Trotzdem bin ich um halb sieben hell wach. René hat es gut, der kann
schlafen. Ich nehme mir das Unterlagenpaket vor und übertrage die neuen
Adressen in mein Notizbuch. 8 Hotels sind anders als auf dem Prospekt daheim, die
Meisten auf der Südinsel. Langsam wird's hell draussen und die Sonne geht
zwischen dezent rosa gefärbten Wolken auf. Der erste Eindruck in der fremden
Gegend in einer andern Welt ist der Blick in einen Garten, wo alles fremde Pflanzen
wachsen. Mit meinem Herumnuscheln habe ich nun auch René aufgeweckt, sodass
wir bereits um neun Uhr mit dem Shuttle wieder zum Flughafen fahren. Um zehn Uhr
können wir nämlich unser Auto in Empfang nehmen. Es ist kein Nissan, wie
auf dem Programm, sondern die junge Frau stellt uns einen wunderschönen,
türkisfarbenen, frisch gewaschenen, neuen Ford Falcon XR6 vor den Eingang, in
welchem wir zuallererst unser Gepäck verstauen. Im geräumigen Kofferraum
hat sogar alles Platz. Sie hat uns erlaubt, dass wir auf dem Mietwagenparkplatz
parkieren dürfen, bis wir noch gefrühstückt haben. Auf der
Kaffeesuche kommen wir an Gratis-Internet-Computern vorbei. Natürlich
probieren wir das gerade aus. Landet wohl mein e-Mail bei Margrit im Papierkorb,
weil die Absender-Adresse für sie unbekannt ist? Lange nehmen wir das
Gratis-Angebot nicht in Beschlag, denn man sollte spätestens nach 20 Minuten
die Konsole für andere Benutzer freigeben.
Im Visitors-Information-Center, dem "i-site" reinzuschauen, ist vorteilhaft. Dort
liegen praktische Routenplaner von verschiedenen Gebieten gratis auf. Sie
beinhalten Strassenkarten und Situationsplan von diversen Ortschaften, welche
für uns zum Auffinden der Hotels und den jeweiligen i-site Tourist-Information
willkommen sein können. Neben einer Flut von Reklamen kann man für die
verschiedensten Attraktionen Rabatt-Gutscheine heraustrennen. Dazu müsste man
halt, ehe man an der Kasse ein Eintrittsbillet löst, zuerst ein halbes Buch
durchkämmen.
Was könnten wir unternehmen, bis wir um zwei im Hotel einchecken können?
Der Tower wäre geil, jedenfalls um sich einen ersten Überblick über
Auckland zu verschaffen. Es stellt sich heraus, dass das Rydges direkt beim Tower
liegt. Vielleicht kann man ja das Auto schon vorher beim Hotel parkieren.
Also los geht's. Links, aber nicht zu fest, nicht dass das Auto auf dieser Seite
abgeändert wird. Ich schwitze Blut, aber René macht das spielend. Auf
der linken Seite im Auto sitzend, kommen mir Randsteine und parkierte Autos
verdammt nah vor. Auch ein Automat ist für René keine Routinesache,
aber er meistert das mit Links, ausser dass hin und wieder der Scheibenwischer
blinken sollte. Ich konzentriere mich mit Vorteil auf den Stadtplan, damit mich
nicht die vielen, auf der falschen Seite fahrenden Autos irritieren und so peilen
wir die City zielgenau an. Eine Ehrenrunde im Quartier ums Hotel, wegen den
Einbahnstrassen. Der Kreis wird enger und wir finden die enge Einfahrt zur
Hotelgarage, mit einem Gittertor verschlossenen. Jetzt kann auch gerade noch der
Rückwärtsgang ausprobiert werden und wir fahren halt direkt vor den
Hoteleingang. Wir können sogar unser Zimmer im 10. Stock schon beziehen und
das Auto wird vom Valet für 20 Dollars versorgt, sobald wir unsere Sachen
ausgeräumt haben. Wenn wir es brauchen, müssen wir nur die Quittung
vorzeigen, und es wird uns Minuten später vor den Eingang gestellt.
Für heute haben wir aber das Mass an Linksverkehr schon recht ausgekostet.
Ausserdem befinden wir uns mitten in der Innenstadt mit sehr beschränkten
Parkmöglichkeiten, direkt gegenüber dem Sky Tower. 328 Meter, 4 Meter
höher als der Eiffelturm, ragt seine schlanke Nadelspitze in den Himmel.
Neugierig betreten wir den Zugang zum Turm und suchen den Eingang zum Lift. Eine
Rolltreppe führt zuerst ins Untergeschoss. Hier wird für den 360° Sky
Walk geworben. In uniforme Overalls eingekleidet, im Gstältli und an der
Sicherheitsleine, kann man für 115$ auf einer rundumlaufenden Plattform
über den Restaurants in schwindelnder Höhe spazieren gehen. Ist einem
dies zu wenig, kann man für noch mehr Geld am nächsten Schalter einen Sky
Jump buchen. Hier mit einem blau/gelben Overall, angebunden an einem dicken Seil
oder Gummiband und von zwei Leitseilen links und rechts geführt, kann man
einen Sprung über 192 Meter in die Tiefe wagen. In einer Nische wird ein
informativer Film über Auckland und seine zum Teil noch jungen, erst etwa 600
Jahre alten Vulkane direkt vor seiner Haustür, gezeigt. Weiter durch ein
Gewühl aus Souvenirs und Ginggernillis endlich, wird man mit 25$ zur Kasse
gebeten, um mit dem Lift in die Aussichtsplattform zu gelangen. Das ist uns jetzt
aber für den Anfang zuviel. Ausserdem wollen wir uns was zu essen suchen.
Draussen vor dem Eingang können wir gerade den Sprung eines waghalsigen
Jumpers mitverfolgen. Von hier unten kann man das wahrscheinlich sogar noch viel
besser als von oben.
Wir schlagen mal die Richtung Hafen und Meer ein, immer Ausschau nach einem
Restaurant oder Ähnlichem haltend. Bei einem Asiatischen Foodcorner treten wir
mal ein und sehen uns etwas um. Unter den Indern gibt es ja auch viele Vegetarier.
Tatsächlich sind hier die Küchen von vielen asiatischen Ländern
vertreten. Jeder hat seine Spezialitäten mit wohlklingenden Namen auf kleinem
Raum auch auf anschaulichen Bildertafeln anzubieten. Beim Inder entscheiden wir uns
zu einem Teller Gemüse mit Reis und Lamm an Kokossauce mit Naan. Während
uns der Verkäufer zu erklären versucht, was Naan sei, es ist
übrigens einfach eine Art Fladenbrot, spricht jemand René, der mit
seinem Teller an einen freien Tisch will, an und fragt, woher wir kommen.
Switzerland ist zuwenig genau und René präzisiert: aus Basel. "Jetz
Gopferdamihuersiech!". Da muss ich natürlich auch schauen und stelle meinen
Teller, den ich gerade in Empfang nehme auf mein Tablett. Leider ein bisschen zu
weit am Rand des eh schon schmalen Bordes und erwische gerade noch den Teller, der
seinen Inhalt bereits auf den Boden ausgekippt hat. Jetzt bin ich's, der sich
Gopferdamihueresiech sagen hört und zwar auch laut. Bis ich meine
Curryhände auf der Toilette abgewaschen habe und ein junger Mann die
Bescherung zusammengefegt hat, schöpft mir der Inder einen neuen Teller voll.
René hat sich unterdessen zu dem schweizerdeutsch sprechenden Maori und
seiner norddeutschen Frau gesetzt. Am liebsten würde ich natürlich im
Erdboden versinken und nerve mich masslos ob meiner Tattrigkeit, aber ich werde
getröstet, das sei sicher der Jetlag. Das Paar gibt uns gerade noch gute
Ratschläge, was wir mit dem angebrochenen Nachmittag hier in Auckland anfangen
könnten. Wir möchten vor allem etwas einkaufen, so als
Frühstück und Picknick etc. Da ist die Foodtown ganz in der Nähe, so
was wie die Migros, 24 Stunden offen, 7 Tage die Woche. Empfehlenswert und nicht zu
stressig im Hinblick auf den Jetlag, sei eine viertelstündige Fahrt mit der
Fähre nach Devonport.
Sie haben recht. Die Fahrt, ab 60 für beide zum Seniorenpreis und der
gemütliche Spaziergang entlang der Hafenanlage mit seinen noch wunderbar
blühenden Pohutukawa-Bäumen und den hübschen viktorianischen
Holzvillen, mit Blick auf die Skyline und Harbour Bridge, lässt direkt
Ferienstimmung aufkommen. Den Mount Victoria, einen offensichtlichen Vulkankegel,
der das Örtchen überragt, zu erklettern, lassen wir beim Versuch bleiben.
Ich habe mit meinen Flipflops schon nicht ganz die richtigen Schuhe an, oder bin
mich noch nicht an sie gewöhnt. Die Müdigkeit macht sich bemerkbar und
ich plange, bis endlich Abend wird und ich ins Bett kann.
Mit einem Pariserbrot, Tee und horrend teurem Käse aus der Foodtown, machen
wir uns drüben wieder auf den Heimweg. Die Skyline, von hier unten gesehen,
hat auch ihren besonderen Reiz. Eingeklemmt zwischen spiegelnden Fassaden grosser
Geschäftshäuser und von bis zu vierzigstöckigen Hochhäusern
überragt, fristen zu deren Füssen altehrwürdige Bauten wohl aus
viktorianischer Zeit ihr Gnadenbrot. Irgendwie scheint das Stadtbild so aus
Gegensätzen zusammengewürfelt.
Im Hotelzimmer angekommen, sind wir so total müde und wollen gar nichts mehr
essen. Nur noch die Füsse hochlagern und nicht mal mehr duschen. Und es
schläft bei mir sogar die ganze Nacht!