Heute habe ich bis um 6 Uhr gut durchgeschlafen, aber beim Aufstehen schaut mich
aus dem Spiegel etwas Komisches an. Rote Nase und Augendeckel und ein purpurnes
Halsband.
Sogar das Morgenlicht scheint rötlich, aber ich will die Wolken über dem
Sombrero nicht sehen, ich konzentriere mich aufs Blau. Der See draussen ist jetzt
voll und spiegelt Häuser und Wald wider. Diese Örtlichkeit erinnert mich
wieder stark an Sanibel Island in Florida. Sogar mit Kakerlake, welche beim
Zusammenräumen aus dem zusammengefalteten Bettüberwurf huscht. In Florida
war es meine erste, die ich gesehen habe, allerdings war diese tot.
Die Gegend, die wir zuerst durchfahren, könnte man hügelig nennen. Oder
doch gebirgig? Die Hügel sind nämlich eher spitzig, so wie der Sombrero
und nicht sehr hoch. Man sieht hier Waldrodungen, wo ganze Hügel
kahlgeschlagen sind. Bewaldete und Weidehügel halten sich etwa die Stange.
Vereinzelt sieht man hier auch die Jim Jims, welche ich von Australien kenne. Hier
sagt man ihnen Cabbage Trees. Bald sieht man auch auf den ersten Plantagen
Zitrusfrüchte durch das grüne Laub schimmern. Und immer wieder auf der
Strasse plattgewalzte Possums. Da diese nachtaktiv sind, müssen wir weniger
befürchten, eins zu erwischen. Diese Beuteltiere wurden vor 150 Jahren zur
Pelzzucht von Australien eingeführt. Viele davon entkamen und vermehrten sich
in Neuseelands Wäldern prächtig, so dass sie nun richtig zur Plage
geworden sind, denn es sind sehr gefrässige Nager.
Es wäre Zeit für einen Kaffee. Waihi scheint uns mit seinen diversen
roten Eintragungen im Atlas auch interessant zu sein. Hier wurde die reichste
Goldader Neuseelands entdeckt und die Martha Mine soll immer noch, oder vielmehr
nach dreissig Jahren Stilllegung, 1988 wieder eröffnet worden sein. Die
Ortschaft besteht hauptsächlich aus zwei Strassen, dem Highway 25 und dem hier
abzweigenden HW2, links und rechts eskortiert von den einstöckigen
Häusern, in welchen Banken, Läden, die Bibliothek, aber auch schön
restaurierte Hotels im Kolonialstil aus der Glanzzeit der Ortschaft bezaubern.
Grosse Bildtafeln, auf denen die bewegte Geschichte der Stadt erzählt wird,
erwecken einen musealen Eindruck. Ich entdecke sogar ein Plakat, wo für
Pinguine geworben wird. Nun muss aber René lachen, was habe ich da wieder
gelesen - es heisst painting!
Nicht beim Maler, aber in einem kleinen Laden ersteht er für 10 $ einen Hut
gegen weitere Sonneneinwirkungen und anschliessend platzieren wir uns an einem
Bistrotischchen vor einem Café. Nur warten nützt nichts, man muss
selber handeln. Das Servicepersonal ist hier nur zuständig fürs
Abräumen und jene Sachen zu servieren, welche man nicht beim Bezahlen an der
Kasse gleich mitnehmen kann, wie zum Beispiel einen Cappuccino. Der erfordert einen
speziellen Arbeitsaufwand, bis sein Schäumchen das ist, was es sein muss.
Dekorativ und künstlerisch gestaltet, und halten muss es, bis der Kaffee
ausgetrunken ist und man den Rest mit dem Löffel geniesserisch ausputzen kann.
So ergattern wir uns also zuerst zwei supersüsse Kuchenschnitten, eine Art
Cornet und ein Cola und platzieren das gut sichtbare Nummernschild auf unserem
Tischchen, damit die Servierdüse weiss, wohin der Cappuccino gehört.
Weiter geht's wieder dem Meer entgegen und mehr oder weniger der Küste
entlang, sogar bei Bethlehem vorbei, über Tauranga mit zur Neige gehendem
Tankinhalt bis Te Puke. Es ist hier ein sehr fruchtbares Gebiet, wo zwischen vielen
Thermalquellen Zitrusfrüchte und Kiswis hervorragend gedeihen. Ein Viertel der
Neuseeländischen Kiwiproduktion wächst hier um die Bay of Plenty, des
Überflusses, wie sie Kapitän Cook genannt hat.
Also legen wir bei Kiwi360 einen Stopp ein. Hier kann man alles über die
Kiwifrucht erfahren. In einem kleinen Zug aus kiwiförmigen Wägelchen kann
man die ganze Plantage besichtigen. Ausser hauptsächlich Kiwifrüchte,
werden auch Zitrusfrüchte, Apfelbäume, Macadamia, Avocados und anderes
Obst gehegt. Die Kiwibäume und deren Äste oder Ranken, werden an starken
Drähten getrimmt und bilden eine riesige Pergola, an deren Himmel Millionen
von Kiwifrüchten hangen. Die einzelnen Plantagen sind immer eingerahmt von
Hecken aus hohen Thuja oder andern zypressenartigen Bäumen. Man darf
aussteigen und von Kiwis beschattet, erklärt uns Simon, der Führer, alles
über die Produktion dieser Gross-Beeren.
Nachdem wir im Restaurant noch eine Kiwi-Glacé probiert haben - sehr gut -
im Souvenirladen zu Neuseeland-Socken gekommen sind und draussen auf dem
Aussichtsturm die ganze Plantage überblickt haben, machen wir uns auf den Weg
und halten Ausschau nach einer Shell Tankstelle. Es sollte Shell sein, denn bei
unserem Einkauf in der "Migros" haben wir mit dem Kassenzettel auch einen Gutschein
erhalten, um beim nächsten Tanken bei Shell vier Cents Rabatt pro Liter zu
bekommen. Schon kommt die Abzweigung zum HW33 und mit Schrecken stelle ich fest,
dass es nach der Karte nun mehr als 30 Kilometer durch den Wald geht und keine
Ortschaft mehr kommt. Dabei leuchtet die Benzinuhr schon ein Weilchen. Jetzt
bimmelt sie sogar noch und ich kann nun den malerischen Wald gar nicht geniessen,
den wir durchfahren. Vor Rotorua, unserem heutigen Ziel, können sich meine
Nerven jedenfalls bei einer Shell Tankstelle beruhigen. Wie wir später
herausfinden, zeigt sogar ein spezieller Zähler immer an, wie weit man mit dem
Tankinhalt noch fahren kann. Wenn es bimmelt, hat man immer noch für 80
Kilometer Reserve.
Dank meinem Super-Handy-Atlas, welcher auch von Rotorua einen Stadtplan beinhaltet,
finden wir das Rydges an der Fenton Street auf Anhieb. Zur Begrüssung weht
einem beim Aussteigen ein penetranter Schwefelgestank entgegen. Wir sind hier, wo
viele Thermalbäder und Spa's zum Besuch einladen. Hier kommt vulkanische Hitze
nahe an die Erdoberfläche und Geysire und heisse Schlamm-Blubber-Löcher
hoffe ich da zu Gesicht zu bekommen.
Unser grosses Zimmer hat wieder zwei Doppelbetten, eine Kücheneinrichtung,
zwar ohne Kochplatte, aber mit Spültrog, Kühlschrank und dem obligaten
Wasserkocher für Tee und Kaffee. Ausserdem einen Balkon mit Blick auf die
Pferderennbahn und man kommt von da direkt in ein Badezimmer mit
Sprudelbadewanne.
Zuerst machen wir mal einen Spaziergang in die Stadt, um uns beim Visitor-Center
über hiesige Attraktionen und "Must's" zu informieren. Rundflüge zu
Neuseelands aktivstem Vulkan White Island mit Helikopter und Wasserflugzeug, oder
Carfahrten zu Waio-tapu und den Glühwürmchenhöhlen werden angeboten.
Letztere stehen sowieso noch auf unserem Programm und den Geysir im
Thermal-Wonderland hätte ich schon gern gesehen. Jedoch wenn man bedenkt, dass
er täglich um punkt 10.15 ausbricht - wegen den Touristen verhilft man ihm mit
Waschpulver zum pünktlichen Erscheinen - und die Leute per Bus angekarrt
werden, kann ich mich fassen. In Te Puia, gerade am Ende der Fenton Street, hat's
auch einen Geysir und Schlammlöcher. Es ist eher unfreundliches Wetter,
ziemlich bedeckt und recht kühl. Wir flanieren trotzdem noch etwas dem See
entlang mit seinen schwarzen Schwänen und probieren die auf dem Wasser
parkierten Flugzeuge fotografisch festzuhalten. Unter einem schützenden Dach
entdecken wir auch ein reich mit Maorischnitzereien verziertes Langboot oder
Kriegskanu, ein Whaka. Rotorua ist die Maoristadt schlechthin. Es gibt nicht nur
ein Museum, sondern auch ein rekonstruiertes Maoridorf mit lebendigen
Demonstrationen von Brauchtum, Webkunst und Esskultur. A propos Essen, auch wir
halten Ausschau auf dem Heimweg, sind aber ein klein wenig zu früh. Vielleicht
finden wir im Einkaufsladen Pack n' Save Brot! Das Fleisch sieht hier aber eher
unappetitlich aus. Es ist zwar abgepackt, aber der Blutsaft läuft durch den
Kühler und seine Wände sind richtig verkleckert. Deshalb ist wohl
fotografieren im Laden verboten. Im Countdown nebenan sieht's sauberer aus. Es gibt
aber auch hier Käse für 63$ das Kilo. Wir decken uns mit einem Stück
Swiss Cheese für 12$/kg und einer Portion spicy Beef ein. So können wir
uns im Hotel selbst verpflegen.
An der Kasse fallen wir wegen Verständigungsschwierigkeiten natürlich
wieder als fremde Fötzel auf, sodass die Kassiererin fragt woher wir kommen.
Switzerland ist meist ein Zauberwort, aber nach einem nur kurzen Aufleuchten in
ihren Augen besinnt sie sich und faucht und will uns gerade die Augen auskratzen.
Ich verstehe nur was von sail. Aha - Alinghi!
Der Wind hat inzwischen gedreht und es stinkt nicht mehr so sehr, also essen wir
auf dem Balkon unseren mitgebrachten Food. Natürlich müssen wir noch das
Spa-Bad ausprobieren. Mit der Selbstauslösefunktion kann ich den Spass
festhalten und dokumentiere gleichzeitig unsere korallenroten Halsbänder,
welche wir gestern an der Sonne gefasst haben. Etwa eine Viertelstunde, nachdem
sich das Wasser mit einem Didgeridoo-Gesang durch den Ablauf verabschiedet hat,
beginnt draussen nochmals ein Getöse in der Wanne. Es sind die sich selbst
reinigenden Düsen.