Um halb sechs bin ich aber wieder hellwach. Es regnet. Der Vulkan vor dem Haus mit
seiner Villa zuoberst schaut düster und wolkenverhangen drein. Es trocknet
aber doch bald ab.
In der Hot Water Beach ist bei Ebbe um die Mittagszeit was zu sehen, also
müssen wir gehen. Aber ich will lieber nicht ans Steuer. Ich muss noch zu sehr
überlegen, auf welche Seite ich jetzt vor dem Haus um die Mittelinsel der
Strasse herumfahren müsste. Es passiert sogar René einmal, dass wir in
einer schlecht angelegten Kurve zu weit auf die rechte Seite geraten. Zum
Glück kommt Keiner entgegen. Man sollte also der Schlangenlinie, unter welcher
jeweils eine Richtgeschwindigkeit steht, mehr Beachtung schenken. Manchmal ist auch
bei gefährlichen Kurven direkt bei den Pfeilen eine Geschwindigkeit angegeben,
an welche man sich mit Vorteil hält.
Die Hot Water Beach ist nur etwa 20 km von Tairua entfernt. Bei Ebbe gibt das Meer
zwei heisse Quellen im Sand frei. Obwohl bis zum Tiefststand noch mehr als
anderthalb Stunden sind, hat es schon eine Menge Leute am Strand. Mit Schaufeln,
man könnte auch welche mieten, kommen sie daher und jeder buddelt sich ein
Loch im Sand, um sich in seiner Freiluft-Badewanne zu suhlen. In einer Tiefe von
etwa zwei Kilometern befindet sich über einer Magmakammer ein Reservoir aus
heissem Wasser, welches vom Grundwasser gespiesen wird. Angereichert mit
verschiedenen Mineralien, wie Kalzium, Magnesium usw. findet es zusammen mit
Kohlendioxydgasen durch feine Spalten den Weg nach oben. Die eine Quelle bringt pro
Minute etwa 10 - 15 Liter 64-grädiges Wasser, die andere etwa 60°. Wir
haben zwar die Badehosen eingepackt, aber es reizt mich überhaupt nicht, mich
in diesen Menschensalat zu begeben. Den tosenden Wellen zuzuschauen und probieren,
eine beim sich Brechen im Bild festzuhalten, ist auch spannend. Ausserdem haben wir
gestern, nur während unserem Picknick, beide an Nase und Hals einen
Sonnenbrand eingefangen. Das haben wir nun, obwohl auch heute die Sonne nicht
scheint, gut eingeschmiert und behalten die Kleider lieber an. Es ist ein
schön langer Strand und die Leute scharen sich nur bei den beiden heissen
Quellen, welche 20 Meter auseinander liegen. Baden ist nur auf einer Breite von
etwa 50 Metern erlaubt, weil nur dieses kleine Stück von etwa vier Aufpassern
überwacht ist. Das Meer ist hier mit heimtückischen Strömungen sehr
gefährlich.
Wir haben weiter hinten, bei den Surfern unsere Fotos geschossen und nun schlendern
wir dem Wasser entlang zurück. Beim Menschensalat schaue ich noch etwas zu.
Dabei umspült das Wasser meine Füsse und in dem lebendigen Sand sinkt man
schnell ein paar Zentimeter ein. Plötzlich wird's richtig heiss. Da bin ich
nun wohl direkt auf einer Ritze gestanden. So habe ich das Gefühl ja voll
mitbekommen, auch ohne dass ich mich in den Schlamm eingegraben habe.
Wir haben's gesehen! Ein Kaffee wäre doch gut, aber in der Vitrine im
Café hat es soviel von den süssen Kuchen und klebrigen Schnitten,
welche einen zu verlocken suchen, dass wir unverrichteter Dinge aus dem Lokal
entfliehen. Im Hotel gestern hatte es nämlich wieder so verteufelte
Spiegelwände! Im Kofferraum haben wir kühles Wasser. Wir haben es in zwei
Lagen Frottétücher eingepackt, dann Renés Sweatshirt darum
gewickelt und in seinen Lederrucksack gesteckt. Das funktioniert gut als
Kühlschrank.
Ein paar Kilometer weiter, auch noch in der Mercury Bay, führt ein
halbstündiger Wanderweg zur Cathedral Cove. Der Weg dorthin geht nur ein ganz
kleines Stück dem Strand entlang, dann beginnen Treppchen, die irgendwo in die
Höhe über die Klippen führen. Wenigstens scheinen sie schattig zu
sein, denn bald durchwandern wir einen sagenhaften Farnwald. Endlich mal richtig,
um diese Farnbäume zu fotografieren. Dann geht's weiter hoch über der
Beach. Ganze Hecken aus Neuseeland Flax mit seinen meterhohen
Blütenstängeln begleiten den schmalen Pfad. Jetzt hat sich's die Sonne
überlegt und auch sie will dabei sein. Auf Wasser und Strand tief unter uns
kommt Leben auf. Wir wähnen uns schon bald am Ziel, da wird uns bewusst, dass
wir eben den richtigen Ausgangsparkplatz erreicht haben.
Von hier wollen wir nun nicht nochmals eine halbe Stunde marschieren, denn es ist
recht heiss geworden und eigentlich reicht uns die rote Nase von gestern. Aber ein
kühles Cola vom fahrenden Kiosk ist doch willkommen. Nur noch die zehn Minuten
hinunter an die Bucht. Sie grenzt zwar an die Cathedral Cove, aber das Wasser
versperrt uns den Zugang zum Durchgang im weissen Kreidefelsen. Dafür
geniessen wir die lauschige Natur mit einem Kormoran, welcher fast unbeweglich auf
seinem Stein nach Futter Ausschau hält, das Zirpen der Zikaden und den Gesang
fremder Vögel im Wald. Noch blühen an geschützten Stellen die roten
Bäume und ein gewaltiges Exemplar dieser Sorte macht mir einen riesen
Eindruck. Ein Pohutukawa, man nenne ihn auch Weihnachtsbaum, weil er zur
Weihnachtszeit über und über mit scharlachroten Blüten bedeckt ist.
Wir sind begeistert vom Ausflug, auch wenn wir die kathedralische Höhle nun
nicht gesehen haben und entfliehen der Sonne, indem wir den Heimweg unter die
Räder nehmen.
Trotz Eincrèmen haben wir beide einen noch viel röteren Kopf und Hals
bekommen, also wagen wir uns erst bei Sonnenuntergang noch etwas nach draussen und
inspizieren die Pfütze vor dem Haus mit seinen kleinen Pillendreherkrebsen,
ehe wir das einzige, hiesige Restaurant, welches zum Hotel gehört, aufsuchen.
Der Fish-of-the-day ist ein herrlicher Monk-Fisch, den ich natürlich versuchen
muss. Renés Nudelgericht ist leider mit Tomatensauce versetzt, dafür
gibt's zum Dessert einen frischen Fruchtsalat. Dazu wird eine spezielle Sauce
gereicht, welche irgendwie das Aroma jeder einzelnen Frucht anders hervorhebt.