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Der Morgen ist wieder etwas neblig, aber es scheint sich aufzuhellen. Geruhsam und
langsam gleiten wir flussabwärts und dann legen wir bei Colllenberg am Ufer an. Ein
Segelmast bei Kilometer 136.4, hätte der da vielleicht eine Schraube feil? Aber ein
Sanitätsauto lähmt sämtliche makabren Gedanken. Mit Blaulicht kommt es an
und bleibt und bleibt. Irgendwann geht es weiter. Grässliche Erinnerungen kommen
hoch, aber dann ist doch beruhigend zu hören, dass ein Mann noch selber ausgestiegen
sei und von seiner Frau begleitet wurde. Also muss er hier irgendwo noch ärztlich
weiter versorgt werden, dieweil wir weiter mainabwärts gondeln.
Die grünen Ufer sind gesäumt von malerischen Bäumen und Büschen.
Kormorane trocknen ihr Gefieder in der Sonne und auf staksigen, langen Beinen lauern die
Reiher meist bei kleinen Inselchen an Ufernähe oder auf den ausladenden Ästen
der Weiden auf ihr Futter. Gerne hätte ich einen auf dem Bild, der im Flug seinen
Spiegelschatten aufs Wasser wirft, ich habe jedoch auch heute keinen Erfolg. Wertheim
zieht vorbei, dann Miltenberg mit seiner Mildenburg und dem Brückentor zur
Mainbrücke, wo wir am Sonntagabend waren. Irgendwo wieder ein Kilometerstein mit
einem Segelmast. Am Uferweg ein Paar, der Mann sieht aus, als ob er im Morgenmantel
wäre. Sie fixieren unser Schiff und wir fahren an den Landungsquai und unsere
Mannschaft ist bemüht, abermals mit dem Kran den Landungssteg zu montieren. Nun
sieht man es richtig, der Mann ist tatsächlich im Morgenrock oder Bademantel und im
Pyjama. Es ist der Passagier, der am Vormittag mit dem Krankenauto abgeholt wurde. Das
Hosenbein ist noch voller Blut. Er muss gestürzt sein und wahrscheinlich musste
seine Wunde genäht werden. Nun sind die beiden wohl per Taxi hierher nach Wörth
gekommen und er muss sich jetzt in Windeseile anziehen und nachher mit uns im Bus nach
Wertheim kommen.
Während das Schiff hier in die Werft muss, darf niemand an Bord bleiben. Die
ersten Passagiere gehen nun von Bord und folgen einem Buschauffeur, der uns abholen
kommt. Im Ort warten vier Busse und die Aufteilung wurde bereits allen eingetrichtert.
Also erstürmen wir Bus 2. Unser Patient hat gerade den Sitz vor uns und die Beiden
bekommen von unserem Chauffeur ein Lunchpaket ausgehändigt. Auch daran musste Ursula
Müller denken. Wir beneiden sie überhaupt nicht, um ihren zusätzlichen
Organisationsjob, der sie seit der Havarie in Trab gehalten hat. Es war nicht mal
einfach, vier Busse so unvermittelt aufzutreiben. Dann musste die Reederei eine
Ersatzschraube nach Wörth beordern. Das hat nun aber geklappt, wir haben sie dort
drüben liegen sehen, bei den schrägen Schienen, auf welche unser Schiff nun
gehoben werden wird. Am liebsten wäre ich gwundrig dageblieben um zuzuschauen, aber
wir müssen nun wieder eine ganze Stunde zurückfahren, Main aufwärts nach
Wertheim. Laut Programm hätten wir am Morgen dort angelegt und einen Stadtrundgang
gemacht, aber wahrscheinlich war das Mittagessen der Grund, warum wir bis Wörth
mitfahren mussten. So sind wir nun gut verpflegt und das Schiff hat ein paar Stunden, um
verarztet zu werden.
Erstaunlich, wie auch dieses Städtchen Wertheim einen alten Stadtkern aufweisen
kann. Ob sie wohl alles wieder rekonstruiert haben, was im Krieg kaputt ging. Vielleicht
sind ja auch gar nicht alle Städtchen so zerstört worden, wie ich mir das
vorstelle. Hochwassermarken an vielen Häusern auch hier, so wie wir diese bis jetzt
auf allen Stadtrundgängen gesehen haben. Die Altstadt Wertheim ist von Tauber und
Main umgeben und mit Hochwasser ab und zu muss man leben. Man schützt mit Stahl-
oder Holzplatten die Schaufenster, aber dies nützt manchmal auch nichts, also flutet
man von innen mit sauberem Wasser, so richtet es lange nicht soviel Schaden an, wie der
Schlamm.
Unsere Führerin erzählt und zeigt uns viel Wissenswertes und Schönes in
diesem ansprechenden Städtchen und In der Kirche lerne ich, wie Männer oder
Fürsten ihre Macht mit dem Fuss auf dem Löwen demonstrieren, die Frauen
hingegen ihre Treue mit dem Fuss auf einem Hundekopf.
Im Glasmuseum haben sie uns eigentlich heute Morgen erwartet, aber wir werden doch noch
vor Museumsschluss durch die Exponate geführt. Ein Glasbläser gibt uns Einblick
in sein Metier und vor unseren Augen entsteht im Feuer aus einem Klumpen Glas für
einen Gast ein lustiger Kugelfisch.
Im Nebenhaus kann man eine Sonderausstellung von Jacky Teuchert-Rimkus bewundern. Eine
große Zahl an Motiven, Formen und Verarbeitungstechniken macht die
Vielfältigkeit der Künstlerin deutlich.
Zum Schluss reicht es auf dem Marktplatz noch für ein Käffeli, wo uns
überraschenderweise Udo, jener mit den Räubergeschichten vom Sonntag, nochmals
begegnet und der heute einer kleinen Touristengruppe Wertheim zeigt.
Langsam versammeln sich vor den Toren der Stadt alle 150 oder mehr Leute, die auf die
Busse warten - und warten. Ursula ist schon ganz nervös und versucht verzweifelt,
irgendjemanden von der Firma Ehrlich Reisen ans Telefon zu bekommen. Eine Viertelstunde
später erscheinen die vollbesetzten Busse, entlassen ihre Passagiere und nehmen die
neuen an Bord. Zum 4. Mal die Strecke Wertheim - Wörth nun zurück. Über
Land ergänzt die Sicht jene vom Schiff aus in einer erweiterten Perspektive. Das
Schiff ist wieder am Landungssteg und von aussen kann man emsiges Treiben in der
Küche ausmachen. Sie sind bereit fürs Nachtessen. Man hat nicht noch lange Zeit
zum Fackeln, sprich stylen. Eine beruhigende und positive Durchsage vom Käpten
stillt unseren Gwunder. Fast mit einem Achselzucken meint er, es sei eine Kleinigkeit
gewesen. Ja, wenn man konkret sagen kann, was sein muss, kann man sich darauf einstellen
und entsprechend vorbereiten.
Bald legen wir ab und mit beiden Schrauben angetrieben, können wir den Rest der
Reise nun wieder geniessen. Nach dem Nachtessen, heute gab's Bäremani (Barramundi,
den interessanten Transvestitenfisch, den ich von Australien her kenne), lädt uns
der Käpten ein: in der Bar ist bis 10.30 Uhr alles frei, Cocktail oder was immer man
will.
Mit Foto bewaffnet finde ich mich dort zu einem Marillen ein. Ruedi hat heute Tombola
Lose gekauft und da muss ich doch ein Beweisbild haben, wenn Ruth die Tasche aus der
Bordboutique abholt. Dezent zur Barmusik aus Fifties und Sixties mit Boogie-Woogie und
so, sollte auch getanzt sein. Immerhin hat die Dame ihre Wette gewonnen und sie kann
mindestens zweimal ihr Tanzbein schwingen, wenn nicht mit denen die darum gewettet haben,
so doch mit Frauen, welche sich ihrer erbarmt haben. Hätte ich auch nur ein klein
wenig mehr Talent in Sachen Tanzen, ich hätte es auch gemacht.
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