Mittwoch, 30. Januar 2008
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Der Wecker schellt um viertelvor sechs. Noch scheinen die Sterne. Aber der Horizont
wird hell und bis wir eine Stunde später starten, macht die Sonne rote Berge.
Wir haben an der Rezeption noch einen Prospekt bekommen, auf welchem die ganze
Strasse mit all ihren Sehenswürdigkeiten unterwegs erläutert wird. Die
Startpunkte von verschiedenen Wanderungen und Lookout's sind nummeriert und mit
Kilometerangabe von Te Anau aus angegeben.
Es erwacht ein wunderbarer Morgen. Die Strasse führt bald im Gebiet des
Nationalparks dem Flusslauf des Eglinton-Rivers entlang durch einsame Wildnis.
Bodennebel schleichen sich geheimnisvoll über das sumpfige Gebiet bei den
Mirror Lakes. Noch ist der Ausstellplatz bei Kilometer 59 beim Zugang auf den
Holzsteg verwaist. Es ist wirklich ein fantastisches Bild, wie sich die noch leicht
rötlichen Berge im absolut ruhigen Wasser spiegeln - jedenfalls dort, wo nicht
die blöden Enten einem den ganzen Spass verderben. Irgendwo hat man ein Schild
angebracht, aber nur im Wasser kann man die in Spiegelschrift aufgedruckte
Inschrift 'Mirror Lakes' gut lesen.
Ganz gespannt sind wir einen Kilometer weiter auf "the Avenue of Disappearing
Mountains". Die Strasse führt nun durch dichten Buchenwald und bildet eine
Schneise im grünen Laubdach. Durch die leichte Steigung der geradeaus
verlaufenden Strasse kann man einen in dieser Schneise sichtbaren Berg, schneller
als eine untergehende Sonne verschwinden sehen. Auf diese Idee muss man auch noch
zuerst kommen. Wir nehmen uns vor, zuhause auch mal auf die Suche nach disappearing
Mountains zu gehen und dies dann als Attraktion zu verkaufen. Auch auf die
Tatsache, dass man beim Überqueren des 45. Breitengrades genau zwischen dem
Pol und dem Aequator liegt, was zum Beispiel bei Turin exakt der Fall ist, hat mich
in der nördlichen Hemisphäre noch niemand aufmerksam gemacht.
Wir sind ohne viel behindernden Verkehr gut vorangekommen und am Ziel scheint ein
Kaffee noch gut drin zu liegen. Auch den steilen Homer-Tunnel, welcher auf seine
1,2 km 129 Meter abfällt, konnten wir gerade bei Grün passieren. Also
fahren wir auf den Parkplatz, wo einem ein Chasm, also eine Schlucht versprochen
wird. Man merke: Felsen - Höhlen - Schluchten....
Wir hoffen, dass uns in der Zwischenzeit nicht gerade ein Kea, einer dieser frechen
Papageien, die Gummidichtung unserer Windschutzscheibe frisst, wie man auf Plakaten
davor gewarnt wird. Auch solle man diese Viecher ja nicht füttern.
Der Stopp hat sich gelohnt. Das Erlebnis dieses frühmorgendlichen
Regenwaldspaziergangs und die Wasserfälle, welche sich tief durch das moosige
Gestein gefressen haben, finden wir fast spektakulärer als die Purakaunui
Falls, für welche wir 19 km auf staubiger Strasse gefahren sind.
Wir sind um Neun da und es hat noch nicht viel Volk und alle Schiffe sind halb
leer. Dabei machen die ein solches Getue, dass man ja im Voraus buchen solle. Aber
das ist wahrscheinlich nur so ein Trick. Wenn man gebucht hat, zieht man es durch,
auch wenn es regnet. Und hier regnet es einfach immer - nur heute, weil wir da
sind, nicht. Die Stürme, welche über das Tasmanische Meer
herüberfegen, regnen ihre aufgenommene Feuchtigkeit an den bis 2000 Meter
hohen Bergen des Fjordlands aus. Sieben Meter Niederschlag misst man hier pro
Jahr.
Pünktlich um Zehn stechen wir in See. Wie es sich für einen Fjord
gehört, ragen bald links und rechts senkrechte Felsen hunderte von Metern
empor. Darüber stürzen sich weisse, schäumende Wasserfälle und
die in Einerkolonne startenden Schiffe fahren der Reihe nach hier an der Gischt
vorbei und dort verweilen sie eine Zeitlang nahe einer aus dem Wasser
herausragenden Felsnase. Beim Näherkommen entdecken wir eine ganze
Seehundkolonie. Faule Säcke, welche auf dem Felsen an der Sonne liegen und
Spielernaturen, die sich im Wasser tummelnd in Szene setzen. Der Kapitän
erklärt über Lautsprecher alles Wissenswerte und Interessante. Einmal
rennt alles auf eine Seite und ich meine etwas von Pinguin verstanden zu haben.
Irgendwas tummelt sich im Wasser, aus dieser Distanz kann ich aber nichts Genaues
erkennen.
Auf Renés Foto, mit seinem beneidenswerten Zoom, kann man doch eine gewisse
Ähnlichkeit mit einem plantschenden Pinguin nicht in Abrede stellen. Auf
Höhe der Meeresmündung wendet das Schiff und es geht den langen Schlauch
retour. Eigentlich habe ich halb erwartet, dass man noch Wale sehen könnte
oder was sonst? Nach etwas mehr als zwei Stunden sind wir wieder zurück von
diesem absoluten 'Must'. Ich kann mich fassen, aber wahrscheinlich sind wir
Schweizer hier schon etwas verwöhnt. Auf einer Fahrt auf dem
Vierwaldstädtersee hätte man zwar keine Seehunde gesehen und auch nicht
so viele Wasserfälle. Ausserdem war auch das Licht zum Fotografieren extrem
schlecht.
Vom Parkplatz aus führt ein kurzer Spazierweg durch Ufergebüsch zum nahen
Flugplatz. Das Sirren der Zikaden ist direkt ohrenbetäubend. Es
übertönt beinahe den Lärm der startenden Maschinen vom nahen
Flugfeld. Wenn man etwas näher hinschaut, entdeckt man diese
Lärmkäfer zu Hunderten getarnt im Geäst. Die Einen schön
grün und schwarz schillernd mit durchsichtigen, schwarz geäderten
Flügeln, welche Weltmeister sind im Sirren und eine braune Sorte, welche fast
durchscheinend, wie eine ausgeschlüpfte Puppenhaut aussieht, welche vor sich
hin knackt.
Auf dem Flugfeld ist gerade ein Car voll Leute angekommen und die Passagiere
verteilen sich auf fünf bereitstehende Flieger. Ein Rundflug gehört
ebenso sehr zum 'Must'. René hat natürlich die beste Gelegenheit die
verschiedensten Flugzeugtypen für seine Sammlung zu knipsen. Einer nach dem
andern startet, Helikopter surren und an der nahen Strasse brausen die Autos
vorbei. Dies alles untermalt vom Spektakel der Zikaden - dem sagt man wohl jetzt
Milford Sound?! Von wegen Nationalpark und Natur pur!! Aber was soll's, wir sind ja
auch dabei.
Zuhause gibt's zuerst noch ein Tiptop, dann Menüinspektion aller Beizen. Der
Nachbar hätte eventuell was, aber ich bin recht müde und es stinkt mir,
noch auszugehen. Wir haben ja noch Nudeln! An der Rezeption lösen wir noch
für 2 mal 20 Minuten Internet auf grabi.ch. Dani's Bilder von Neuseeland sind
jetzt total anders anzusehen als noch daheim. Jetzt ist es ein Wiedererkennen, weil
man diese Gebiete und Landschaften nun mit eigenen Augen gesehen hat. Dann wird im
Zimmer wieder verglichen, wer jetzt den schöneren Mitre Peak, Stirling Fall
oder schärfere Nahaufnahme einer Zikade bieten kann.
Mittwoch, 30. Januar 2008
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