Bevor wir Gisborne verlassen, erkundigen wir uns, leider erfolglos, nach einem
Europcar-Büro hier, damit wir den Schaden melden könnten. Also machen wir
uns auf den heute etwa 215 Kilometer langen Weg nach Napier. Mit dem Städtchen
lassen wir auch fast alle Zivilisation hinter uns. Jetzt wird der State Highway 2
wieder als Pazifik Küstenstrasse und Touring-Route bezeichnet. Wir füllen
zuerst noch den Tank, denn auf der ganzen Strecke ist auf meiner Karte nur ein
einziger Ort eingetragen, welcher ausser der Hauptstrasse auch noch drei, vier
kleine Quer- oder Nebensträsschen aufweist. Die Strasse führt uns hinauf
und hinunter, durch grosse Waldstücke, dann wieder zum Meeresstrand. Ab und zu
holen wir grosse Holz-Lastzüge ein, oder die hohen Tiertransporter, welche auf
zwei oder drei Ebenen Schafe geladen haben, was die durch die seitlichen
Lüftungsschlitze herausschauenden Ohren verraten.
In regelmässigen Abständen gibt es immer wieder gut signalisierte
Überholspuren, welche länger sind als die Slow Vehicle Bays, wo man die
grossen Brummis dann problemlos überholen kann. Sie sind oft schon 4 bis
fünf Kilometer vorher angekündigt, somit kommt man weniger in Versuchung,
ein riskantes Überholmanöver zu wagen.
Wir haben schon den grössten Teil der Strecke zurückgelegt, und noch
immer ist uns keine Gelegenheit für eine kleine Zwischenverpflegung begegnet.
Wairoa war auch schon vorbei, ehe man realisieren konnte, dass hier eine Handvoll
Häuser etwas näher beieinander standen. Kahika scheint noch ein Ort zu
sein. Vielleicht ist es aber auch nur ein Flurname. Oder eventuell Tutira? Einsam
steht ein kleines Häuschen am Strassenrand. "Tutira Store - last Stop for Tip
Top". Nun aber schnell auf die Bremse gestanden. Auf dem winzigen Vorplatz getraut
man sich zwar fast nicht zu parkieren. Aber immerhin befindet sich hier das
Post-Center, wo man sich die Post in den Postfächern abholen kann. Neben
aufgesprayten Rentieren und Weihnachtsglocken wird in zwei Pseudo-Schaufenstern
neben Merry Christmas auch für eiskaltes Cola geworben.
Im winzigen Lädelchen bekommt man neben allerlei Nützlichem und
Notwendigem auch eine kleine Auswahl von Sandwichs und süssen Schnitten.
Während uns die Frau hinter dem Tresen unsere Glacékugeln auf das
Cornet türmt, können wir von der Ungeheuerlichkeit lesen, dass hier auf
dem Postamt einfach der Laptop geklaut wurde und man appelliert doch inständig
an das Gewissen und die Fairness des Diebes, die Sache wieder in Ordnung zu
bringen.
Am frühen Nachmittag haben wir schon wieder die Weingärten vor Napier
erreicht. Um am schnellsten zu den gebuchten Hotels zu gelangen, orientiert man
sich glaub am besten an den Tourist-Informationen, die immer auf meiner Karte mit
einem "i" eingetragen sind und in deren Nähe wir bis jetzt immer fündig
wurden. An der Marine Parade findet man auch hier beides. Im vierten Stock im Hotel
Scenic-Circle haben wir durch das lockere Geäst von hohen Norfolk-Tannen,
welche der ganzen Marine Parade entlang eine Allee bilden, vom Zimmer aus einen
wunderbaren Blick auf den endlosen, türkisblauen Horizont des Pazifiks.
Als Erstes suchen wir nun hier im Städtchen das Europcar Büro auf.
Vielleicht lässt sich etwas machen. Wir haben uns bis jetzt so beholfen, dass
René zuerst ausgestiegen ist und ein Stück von einer Petflasche von
aussen in den Türspalt gesteckt hat, bevor ich meine Tür öffnete und
haben so wenigstens unsere Ohren etwas vor dem Gequietsche geschont.
Der Garagist vor Ort beruhigt uns aber. Das sei nicht so schlimm. Er würde uns
zwar gerne ein anderes Auto geben, aber leider ist im Moment gerade keins zur Hand.
Also machen wir uns auch kein Gewissen mehr. Jedoch die Stelle mit einem Stück
Seife einzuschmieren, will ich trotzdem noch versuchen und oh Wunder - es wirkt
sogar etwas.
Unweit vom Hotel ist uns die markante Klippe aufgefallen, von wo wir uns einen
guten Überblick über die Stadt versprechen. Also suchen wir auf dem
Heimweg auf engen, verwundene Pfaden den Einstieg zum Aufstieg auf den Bluff Hill,
mit dem Erfolg, dass wir am Schluss sogar mit dem Auto oben auf dem Parkplatz
stehen.
Man hat hier wirklich eine gute Aussicht, zwar mehr auf den Hafen als auf die Stadt
selber. Ein Erdbeben zerstörte im Jahr 1931 die ganze Stadt und sie wurde dann
im damals modernen Art Déco-Stil innerhalb von zwei Jahren ganz neu
aufgebaut. Es gibt extra Art Déco Führungen zu den interessantesten
Gebäuden. Ich finde zwar die Häuser mit den Zickzackmustern und
geometrischen Motiven auch ganz hübsch, finde aber zwischen Art Déco,
viktorianischem und Kolonialstil und was immer es sonst noch gibt, keine grossen
Unterschiede. Für mich ist alles mehr oder weniger verspielter oder
nüchterner, barackenähnlicher Stil. Ich muss jedenfalls nicht tief
durchatmen (ich Banause).
Für ein Besuch im Aquarium ist es schon zu spät. Also gehen wir auf
Futtersuche und ich finde in einem winzigen Beizlein einen wunderbaren Burnard
Fisch. Der kommt jedenfalls auf meine Liste der Empfehlenswerten, wie der Crayfish
aus dem Fischtrio von vorgestern.