stehen an den Schleusen. Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Passagierschiffe Vortritt hätten und man kann sich diese Privilegien nicht erkaufen. Für die Frachtschiffe ist Zeit Geld und die Leute, die sich eine Kreuzfahrt leisten, haben Ferien und also Zeit. Privilegien haben die Kreuzfahrtschiffe höchstens, dass sie manchmal nicht zusammen mit Frachtschiffen schleusen dürfen, welche Gefahrengut wie Chemikalien oder Explosivgüter transportieren. Dann heisst es eben warten. Wie schnell wir vorwärtskommen, kann man gut ausrechnen, denn am Ufer kennzeichnen alle hundert Meter Markiersteine die Distanz. Bis wir die letzte Schleuse bei km 334 in Iffezheim hinter uns gelassen haben, ist bereits 12 Uhr. Mit rund 20 km/h haben wir nun freie Fahrt, aber trotzdem werden wir nicht vor drei Uhr in Speyer sein. Die Anlegezeit, die im Voraus reserviert und teuer bezahlt werden muss, wird dann gerade abgelaufen sein und so ist unser erster Landausflug ins Wasser gefallen oder eben in den Schleusen hängen geblieben. Speyer können wir um 15 Uhr vom Schiff aus zuwinken.
Immerhin hat sich inzwischen der Hochnebel aufgelöst und man kann sich auf
Oberdeck im Sonnenschein in Liegestühlen räkelnd, die Landschaft langsam
vorbeiziehen lassen. Es ist viel mit Pappeln und Weiden gesäumtes Ufergebiet und
Auenlandschaften, dahinter manchmal Baggerseen. Einmal bei Philippsburg zwei
Kühltürme eines AKWs und in Mannheim eindrücklich das grosse
Kohlekraftwerk.
Als süsse Unterbrechung gibt's um vier Uhr im Salon Kaffee und Kuchen. Eine grosse
Auswahl von glustigen Stückchen macht einem die Wahl zur Qual. Ausser einem Kaffee
dazu wird das Halbstündchen auch noch begleitet von Karols Livemusic am Piano. Zeit,
um mit Erika und Hugo aus Reinach, denen wir bereits im Tram begegnet sind, ein bisschen
ins Gespräch zu kommen.
Natürlich fahren wir immer wieder unter Brücken durch, die über den
Rhein gespannt sind. Nicht alle sind hoch genug, auf dass unser Schiff unten durch passt.
Auf dem Main ist deswegen das Oberdeck gesperrt. Es muss abgeräumt werden und gar
das Geländer ist noch zu hoch. Ein Scharnier sorgt dafür, dass man es auf den
Boden klappen kann und der Kapitän kann seinen Führerstand wie mit einem Lift
eine Stufe herunterfahren.
Die Einfahrt auf den Main bei Mainz können wir bereits nicht mehr vom Oberdeck aus
mitverfolgen. Es wird bald dunkel und ausserdem ist es eben Zeit zum Nachtessen.
Beim Mittagessen konnte man sich auch das Nachtessen auswählen und so freute ich
mich den ganzen Nachmittag auf das Duett von Lachs und Heilbutt mit gegrillten Zucchini,
Zitronen Aioli und Tomaten Bruschetta. Es schmeckt hervorragend und alles ist direkt
künstlerisch angerichtet, Gaumen- und Augenschmaus zugleich. Dazu bestelle ich mir
eine Flasche Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder aus dem Rheingau. Das
ist ja hier aus der Gegend. Tisch- und Zimmernummer werden auf der Etikette notiert und
so kommt die Flasche immer wieder auf unseren Tisch, bis sie leergetrunken ist.
Zum Dessert ein Schwan, nicht so wyss wie Schnee, aber von Vanille Eclair mit Blue
Curaçao Sauce und der sieht so hübsch aus, dass mir die noch hübschere
Annamaria gerade für ein Foto posieren muss.
Vom vielen Nichtstun bin ich rechtschaffen müde und obwohl im Salon noch ein
Kreuzfahrt-Quiz mit Ursula angesagt ist, hindert mich das nicht daran, stattdessen am
Chüssi go lose. Auch die vorbeiziehenden Lichter der Stadt Frankfurt sehe ich trotz
weit geöffneten Vorhängen nicht mehr.
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