Aber wach sind wir beide schon um sechs. René steckt den Compi ein und
ärgert sich, weil er das USB Kabel für die Verbindung mit der Harddisk
vergessen hat. Auf dieser will er nämlich unsere Jagdtrophäen absichern.
Zuerst werden nun die Bilder von gestern angeschaut, wozu wir gestern viel zu
müde waren.
Auch hier hat es einen Wasserkocher und dazu verschiedene Teesorten und Kaffee
anmächelig bereitgestellt. So kurbeln wir unseren Motor an, denn
Frühstück ist in der Regel in den Hotels nicht inbegriffen. Man
könnte es sich auf Wunsch zusammenstellen und aufs Zimmer bringen lassen. Aber
für uns stimmt es auch so. Anschliessend machen wir uns noch zu Fuss auf, um
im nahen Warehouse nach einem Kabel Ausschau zu halten. Ich erstehe mir einen
verschliessbaren Becher, welchen ich zum Teemachen mit dem Tauchsieder oder auch
als auslaufsicheres Gefäss für unterwegs zu brauchen gedenke. Gestern auf
dem Heimweg habe ich hier in der Nähe auch noch eine 'Backery' gesehen.
Vielleicht bekommt man dort richtiges Brot und nicht nur so schwammiges Zeug nach
Amerikaner Art. Jedoch Fehlanzeige. Hier gibt's nur Brechfest und höchstens
Gipfel oder so süsse Schnitten und fertige Sandwichs.
An der Rezeption bestellen wir unser Auto und müssen eigentlich nur noch unser
bereitgestelltes Gepäck im Zimmer holen. 10 Minuten später beim
Auschecken steht es vor der Tür. Jetzt geht's zuerst nochmals zum Foodstore.
Getränke wollten wir gestern nicht rumschleppen. Es braucht wieder eine
Ehrenrunde ums Quartier, bis wir die Einfahrt zum Parkhaus erwischen. Mit
Zero-Coke, Cornchips, frischem Suschi, vegetarischen Würstli, Senf und
nochmals einem Pariserbrot sind wir für Hungerattacken auf unserer heutigen
Etappe gut gewappnet. Auch je zwei Büchsen Maggi Nudeln, mit und ohne
Fleischgeschmack, welche man nur mit heissem Wasser überbrühen muss,
kommen als allfälliger Notproviant mit.
Nun dreimal tief durchgeatmet und wir befinden uns schon auf der Einfahrt auf den
Highway 1. Leider ist es die falsche Richtung. Dafür können wir jetzt als
Erstes zweimal über die Harbour Bridge fahren. Ganz langsam beginne ich mich
auf die Gegend zu konzentrieren und nicht auf den Strassenrand. Die
Ausfahrtschilder ab der Autobahn verwirren zuerst noch. Bis wir realisieren, dass
wir dann tunlichst nicht auf der linken Spur fahren sollten, weil diese dann
einfach zur Ausfahr-Spur wird, kurven wir halt zuerst mal in einer Gegend herum,
welche wir gestern auf dem Weg vom Flughafen her kennen gelernt haben, bis wir die
nächste Autobahneinfahrt wieder gefunden haben. Jetzt wissen wir wenigstens,
dass Whangarei im Norden und Hamilton im Süden liegt. Knapp ausserhalb der
City sind auch schon alle Hochhäuser abgelöst durch die hölzernen,
einfachen Häuser mit ihren Gärten ringsum. Wohnsilos kennt man nicht,
jeder hat hier sein eigenes Haus. Die Einen noch verschnörkelt im
viktorianischen Stil, die andern einfach und unsere versnobten Begriffe würden
es fast eher als barackenmässig bezeichnen. Die Abzweigung auf den Highway 2
kommt aber noch lange vor Hamilton. Mit der Autobahn verlassen wir auch bereits
schon die Agglomerationen von Auckland und eine gute Landstrasse führt uns
durch weites, bewirtschaftetes Land mit sanften Hügeln und weiten, grünen
Weiden, gespickt mit Hunderten von schwarzen und gefleckten Rindern. Es ist eine
wunderschöne Gegend. Hier hat wohl jeder Bauer seinen eigenen Berg, auf dem
sein Heimet thront.
Ein grosser Meeresarm, der Firth of Thames, greift hier tief ins Land hinein und
die Strasse führt schurgerade durch eine weite Ebene, durch welche Flüsse
in breiten Betten ihr Wasser in vielen Windungen Richtung Meer zu transportieren
suchen. Über den Waihou River führt nahe der Mündung eine gut einen
Kilometer lange, hölzerne, schmale Brücke. Vor einem Stopplicht, welches
nun gerade auf grün schaltet, hat sich bereits eine lange Kolonne gebildet.
Auf meiner Karte ist sie als Single Lane Bridge eingetragen. Zum Glück wird
der Verkehr reguliert. Es hat zwar Ausweichstellen, aber auf diese Distanz
sähe man wohl kaum, wer jetzt zuerst auf der Brücke war und wer dann
wieder die stärkeren Nerven hätte... Am andern Ufer sind wir nun auf der
Coromandel Halbinsel angekommen. Nach unserer Routenbeschreibung kann man hier
wählen. Wenn man die Halbinsel von da überquert, ist man nach etwa 40
Kilometern in Tairua, am heutigen Etappenziel. Entscheidet man sich für die
Strasse, welche zum Teil ganz der Küste entlang führt und Coromandel
Peninsula umrundet, muss man mit 100 km extra rechnen. Da nun die Fahrerei für
René überhaupt kein Problem ist, bin ich natürlich bei der zweiten
Variante sofort auch mit dabei.
Wir folgen also dem Pacific Coast Highway, welcher mit einem blauen Wellensignet
gekennzeichnet ist und ganz dem Wasser entlang führt, Richtung Norden. Es ist
inzwischen fast eins geworden und wir halten Ausschau nach einem gäbigen
Picknickplätzchen. Thames, der erste grössere Ort seit wir die Autobahn
verlassen haben, liegt nun schon hinter uns und im Moment wollen wir noch nicht
Goldgruben und Minenschule oder die Goldstampferbatterie aus dem 19. Jahrhundert
besichtigen. Mein GPS ist ein superguter Strassenatlas, den mir Dani ausgeliehen
hat. Darin sind nun alle Strassen und sogar die bekannten Wanderwege in den vielen
Nationalparks eingetragen. Wo immer eine Attraktion zu besichtigen ist, ist auch
dies verzeichnet. Mit Hilfe des Polyglott findet man dann meist Näheres
darüber, welches bei der Entscheidung für einen Besuch hilfreich ist.
An einem Plätzchen, wo zwei oder drei Autos parkieren können und wo
zwischen der Strasse und dem Wasser noch ein Tisch mit zwei Bänken und ein
Abfallkübel Platz gefunden haben, halten wir und holen unser Picknick hervor
und ich geniesse mein Sushi. Die Temperatur ist angenehm sommerlich, der Himmel
jedoch praktisch bedeckt. Das Wasser hat sich weit zurückgezogen und
während unserer Rast kann man beobachten, wie grosse Holzstücke und
Steinbrocken draussen immer tiefer mit Wasser bedeckt werden. Also ist die Flut am
Hereinkommen. Wir gehen auf Fotopirsch, geniessen die Meerluft und das Sein. Der
Gedanke, für sechs Wochen hier auf der andern Seite der Welt einfach das zu
geniessen, was auf einen zukommt, gibt ein gutes Gefühl.
Wir fahren weiter und lassen nun auch das im Atlas eingetragene tropische
Schmetterlingshaus, fast auf der gegenüberliegenden Strassenseite, unbesehen
liegen. Obwohl eigentlich noch Haupt-Ferienzeit ist, herrscht nicht sehr viel
Verkehr. Es gefällt mir, so nahe der Küste entlang zu fahren. Die auf
meiner Karte grün eingetragenen Naturschutzgebiete, hier ist es der Coromandel
Forest Park, wo im 19. Jahrhundert noch starker Raubbau an den Kauriwäldern
betrieben wurde, reicht bis zum Meer und erfreut das Auge mit malerischer
Schönheit. Auch auf einem der Campingplätze hier Ferien zu machen, ist
bestimmt entspannend. Rummel ist glaub da ein Fremdwort. Manchmal führt die
Strasse in vielen Kurven wieder hoch durch hügeliges Gebiet und ehe wir uns
ganz vom Meer abwenden, wäre in Coromandel endlich Zeit für einen Kaffee.
Ein reizendes, kleines Dörfchen, das man bewusst anpeilen und dort dann
stoppen muss, ehe man schon wieder zu weit gefahren ist. Beidseits der Strasse ein
paar einstöckige Häuser, manche mit einem Schaufenster oder offenem Laden
und am Ende ein winziges Museum, darum herum eine familienfreundliche Parkanlage
und darin ein kleines Häuschen mit Männlein/Weiblein. Die fast
geschlossene Häuserzeile ist unterbrochen von einem gewaltigen, uralten
Pfefferbaum, unter dessen ausladendem Geäst sich eine kleine Gartenwirtschaft
eingenistet hat und nur wegen dem Baum will ich hier meinen Kaffee, oder besser
gesagt mein Shandy (hier sagt man dem Panaché so) trinken. Anschliessend
noch einen kurzen Blick ins Museümli, was in fünf Minuten passiert ist.
Beim Gemüsehändler erstehen wir noch ein paar Äpfel und bei der
Konkurrenz auf der andern Strassenseite könnte man doch, ehe es wieder
weitergeht, eine Glacé essen. Der grosse Lastwagen von Tip-Top hat eben
frische Ware geliefert. Aus vielleicht zwölf Sorten kann man sich eine, zwei
oder drei Kugeln auf ein Cornet beigen lassen. Beim Abmessen sind sie nicht
knickerig. Ein Scoop entspricht sicher etwa der Grösse eines Tennisballs und
die Pure Passions Fruit begeistert uns. Das rahmige Eis ist mit Fruchtanteil gut
durchsetzt.
Die Strasse führt jetzt kurvenreich über hügeliges Gebiet mit
urwaldähnlichem Baumbestand. Eben so, wie ich mir Urwald vorstelle. Am meisten
fallen die vielen Farnbäume ins Auge, welche wie Palmen aussehen. Die sich
ausrollenden Schnecken der frischen Triebe gehören aber eindeutig zur Familie
der Farne. Ob dies wohl jetzt der Kauri Baum ist, den sie hier auf Coromandel in
einer Aktion von bis jetzt 20'000 neu angepflanzten Bäume wiederaufbauen
wollen? Wir sind nun an der Ostküste, dem Pazifik angekommen. Das Wetter ist
immer trüber geworden und Richtung Tairua, unserem Ziel, scheint es zu regnen.
Wir machen in Whitianga, da wo vor 250 Jahren James Cook vorbei kam, nur einen
kurzen Bisistopp. Öffentliche WC's sind überall zu finden, wenn man nach
den Männlein/Weiblein-Wegweisern Ausschau hält. Wir nehmen uns vor,
diesem Gebiet hier um die Mercury Bay morgen einen näheren Besuch
abzustatten.
Es geht schon gegen sechs und wir halten an der Hauptstrasse von Tairua Ausschau
nach den Pacific Harbour Lodges. Parkieren wir doch, ehe die kurze Häuserzeile
wieder vorbei ist. Ich habe jedenfalls das "i" entdeckt, wo die Tourist Information
zu finden ist. Gerade daneben sieht nun René das Schild unseres Hotels.
Gegen unsern Voucher erhalten wir einen Schlüssel zu einem grossen Zimmer mit
Polstergruppe, Küche mit Herd und Mikrowelle, Dusche und Balkon über der
Rezeption, mit Blick auf den Garten mit den Lodges zwischen Palmen und
blühendem Oleander und einen kleinen See. Jener lockt uns gerade zu einem
Spaziergang, um die nähere Umgebung zu erkunden, da sich das Wetter nun doch
zurückgehalten hat. Der See ist nicht sehr tief, eigentlich ist es mehr eine
Pfütze und sein Wasser ist wegen der Ebbe fast ganz unter der Brücke
hindurch ins Meer abgeflossen. Auch Meer ist ein bisschen übertrieben. Zwei
grosse Landzungen lassen nur einen kleinen Durchgang vom Meer her offen und bilden
so einen geschützten, natürlichen Hafen, in welchem diverse Yachten
zuhause sind. Die eine Landzunge sieht von hier wie ein riesiger Sombrero aus und
scheint, wie der Monte Brè, von Privilegierten besiedelt zu sein.
Das Örtchen Tairua hat man schnell gesehen und doch erleben wir gerade hier
spezielle Attraktionen. Eine Fünferstaffel einmotoriger Flieger trainiert am
ziemlich düsteren Himmel Formationsflug, Loopings und Rollen, sogar mit Rauch.
Auf der Strasse kommt ein Gefährt dahergepustet, das muss ich mir unbedingt
auf meinen Chip bannen. Da hat sich einer seinen Camper selbst zusammengezimmert.
Sein fahrendes Gartenhäuschen hat ein richtiges Kamin und neben dem Treppchen
zum hinteren Hauseingang führt er ein WC mit, wohl mit Anschluss direkt auf
die Fahrbahn wie bei der SBB? "Push me, I am a little slow!" steht auf einem Schild
und dann kann er noch sein gelbes, rotierendes Blinklicht einschalten.
Langsam merken wir den Jetlag und sind todmüde. Zum Ausgehen fehlt uns die
Lust. Nur noch die Fotoshow der heutigen Bilder! Dabei stellen wir fest, dass wir
es nicht geschafft haben, die richtige Zeit mit der Zeitzone einzustellen. Wir
korrigieren etwa hundert Bilder und am Schluss kommen wir doch erst um elf ins
Bett.